Der künftige Präfekt der päpstlichen Klerus-Kongregation, Kardinal Claudio Hummes,
hält eine Debatte über den Pflichtzölibat von Priestern für legitim. Im Gespräch mit
einer brasilianischen Tageszeitung meinte Hummes, die Pflicht zur Ehelosigkeit von
katholischen Priestern sei "kein Dogma", sondern lediglich "eine disziplinarische
Norm". Erst vor kurzem hatte Papst Benedikt XVI. zusammen mit den Leitern wichtiger
Vatikan-Einrichtungen über Aspekte des Zölibats von Priestern nachgedacht. Ein Schluß-Statement
des Treffens, an dem Kardinal Hummes nicht teilgenommen hat, bekräftigte den Wert
des Zölibats für die römische Kirche. Hummes ist derzeit noch Erzbischof von Sao Paolo,
wird aber in Kürze sein Amt als neuer Vatikan-Verantwortlicher für den Klerus in aller
Welt antreten. Im Gespräch mit einer großen Zeitung seines Erzbistums meinte der von
deutschen Einwanderern abstammende Kardinal, die Kirche könne in wichtigen Fragen
durchaus zu neuen Einsichten kommen. Allerdings dürfe es in Sachen Zölibat keine überstürzten
Entscheidungen geben, sondern zunächst mal eine Debatte, ob überhaupt eine Änderung
der derzeitigen Norm wirklich nötig ist. Man dürfe auch nicht aus den Augen verlieren,
dass der Zölibat in der Kirchengeschichte eine sehr wichtige Rolle gespielt habe.
In italienischen Medien haben Hummes Äußerungen eine kleine Diskussion hervorgerufen.
"Die Kirche bewegt sich", titelt heute die "Stampa" aus Turin. Ein italienischer Verband
verheirateter Priester zeigt sich skeptisch; so ähnlich wie Hummes habe sich auch
der jetzige Papst vor einigen Jahrzehnten mal geäußert - geändert habe sich dadurch
aber nichts. Vatikan-Kardinal Julian Herranz wird im "Giornale" mit der Vermutung
zitiert, dass sich an der Zölibats-Verpflichtung für Priester nichts ändern werde.
Auch das letzte Konzil habe noch einmal betont, dass der Zölibat eine angemessene
Lebensform für Priester bedeute.
In einer Erklärung hat Kardinal Hummes seine
Interviewäußerungen heute noch einmal präzisiert. Es sei in der Kirche völlig klar,
dass der Zölibat kein Dogma sei; genauso unstreitig sei aber, „dass die Zölibats-Norm
in der lateinischen Kirche sehr alt ist und auf einer soliden Tradition und starker
Motivation beruht“. Auch die jüngste Bischofssynode habe gemeint, eine Aufweichung
der Zölibatspflicht sei kein Mittel gegen den Mangel an Berufungen; darum stehe das
Thema derzeit „nicht auf der Tagesordnung der kirchlichen Autoritäten“, so der Kardinal.