"Erschreckender Vormarsch des Islams in der heutigen Welt" - so heißt ein Pressepapier
des deutschen kirchlichen Hilfswerkes "Kirche in Not". Danach hat sich der Islam "in
christlichen Ländern weit stärker ausgebreitet als umgekehrt". Wir dokumentieren hier
das Papier im vollen Wortlaut. Autor ist Prof. Dr. Rudolf Grulich.
Obgleich
man im Westen wegen der arabischen Sprache des Korans oft das Arabertum mit dem
Islam gleichsetzt, sind es doch heute nichtarabische Staaten, in denen die meisten
Muslime leben. An der Spitze steht Indonesien mit über 180 Millionen Muslimen.
Es folgen Pakistan mit 130 Millionen, Bangladesch mit 105, Indien mit 90, China
mit 80, Iran und die Türkei mit 70 Millionen Muslimen. Erst dann kommt mit Ägypten
ein arabisches Land, von dessen 70 Millionen Gesamtbevölkerung die Muslime etwa
60 Millionen ausmachen.
Diese absoluten Zahlen besagen aber wenig, da
die Prozentsätze der Muslime bezogen auf die Gesamtbevölkerung zwar in Indonesien
(88 Prozent), Pakistan (97 Prozent), Bangladesch (88 Prozent), dem Iran (99 Prozent)
und der Türkei (98 Prozent) sehr hoch, im Falle Indiens (mehr als 10 Prozent)
oder China (6 Prozent) relativ gering sind.
Allerdings leben die Muslime
auch in Indien und China meist in kompakten traditionellen Siedlungsgebieten und
bestimmten das Erscheinungsbild ganzer Provinzen, Bundesländer oder Republiken,
wie dies auch in den zentralasiatischen Republiken der ehemaligen Sowjetunion der
Fall war. Dort sind seit dem Zerfall der UdSSR ein halbes Dutzend neuer muslimischer
Staaten entstanden. Sicher können wir von weit über einer Milliarde Muslime in
der Welt ausgehen, das sind zwanzig vom Hundert der Weltbevölkerung.
Mehr
als 95 Prozent der Bevölkerung stellen die Muslime in Ländern wie Afghanistan, Algerien,
Irak, Jemen, Jordanien, den Arabischen Emiraten, im Iran, den Komoren, in Libyen,
den Malediven, Mali, Marokko, Mauretanien, Niger, Oman, Pakistan, Saudi Arabien,
Senegal, Somalia, Tunesien und der Türkei. Doch sind in den ölreichen Ländern
der Arabischen Halbinsel Hunderttausende von ausländischen christlichen Arbeitern
beschäftigt.
Mehr als vier von fünf Einwohnern sind Muslime in Ägypten,
Bangladesch, Bahrain, Dschibuti, Gambia, Guinea, Indonesien, Katar, in Kuwait
und Syrien, wobei in vielen Fällen keine exakten Zahlen vorliegen.
Eine
muslimische Mehrheit gibt es auch in Staaten wie dem Libanon, Sudan, Tschad, Malaysia
und in Europa in Albanien, Bosnien und dem Kosovo, das mit seiner Unabhängigkeit
rechnet.
Ihre Stärke zeigen die islamischen Staaten durch ihren 1974 in
Dschidda erfolgten Zusammenschluss in der Islamischen Weltkonferenz (ICO = Islamic
Conference Organisation), mit einer eigenen islamischen Nachrichtenagentur (INA),
der Islamischen Entwicklungsbank (IsDB) und der Islamischen Presseunion (IsPU).
Vorläufer dieser ICO waren die Islamische Weltliga und die Islamische Allianz
König Feisals von Saudi-Arabien. Versuche des Iran und Libyens erfolgten, einen
so genannten „Islamischen Rat“ bzw. eine „Organisation der Islamischen Welt“ zu schaffen.
Sitz der ICO ist Dschidda, der der Islamischen Presseunion London. Der ICO gehören
fünfzig Staaten und Organisationen an, das sind fast alle Staaten mit islamischer
Mehrheitsbevölkerung. Ziel der ICO ist die Förderung der Einheit und Zusammenarbeit
aller islamischen Staaten, der Kampf gegen den Kolonialismus und für die Rückgewinnung
der heiligen Stätten in Jerusalem.
Islam in Europa erst seit türkischer
Eroberung
In Europa leben Muslime erst seit den Jahrhunderten der
türkischen Eroberung in Albanien, Bulgarien, Griechenland, Bosnien, Serbien, Montenegro,
Mazedonien und Rumänien. - Bereits 1354 hatten die Osmanen die Dardanellen überschritten,
wo sie in Europa Fuß fassten, - schon 1361 Adrianopel eroberten und zur zweiten
Hauptstadt machten. - 1389 schlugen sie das serbische Heer auf dem Amselfeld,
- 1453 eroberten sie Konstantinopel, 1463 Bosnien, 1521 Belgrad und - 1526
Ungarn. - Ihre Zahl dürfte gegen Ende des 20. Jahrhunderts im ehemaligen Jugoslawien
über vier Millionen, zwei Millionen in Albanien, anderthalb Millionen in Bulgarien,
hundertfünfzigtausend in Griechenland und fünfzigtausend in Rumänien betragen
haben.
Im europäischen Russland gibt heute es mehr als zwölf Millionen
Muslime, dazu als Erbe der alten Sowjetunion Hunderttausende in den Nachfolgerepubliken.
Völker wie die Tataren und Baschkiren, Krimtataren und die Völker des Kaukasus
sind traditionell muslimisch.
Was die Nachfolgerstaaten Jugoslawiens angeht,
so stellen sie in Bosnien die relative Mehrheit mit zwei Millionen, in Mazedonien
gibt es über 600.000 Muslime, im Kosovo 1,7 Millionen, im übrigen Serbien über
100.000, ebenso in Montenegro sowie je 50.000 in Kroatien und in Slowenien. In Polen
gibt es noch 5.000 einheimische Muslime aus der Zeit der Tataren. Die Muslime
in allen anderen europäischen Staaten sind erst im Gefolge der modernen Wanderströme,
vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg, ansässig geworden: in Deutschland etwa vier,
in Frankreich drei, in Großbritannien 2,2 Millionen.
Durch Einbürgerung
vieler Muslime in europäischen Ländern und durch Heirat europäischer Frauen mit
Muslimen ist die genaue Zahl der Anhänger des Islams bei uns schwer zu bestimmen.
Islam
sieht Europa als Missionsgebiet
Der Islam in Europa wird aber längst
in weltweite islamische Missionsplanung einbezogen. Das zeigen überregional tätige
islamische Organisationen wie der „Islamic Council of Europe“ in London und der „Moscheenrat
für Europa“ in Brüssel.
Ein Vergleich der Ausbreitung des Islams in christlichen
Ländern mit der christlichen Präsenz in islamischen Staaten im 20. Jahrhunderts
fällt eindeutig zuungunsten des Christentums aus. Während das Christentum zum
Beispiel in rein islamischen Ländern wie Afghanistan, Saudi-Arabien, den Arabischen
Emiraten oder dem Jemen nie Fuß fassen durfte, gibt es seit den letzten Jahrzehnten
des 20. Jahrhunderts bereits Millionen von Muslimen in den ehemals rein christlichen
Ländern West- und Mitteleuropas.
Außerdem ist in vielen muslimischen Ländern
im 20. Jahrhundert die Zahl der Christen erschreckend zurückgegangen, zum Beispiel
in der Türkei, wo von Millionen Christen vor dem Ersten Weltkrieg durch die Vertreibung
und Ausrottung der Armenier und Assyrer und die Umsiedlung der Griechen nur noch hunderttausend
übrig blieben, aber auch in Algerien, wo die Abwanderung von über einer Million Algerien-Franzosen
die Christen zu einer unbedeutenden Minderheit machte. In einem muslimischen Land
wie Somalia gibt es heute trotz jahrzehntelanger italienischer Herrschaft im Lande
weniger Katholiken (250) als Muslime in Luxemburg (10 000).
Gerade
solche Vergleiche zeigen den Vormarsch des Islams: Die Zahl der Muslime in Österreich
und der Schweiz ist viel größer als die Zahl der Christen im Iran, in der Türkei,
Kuwait oder Libyen. Es gibt in Belgien mehr Muslime als Christen in Bangladesch,
ganz zu schweigen von den Millionenzahlen der Muslime in Deutschland, Frankreich
und Großbritannien. Solche Zahlen von Christen gibt es eigentlich nur in Indonesien
oder dem Sudan. Im Sudan ist ihre Lage seit Jahrzehnten beklagenswert, in Indonesien
hat sich die Lage in den letzten Jahren entscheidend verschlechtert.