Israel: Patriarch Sabbah, "Hört mit dem Unrecht auf!"
Endlich Frieden für das Heilige Land – eindringlich hat der lateinische Patriarch
von Jerusalem Michel Sabbah in seiner Weihnachtsbotschaft ein Ende Unrechtssituation
gefordert. Die Hoffnung schwinde immer mehr. Gaza sei ein großes Gefängnis und auch
durch die innerpalästinensischen Konflikte und die vielen Opfer unter der Zivilbevölkerung
ein Ort des Todes. „Die Angst vor der Zukunft herrscht hier überall. Im Irak,
Libanon, Syrien, Ägypten, Jordanien. Die Zukunft wird für alle aufs Spiel gesetzt.
Und der internationale Terrorismus findet in diesen offenen Wunden seine Nahrung.“ Die
Menschen würden gerade in Bethlehem, dem Ort der Menschwerdung, trennende Mauern erleben.
Das Leben dort sei von Frustration geprägt und nur noch schwer zu ertragen: „Wir
brauchen in der Tat Solidarität und wir sind dankbar für alle Botschaften der Brüderlichkeit,
die uns aus der ganzen Welt erreichen. Und doch: Was wir vor allem brauchen ist: Frieden,
Gerechtigkeit, Freiheit und das Ende der Besatzung!“ Die internationale Gemeinschaft
sei machtlos und unfähig, Frieden und Gerechtigkeit zu stiften, so Sabbah: „Das
Lösung liegt in der Annäherung der beiden Völker, nicht in ihrer Teilung, eine Lösung
für die Israelis und die Palästinenser, wie auch für den ganzen Nahen Osten. Die beiden
Völker können durchaus in Frieden und Ruhe zusammenzuleben!“ Dazu müsse auch
die internationalen Staatengemeinschaft beitragen, so Sabbah gegenüber Radio Vatikan. (rv
201206 mc)
Frohe Weihnachten!
Hier der Text der Botschaft in der
Übersetzung der KNA:
1. Brüder und Schwestern, aus meiner Diözese in Palästina, Israel,
Jordanien und Zypern wünsche ich Euch allen Freude, Gelassenheit, Ruhe und Frieden.
Weihnachten kommt nach Bethlehem dieses Jahr erneut in einer Situation von Gewalt
und Frustration, mit irdischen Mauer und Absperrungen sowie mit solchen in den Herzen.
Besatzung und der Entzug von Freiheit auf der einen Seite, Angst und Unsicherheit
auf der anderen gehen weiter. Gaza bleibt ein großes Gefängnis, ein Ort des Todes
und des Zerwürfnisses unter den Palästinensern. Selbst Kinder wurden dort umgebracht.
Und alle, auch die internationale Staatengemeinschaft, sind nach wie vor unfähig,
einen wirklichen Weg des Friedens und der Gerechtigkeit zu finden. Die Angst vor der
Zukunft erstreckt sich auf die ganze Region: Irak, Libanon, Syrien, Ägypten, Jordanien.
Für alle steht die Zukunft auf dem Spiel. In all diesen offenen Wunden findet der
weltweite Terrorismus reichlich Nahrung.
2. Dieses ist unser Blick von
Bethlehem aus auf Weihnachten. Und dennoch ist die Weihnachtsbotschaft eine Botschaft
des Lebens, des Friedens und der Gerechtigkeit. Der Prophet Jeremia sagt: «In jenen
Tagen und zu jener Zeit werde ich für David einen gerechten Spross aufsprießen
lassen. Er wird für Recht und Gerechtigkeit sorgen im Land. (...) Jerusalem kann
in Sicherheit wohnen» (Jer 33,15-16). Und Jesaja erstreckt seine Vision über alle
Nationen: «Der Herr bringt Gerechtigkeit hervor und Ruhm vor allen Völkern» (Jes
61,11). Der heilige Paulus seinerseits sagt uns in den zweiten Lesungen des Advents,
dass der Weg zu Gerechtigkeit und Frieden über die Nächstenliebe und die Heiligkeit
eingeschlagen wird: «Euch aber lasse der Herr wachsen und reich werden in der Liebe
zueinander und zu allen (...), damit euer Herz gefestigt wird und ihr ohne Tadel
seid, geheiligt vor Gott» (1 Thess 3,11).
Zudem hat die Kirche uns seit
dem ersten Adventssonntag die Person Johannes des Täufers vor Augen gestellt, den
Vorläufer Christi. Er predigte Buße, und die verschiedenen Volksgruppen kamen,
um ihm zuzuhören und ihm Fragen über die Wege zur Umkehr und zum neuen Leben zu
stellen. Selbst die Soldaten fragten ihn, was sie tun müssten, um gerettet zu werden:
«Auch Soldaten fragten ihn: Was sollen denn wir tun? Und er sagte zu ihnen: Misshandelt
niemand, erpresst niemand, begnügt euch mit eurem Sold!» (Lk 3,14)
3.
Das Leben in Bethlehem und seiner Umgebung ist heute sehr schwierig geworden, trotz
der zahlreichen Solidaritätsbekundungen aus dem In- und Ausland. Ja, wir brauchen
diese Solidarität, und wir sind dankbar für die geschwisterlichen Botschaften,
die wir aus der ganzen Welt erhalten haben. Aber unser grundlegendsten Bedürfnisse
sind Friede, Gerechtigkeit, Freiheit und das Ende der Besatzung. In diesem Punkt
jedoch scheint die Welt ohnmächtig zu sein. Wir jedoch sagen: Jeder und Jede, auch
Soldaten und politische Führer, haben die Fähigkeit, Liebe, Heil und Leben zu schenken.
Dafür jedoch bedarf es einer Bekehrung - vom Tod zum Leben, von dem Bild des anderen
als einem Feind und Mörder zu der Einsicht, einen Bruder und Lebensspender vor
sich zu haben.
Unsere politischen Führer müssen ebenfalls den Täufer fragen: «Und
wir, was müssen wir tun, um das Heil für uns zu finden und für jene, die ihr Schicksal
in unsere Hände gelegt haben?» Auch sie müssen dieselbe Antwort hören: «Misshandelt
niemand, erpresst niemand, begnügt euch mit eurem Sold!» (Lk 3,14).
Mögen
sie die Stimme der Unterdrückten in diesem Heiligen Land hören, die Stimme derer,
die gestorben sind, und die jener, die weiter von Tod und Demütigung bedroht sind,
denen Unrecht geschieht, um die Sicherheit der anderen Partei zu sichern.
Bethlehem
ist die Stadt des Friedens. Unglücklicherweise ist sie nun zu dem Gegenteil geworden,
zu einer Stadt des Streits und des Todes. Das Leben und der Friede wären jedoch
möglich und sogar leicht zu finden, wenn die Verantwortlichen den aufrichtigen
und entschiedenen Willen dazu hätten. Das Heil liegt in der Annäherung der beiden
Völker, nicht in ihrer Trennung. Hier liegt das Heil für Palästinenser und für
Israelis sowie für die ganze Region. Die beiden Völker sind fähig, gemeinsam in
Frieden und Ruhe zu leben. Dann werden der Tod, das Morden, die Rache, die Ablehnung
und der Extremismus in dem Maße schwinden, in dem sie keine Nahrung mehr in Unterdrückung,
Besatzung, Armut und Demütigungen finden.
4. Weihnachten bringt der
Menschheit die Freude. Es verkündet allen das Heil, und besonders jenen, die in
Bethlehem und seiner Umgebung leben, Palästinensern und Israelis. «Lasst uns nach Bethlehem
ziehen», um zu sehen, was dort geschehen ist und was dort weiterhin geschieht (vgl.
Lk 2, 15). Was sagt uns die Mauer heute, was sagen uns die Bewohner Bethlehems
heute? Lasst uns nach Bethlehem gehen, damit auch wir die Engel den Frieden auf Erden
verkünden hören - Frieden für jeden guten Willen, für alle aufrichtige Brüderlichkeit,
die sich jedem Hass und jeder Feindschaft entgegenstellt. So werden wir in der
Annäherung der beiden Völker sowohl die Sicherheit wiederfinden als auch das Ende
der Besatzung und die Freiheit.
Für alle, Brüder und Schwestern, bitte
ich Gott, dass Ihr die Weihnachtsbotschaft hören und leben möget, die Botschaft
des Friedens, der Freude und des neuen Lebens.
+ Michel Sabbah, Lateinischer
Patriarch von Jerusalem