Nur zwei Tage nach Übernahme seiner Amtsgeschäfte, am Tag der geplanten feierlichen
Einführung, ist der neue Warschauer Erzbischof Stanislaw Wielgus zurückgetreten. Das
teilte die vatikanische Nuntiatur in Warschau heute mit. Vorangegangen waren heftige
Debatten über eine langjährige Zusammenarbeit von Wielgus mit dem kommunistischen
Geheimdienst. Papst Benedikt XVI. nahm das Rücktrittsgesuch an. Mit der Leitung der
Erzdiözese wurde übergangsweise der vor kurzem aus Altersgründen zurückgetretene Vorgänger
Wielgus', der polnische Primas Kardinal Jozef Glemp (77), betraut. Auf Druck der
Öffentlichkeit hatte Wielgus am Freitag Abend eingestanden, dass er vor Jahrzehnten
mit der polnischen Staatssicherheit zusammengearbeitet hat. Er habe dies getan, um
vom kommunistischen Regime die Erlaubnis zu Auslandsreisen zu erhalten, bekräftigte
aber, bei diesen Kontakten habe er niemandem geschadet. Vatikansprecher Pater Federico
Lombardie erklärte am Mittag, das Verhalten Wielgus' habe seinem Ansehen geschadet.
Der Amtsverzicht sowie die sofortige Annahme seien die angemessene Rekation auf die
aktuelle Lage. Lombardi warnte gleichzeitig vor einem Rachefeldzug gegen die katholische
Kirche in Polen. Der Fall Wielgus sei weder der erste noch der letzte dieser Art.
Man dürfe nicht vergessen, so der Vatikansprecher, dass die Geheimdienstakten "von
Funktionären eines diktatorischen und erpresserischen Regimes angefertigt" seien. Das
polnische Fernsehen hatte heute Morgen gemeldet, die feierliche Amtseinführung in
der Warschauer Kathedrale werde abgesagt. Stattdessen fand ab 11.00 Uhr ein Te Deum,
eine Dankmesse für die 25-jährigen Dienste von Kardinal Glemp statt. Glemp nahm
den zurückgetretenen Erzbischof in der Predigt vor den Vorwürfen in Schutz. "Über
Wielgus wurde auf der Basis von dreimal kopiertem Papier geurteilt", so Glemp wörtlich.
"Wir wollen solche Gerichte nicht." Die Gottesdienstbesucher applaudierten. Der Primas
von Polen rief dazu auf, Zeugen für die Geheimdiensttätigkeit zu finden, vor allem
die Agenten, die Wielgus kontaktiert hätten. Für die Aufarbeitung der Vergangenheit
reiche es nicht aus, Dokumente zu analysieren. Wielgus selbst nahm an der Messe
teil. Mehrere Geistliche und Journalisten riefen inzwischen dazu auf, den tragisch
gedemütigten Erzbischof nun in Ruhe zu lassen. (rv/kna/ansa 07.01.07 bp)