Benedikt: "Ein Teil meines Herzens bleibt in Istanbul"
Papst Benedikt ist zurück
in Rom. Nach einer an Begegnungen und Emotionen dichten viertägigen Türkei-Reise verabschiedete
er sich auf dem Flughafen in Istanbul mit den Worten: «Ich habe tiefe Dankbarkeit
in meinem Herzen, und ein Teil meines Herzens bleibt auch in Istanbul». Er freue sich,
wenn sein Besuch zum besseren Verständnis zwischen den Kulturen, besonders zwischen
dem Islam und dem Christentum, beigetragen und über die Reise hinaus einen positiven
Effekt habe. (rv 01.12.06 gs)
Vatikansprecher: "Ein extrem positives Ergebnis"
P. Federico Lombardi,
Leiter des vatikanischen Pressesaales, ist im Tross rund um Papst Benedikt und mit
ihm zusammen aus Istanbul zurückgekehrt. Ein voller Erfolg, sagt Lombardi, war diese
5. Auslandsvisite Papst Benedikts, und das, obwohl sie unter schwierigen Vorzeichen
stand.
„Ganz klar, wir können von einem extrem positiven Ergebnis sprechen:
Mehr als erwartet werden konnte, wahrscheinlich auch auf Seiten des Papstes selber
und seinen Mitarbeitern. Ich erinnere daran, dass früher bei Johannes Paul II. bei
solchen schwierigen Reisen oft dessen Mut und sein gläubiges Vertrauen bewundert wurde
– oft lagen die Ergebnisse dieser Reisen auch weit über dem, was man sich erhoffen
konnte. Mit scheint, dass genau das gleiche jetzt mit Benedikt XVI. passiert ist.
Es ist sehr schön zu sehen, dass der Mut und das Vertrauen der Päpste sich auch in
schwierigen Situationen auszahlt.“
Die Bilder des Papstes, der in der „Blauen
Moschee“ meditiert: Eine Geste, die einen großen Eindruck hinterlassen hat:
„Durchaus.
Das ist sicher der Moment, der am meisten Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat und
das auch in gewisser Weise das Neuartigste und Überraschendste ist. Mit Blick auf
die Ereignisse der letzten Monate – so die Diskussionen nach den Missverständnissen
um die Regensburger Rede – war der Besuch in der Moschee sicher jener symbolische
Akt, der einem breiten Publikum deutlich gemacht hat, was schon in mehreren Erklärungen
ausgedrückt worden war. Aber es brauchte eben genau diese Geste, diesen physischen
Schritt, diesen Moment herzlicher und freundlicher Begegnung, der zeigt, dass die
Distanz überwunden ist und dass der Dialog etwas Reales, Tiefes und Ehrliches ist.
Ich würde sagen, dass dieser Moment innerer Sammlung des Papstes, aber auch die Herzlichkeit
des Austauschs mit dem Großmufti und dem Imam besonders ausdrucksstarke und glückliche
Momente waren.“
Ein weiterer symbolträchtiger Moment: Die Umarmung Benedikts
XVI. mit Bartholomaios I. Wird dies den ökumenischen Dialog wieder beleben?:
„Es
handelt sich um einen Weg, der weiter geht. Für Benedikt XVI. ist der ökumenische
Dialog eine der Prioritäten seines Pontifikats. Über diesen Gestus hinaus waren auch
die Worte bedeutsam, mit denen der Papst bei der Göttlichen Liturgie die mutige und
herzliche Einladung Johannes Pauls II. wiederholte, gemeinsam über eine Neubestimmung
des Papstamtes im Dienst an der Einheit der Kirche nachzudenken. Bei seiner letzten
Predigt in der Heilig-Geist-Kathedrale hat der Papst seinen ausdrücklichen Willen
zur Einheit noch einmal unterstrichen. Diese leidenschaftliche Sehnsucht nach Einheit
als einer Priorität seines Pontifikats werden deutlich in dieser Umarmung mit Patriarch
Bartholomaios, aber auch mit den anderen orthodoxen Vertretern.“ (rv 011206
mc)
Türkische Jugendliche an den Papst
Türkische katholische
Jugendliche wollen eine Reihe von Treffen ins Leben rufen, um sich mit jungen Katholiken
aus anderen Ländern auszutauschen. Das schreibt eine 150-köpfige Gruppe Istanbuler
Mädchen und Jungen in einem Brief an Papst Benedikt. „Als junge Christen in der Türkei
befinden wir uns in einer Lage der Minderheit und der Diaspora“, so der Text des Schreibens.
Die Jugendlichen versicherten, auch in einem Umfeld der Globalisierung, die jungen
Leute „künstliches Glück“ in Aussicht stelle, in ihrem christlichen Glaubensleben
verharren zu wollen. (rv 01.12.06 gs)
Der Papst in der Moschee
Die internationale
meistbeachtete Geste des katholischen Kirchenoberhauptes in Istanbul war das Gebet,
das Benedikt in Stille in der Blauen Moschee sprach.
Was der Papst in der
Hagia Sophia aus wohlüberlegten Gründen nicht tat, war ihm wenige Minuten später in
der Moschee gestattet: das Gebet. Der Großmufti von Istanbul, Mustafa Cagrici, begleitete
den Papst auf dem Rundgang durch das islamische Gebetshaus. Benedikt schritt in weißen
Strümpfen, wie jeder andere Besucher einer Moschee hatte er am Eingang die Schuhe
ausgezogen. Vor der Mihrab, der nach Mekka ausgerichteten Gebetsnische, halten der
Mufti und der Papst inne. Seite an Seite sprechen die beiden Religionsführer zu Gott;
der Mufti betet laut, Benedikt leise. „Ein persönliches, aber kein öffentliches Gebet“,
kommentiert wenig später Vatikansprecher P. Federico Lombardi diese Geste.
Papst
Benedikt ist das zweite katholische Kirchenoberhaupt, das eine Moschee betritt. Johannes
Paul II. hatte in Damaskus ein islamisches Gebetshaus aufgesucht. Der Besuch in der
Blauen Moschee war kurzfristig ins Reiseprogramm aufgenommen worden; auch die örtliche
Nähe zur daneben gelegenen Hagia Sophia spielte eine Rolle. Die ehemals bedeutendste
Kirche der orthodoxen Welt, die später zur Moschee wurde, ist heute ein Museum.
Nach
dem Besuch in der Hagia Sophia und der Blauen Moschee stand der gestrige Abend für
Papst Benedikt ganz im Zeichen der Ökumene und sogar des Dialogs mit den Juden. Er
traf zwei christliche Religionsführer, den syrisch-orthodoxen Metropoliten Filuksinus
Yusuf Cetin und zuvor den armenisch-apostolischen Patriarchen Mesrob II. Bei dieser
Begegnung würdigte der Papst den Glauben der Armenier, „der vor allem im vergangenen
Jahrhundert unter tragischen Umständen von einer Generation an die nächste weitergegeben
wurde“. Benedikt spielte damit auf den Völkermord an den Armeniern an, dessen Erwähnung
in der Türkei politisch unerwünscht ist. Im Anschluss stand ein kurzes Treffen mit
dem türkischen Oberrabbiner Isak Haleva auf dem Programm. (rv 01.12.06 gs)
Was
schreibt die türkische Presse heute?
Dass Papst Benedikt
in der Blauen Moschee von Istanbul kurz gebetet hat, beeindruckt die Kommentatoren
in den türkischen Medien tief. Immer wieder ist dieses Bild auch in den Fernsehnachrichten
zu sehen, gleich vor dem in Strümpfen laufenden Papst. Die Presse spricht von einem
historischen, emotional dichten Moment, weiß ihn aber nicht immer richtig zu deuten:
Benedikt habe ja „gen Mekka gebetet wie ein Moslem“, meinen viele Zeitungen überrascht.
„Papst
betet in Richtung Mekka“, schreibt beispielsweise das Massenblatt „Hürriyet“
mit dem entsprechenden Foto auf seiner Seite eins. Benedikt habe kein Kreuzzeichen
gemacht, sondern die Hände verschränkt wie ein Moslem. Bei seinem Besuch der Hagia
Sophia habe er sich dagegen jeder missverständlichen Geste enthalten, um niemanden
zu verärgern. „Ein sympathischer Papst“, der mit seinen Worten und Gesten „zu verstehen
gegeben hat, dass er sich entschuldigt“ für seine Äußerungen von Regensburg, so die
Zeitung immer noch auf dem Titelblatt. Der Leitartikler scherzt: „Wenn der Papst noch
ein paar Tage in der Türkei geblieben wäre, dann wäre er in den Vatikan mit einem
türkischen Pass zurückgekehrt – als Türke und Moslem.“ Der Journalist setzt hier wie
die Mehrheit der Menschen im Land ein Gleichheitszeichen: Türke = Moslem. Im Innern
erklärt „Hürriyet“ ausführlich die Unterschiede zwischen dem Papst und dem Präsidenten
des staatlichen Religionsamtes, dem Moslem Bardakoglu. Sie kommt auf neun gravierende
Unterschiede, darunter: „Der Papst glaubt, dass sein Auftrag direkt von Gott kommt.
Bardakoglu hingegen ist Angestellter der türkischen Republik.“ Unter einem Foto Benedikts
mit dem Großmufti von Istanbul steht: „Er hat in der Moschee gebetet – aber nicht
in der Hagia Sophia.“ Zwischen neutral und misstrauisch sind allerdings die Berichte
über das orthodoxe Andreasfest, an dem der Papst am Donnerstag Morgen im Ökumenischen
Patriarchat teilgenommen hat. „Hürriyet“ bemerkt, die Gemeinsame Erklärung von Papst
und Patriarch sei in neun Sprachen übersetzt worden, aber nicht ins Türkische.
„Der
Friede von Istanbul“ – so macht die ebenfalls vielgelesene „Milliyet“ auf.
„Der Papst traf Moslems, Orthodoxe und Juden.“ Unter den vielen Fotos, die den Tag
des Papstes am Bosporus zeigen, ist auch ein Bild der Begegnung mit dem armenischen
Patriarchen. „Radikal“ gehört zu den wenigen Zeitungen, die nicht den Papst in der
Moschee auf dem Titel haben, sondern Papst und Patriarch, die die Hände freudig heben.
Kommentar: „Das Ziel ist eine Wiedervereinigung der Christen.“ Zum Papstbesuch in
der Blauen Moschee präzisiert „Radikal“, Benedikt habe dort „auf katholische
Weise gebetet“. Die Zeitung übernimmt eine Karikatur des britischen „Guardian“, auf
der der Papst gemeinsam mit dem türkischen Staatsgründer Kemal Atatürk die Fahne der
Türkei schwenkt, Untertitel: „Benny Attapope“. Im Innern bringt das Blatt neben einigen
Berichten und einer Auslands-Presseschau zum Papstbesuch die Anzeige des türkischen
CNN, die in großen Lettern verkündet: „Der Papst hat das Herz der Türken erobert.“
Die oppositionelle, eher linksgerichtete „Cumhuriyet“ schreibt im Innern
unter ein Foto des Papstes mit Patriarch Bartholomaios: „Krise in der Ökumene. Gegen
Ankaras Wunsch hat Bartholomaios in seiner Erklärung die Welt noch mal seine Anmaßung
spüren lassen.“ Drastischer lässt sich auf der ersten Seite die islamistische Zeitung
„Vakit“ zu einem ähnlichen Foto der beiden Kirchenführer aus: „Diese Zwei sind
blind gegenüber dem Terrorismus der Kreuzfahrer.“
Die englischsprachige „Turkish
Daily News“ setzt einen anderen Akzent als die meisten anderen Zeitungen: Benedikt
XVI. ziehe „sein Versprechen vom Flughafen“ zurück. In der Erklärung zusammen mit
Bartholomaios von gestern sei nicht mehr die Rede davon, dass die Türkei in die EU
gehöre, stattdessen baue der Text neue Hürden auf. Zusammen mit den Schwierigkeiten,
die die EU der Türkei im Moment mache, und einem Bericht, der die Türkei der Korruption
zeiht, bilde Benedikts Rückzieher eine „unheilige Dreifaltigkeit“. Die „Daily News“
betont auch ausführlich, dass der Rückhalt Benedikts für den Ökumenischen Patriarchen
an der Haltung der Türkei zu Bartholomaios nichts ändere. Die oppositionelle „Cumhuriyet“
sieht den Fehler, was die Papstworte zur Türkei in der EU betrifft, ganz klar beim
Ministerpräsidenten Erdogan: Dieser habe offenbar die Äußerung Benedikts entstellt
wiedergegeben; eine Erklärung seines Büros komme jetzt einem Rückzieher von Erdogans
Behauptung gleich.
Die Zeitung „Tercüman“ hat, wie sie auf der Titelseite
preisgibt, eine „Sensation“ entdeckt: „Ein 2000 Jahre altes Geheimnis – hier schläft
die Mutter Maria.“ Sie präsentiert angebliche kirchliche Geheimdokumente, die angeben,
wo sich in Izmir, bei Ephesus, das Grab Mariens befinde. Auch „Tercüman“ äußert sich
unfreundlich gegenüber Patriarch Bartholomaios: Dieser habe am Tag, an dem ihn der
Papst besuchte und sich, jedenfalls nach Eindruck der Zeitung, die Kirchen „wiedervereinigt
haben“, eine „perfide Einladung angenommen“. Er trete nämlich demnächst auf Einladung
der EU unter seinem von der Türkei angefochtenen Titel als „Ökumenischer“ Patriarch
auf.
Was zurückbleibt vom Papstbesuch in den türkischen Medien, ist eine gewisse
Verwunderung. Warum zieht sich der Papst dauernd um? Warum ist er mal gegen, mal für
einen EU-Beitritt der Türkei? Wie kann er sich so gut mit Patriarch Bartholomaios
verstehen, der doch nach türkischem Eindruck so unsympathisch und anmaßend ist? Warum
verdeckt er bei der Türkeivisite so oft sein Brustkreuz und betet in der Blauen Moschee
Richtung Mekka? Warum redet er mal gegen, dann wieder für den Islam? Aus der Presse
spricht freundliches, aber tiefes Unverständnis angesichts der Fremdheit dieses weißen
Mannes, der vielen Kommentatoren offenbar wie ein Marsmensch vorkommt. Benedikt ist
den Türken vielleicht sympathisch geworden, aber auch ein Rätsel. (rv 01.12.06
sk)
Das neue Pfingsten in Istanbul
Mit einer bewegenden
Messe in der katholischen Kathedrale von Istanbul hat Papst Benedikt XVI. das Besuchsprogramm
seiner viertägigen Türkei-Reise beendet. Der Gottesdienst in der nur wenige hundert
Menschen fassenden Heilig-Geist-Kirche war erneut von Appellen zur Einheit unter den
Christen geprägt. Birgit Pottler fasst zusammen:
Der Papst beschwor ein neues
Pfingstfest und die Sprachenvielfalt in der Messe gab ihm Recht. Er selbst sprach
Türkisch, Französisch, Italienisch und Latein, die Chöre sangen aramäisch, armenisch,
syrisch, deutsch und der Patriarch sprach griechisch. Die Gläubigen in der Kirche
waren handverlesen, unter ihnen der Ehrengast Bartholomaios I, Vertreter verschiedener
Riten und Konfessionen, und einige Politiker. Benedikt XVI. feierte Gottesdienst ganz
im Sinn des ökumenischen Anlasses seiner Reise. Schon Johannes Paul II. hatte an gleicher
Stelle betont, „dass das heraufziehende neue Jahrtausend „auf einer Kirche aufbaut,
die ihre volle Einheit wieder gefunden hat, um besser Zeugnis zu geben, um die schrecklichen
Spannungen dieser Welt zu überwinden mit der alles übersteigenden Liebe, die Gott
in seinem Sohn sichtbar macht“ (Predigt in der Kathedrale von Istanbul, N. 5). Dieser
Wunsch ist noch nicht wahr geworden, aber das Verlangen des Papstes ist noch immer
das gleiche.“ Und deswegen müsse die „ökumenische Perspektive“ an erster Stelle
stehen, das Sorgen der Kirche bestimmen, so der Papst. Die zweite Sorge seiner Türkeireise
sprach Benedikt an: Die kleine bedrohte Schar der Christen. Ihnen vor allem machte
er Mut. „Wie könnten die Christen das, was sie empfangen haben, alleine für
sich behalten? Wie könnten sie diesen Schatz einbehalten und diese Quelle verbergen?
Die Mission der Kirche besteht nicht darin, Macht zu verteidigen, auch nicht darin,
Reichtümer zu besitzen. Ihre Mission ist es, Christus zu schenken, am Leben Christi
teilhaben zu lassen.“ Indirekt, aber mit konkretem Bezug zum Alltag der Christen
in Istanbul, erinnerte Benedikt an das Problemthema: Religionsfreiheit. „Eure
Gemeinschaften kennen den demütigen Weg, jeden Tag gemeinsam mit denen zu leben, die
unseren Glauben nicht teilen, aber "sich zum Glauben Abrahams bekennen und mit uns
den einen Gott anbeten, den barmherzigen“ (Lumen Gentium, 16), Ihr wisst gut, dass
die Kirche niemandem etwas aufzwingen will, dass sie schlicht frei sein will, zu offenbaren,
was sie nicht verbergen kann.“ Die historische ökumenische Geste gab es am
Ende. In der Göttlichen Liturgie zum Andreasfest hatte der Patriarch den Papst gebeten,
das Vater Unser zu sprechen, in der katholischen Messfeier umarmte der Mann vom Stuhl
Petri den vom Stuhl Andreae zum Friedensgruß und überließ ihm das Segensgebet auf
Griechisch. In der Kirche: Jubel, Schleier, die von den Haaren herabfallen, so sehr
klatschen und springen ihre Trägerinnen. Vor der Kirche: Tumultartige Szenen, lachende
Menschen und eine neu gesegnete Statue von Johannes XXIII. Sie können doch mit den
Päpsten, die Menschen in der Türkei. Die mit Spannung erwartete Türkeireise hatte
ein frohes Ende gefunden. (rv 01.12.06 bp)
Benedikt in der Türkei: Eine
Bilanz
Vier Tage dauerte
Papst Benedikts Reise in die Türkei. Eine bilanzierende Einordnung von unserem Mann
in Istanbul, Stefan Kempis. Was hat der Papst unmittelbar erreicht?
„Unmittelbar
erreicht hatte ein Stimmungsumschwung. Vorher war ja die Stimmung noch sehr unfreundlich.
Allein durch sein Erscheinen und dass er sehr freundlich, sehr aufmerksam, sehr neugierig
gewirkt hat, hat Benedikt dafür gesorgt, dass dieser Eindruck von Regensburg, der
Papst will uns angreifen, der will uns was ans Zeug flicken, korrigiert worden ist.
Er hat überrascht durch seine freundliche und bescheidene Art. Das ist was er unmittelbar
erreicht hat, aber was darüber hinausgeht, ist schwer zu sagen. Und da sollte man
auch nach all diesen noch so schönen Bildern aus Istanbul doch etwas skeptisch sein.
Es wird sich für die Christen hier in der Türkei nicht so schnell jetzt alles ändern
und es wird sich auch zwischen Vatikan und Türkei, zwischen dem Staat Türkei und seinen
Minderheiten nicht schnell und messbar etwas ändern. Eigentlich hat der Papst nur
versucht, und wenn ihm das geglückt ist, dann ist das schon toll, den Status quo für
die Kirchen einigermaßen zu halten, dass da keine Verschlechterung eintritt.“
Der
Heilige Stuhl hat im Vorfeld mehrmals betont: dies ist eine Pastoralreise, sie hat
ökumenische Ziele und in zweiter Linie dann auch interreligiöse, dh im weitesten Sinn
politische Ziele. Kann man dem im Nachhinein zustimmen, oder war das Thema Christen
und Moslems in der ganzen Reise sehr bestimmend?
„Es war, ich möchte fast
sagen, leider, doch sehr beherrschend, wenn nicht sogar zu beherrschend. Leider in
dem Sinn, dass die allerdings wenigen Katholiken in der Türkei sich vielleicht etwas
mehr von diesem Besuch erhofft hätten. Es war vor Ankunft des Papstes, als noch um
die Ankunft des Papstes gefeilscht und gerungen wurde, immer wieder zu hören, dass
die Katholiken sagten: ja wie, ist denn gar keine Messe des Papstes mit uns vorgesehen?
Es stand noch keine Messe in Ephesus auf dem Programm, es stand noch keine öffentliche
Messfeier des Papstes in Istanbul in der Kathedrale auf dem Programm. Da fragten die
Bischöfe hat man uns einfach vergessen, oder will der Papst in der Türkei nur mit
den Moslems, den Orthodoxen und den anderen Kirchen sprechen. Und das kann ja wohl
nun auch nicht sein. Es ist sehr beherrschend geworden, ich finde besonders der Akzent,
interreligiöses Gespräch zum Islam. Vor Allendingen auch durch diese Bilder Benedikts
XVI. in der Blauen Moschee, das ist etwas überdeutlich herausgekommen. Vielleicht
sind das Nachwehen des Streites von Regensburg. Der ökumenische Aspekt, da muss man
jetzt mal sehen, was aus diesem offenbar ganz guten Verhältnis zu dem Benedikt und
Bartholomais I. von Konstantinopel gefunden haben, was daraus jetzt konkret wird.
Ob das zum Beispiel im theologischen Gespräch, das beide führen, einen neuen Schub
geben kann.“ Der Paspt hat Bartholomaios indirekt angeboten, im Rahmen eines
ökumenischen Dialogs noch einmal über das Petrusamt zu sprechen. Im Petrusamt sehen
Beobachter das Haupthindernis für eine volle Einheit zwischen Katholiken und Orthodoxen.
Aber ist diese theologische Debatte aus Sicht der Christen in der Türkei überhaupt
relevant?
„Natürlich ist es auf theologischer Ebene wichtig das Petrusamt
zu klären, aber viele Kirchenleute sagen hier in der Türkei, also eigentlich geht
es weder um diesen berühmten Streit um das Filioque, also ein Nachsatz im Glaubensbekenntnis,
noch um das Petrusamt, und noch um andere theologische Fragen. A) Die Leute haben
wirklich andere Probleme, nämlich die direkte Konfrontation mit einem erdrückend islamischen
Umfeld. Und b) es sind offenbar viel mehr Mentalitätsunterschiede, die hinter diesem
auf dem Papier nur kleinen Streitigkeiten stecken, als wirklich theologische Brocken.
Offenbar haben sich die beiden Kirchen, also die die heute die Orthodoxen und die
die heute die Katholiken sind, schon vor diesem fatalen Jahr 1054, dem Jahr Schisma,
weit voneinander entfernt, und auseinander entwickelt und zwar Rom und das jetzige
Istanbul. Wenn es gelingt jetzt diese Mentalitätsunterschiede langsam wieder zu überwinden,
langsam wieder dem Rückweg, wenn man so will, oder den Weg zu etwas, einer neuen Art
von Einheit anzutreten, indem man sich einfach in der Mentalität immer mehr aneinander
gewöhnt, das ist ein mühsamer Prozess, aber irgendwann muss man mal damit anfangen.
Da scheinen mir Papst und Patriarch zumindest auf einem guten Weg und vielleicht auch
die Christen hier in der Türkei, wenn die sehen, dass sich ihre Oberhäupter derart
offensiv umarmen. Vielleicht finden dann auch die zerstrittenen und in viele kleine
Grüppchen gespalteten Christen im Alltag mal zusammen in den Vereinen und den Gemeinden.
Denn da scheint es sehr zu hapern, nach allem was man hört in Istanbul.“ (rv
01.12.06 gs)
Messe für Einheit und neues Pfingsten
Mit einer bewegenden
Messe in der katholischen Kathedrale von Istanbul hat Papst Benedikt XVI. das Besuchsprogramm
seiner viertägigen Türkei-Reise beendet. Der Gottesdienst in der nur wenige hundert
Menschen fassenden Heilig-Geist-Kirche war erneut von Appellen zur Einheit unter den
Christen geprägt. Die volle Einheit sei bleibende Sehnsucht des Papstes, sagte Benedikt
in Anspielung auf die Predigt von Johannes Paul II. im Jahr 1979 an gleicher Stelle.
Der Papst beschwor ein neues Pfingsten und ermunterte die Christen Istanbuls zum Bekenntnis
ihres Glaubens auch unter den schwierigen alltäglichen Umständen. Der Papst wörtlich:
"Ihr wisst, dass die Kirche niemandem etwas aufdrängen will, und sie bittet nur darum,
in Freiheit leben zu können, um den zu zeigen, den sie nicht verbergen kann." Die
Gläubigen sollten sensibel sein für jene, die "nach Gerechtigkeit, Frieden, Würde
und Respekt für sich und ihre Mitmenschen" suchten. Als Ehrengäste nahmen der Ökumenische
Patriarch Bartholomaios I. und der armenische Patriarch von Konstantinopel, Mesrob
II. Mutafyan, sowie weitere hochrangige Vertreter christlicher Konfessionen und politische
Repräsentanten der Stadt teil. Der Gottesdienst war mehrsprachig: französisch, türkisch,
aramäisch, arabisch, englisch, spanisch und auch deutsch. Das Hochgebet sprach der
Papst auf Latein. Vor der Messe hatte der Papst Friedenstauben aufsteigen lassen,
die ihm ein Bürgermeister Istanbuls reichte. (rv/kna 01.12.06 bp)
Papstpredigt
im Wortlaut Vor handverlesenen Katholiken aus den Gemeinden Istanbuls feierte Papst
Benedikt XVI. heute Morgen die letzte Messe seiner Türkeireise. In der Heilig-Geist-Kathedrale
beschwor er ein neues Pfingstfest, appellierte an die Einheit der Christen und erinnerte
an die Religionsfreiheit. Wir dokumentieren hier seine Predigt in unserer Übersetzung
aus dem französischen Original:
Liebe Brüder und Schwestern, am Ende
meiner Pastoralreise in die Türkei bin ich glücklich, mit der katholischen Gemeinde
Istansbuls zusammenzutreffen und mit ihr Eucharistie zu feiern, um dem Herrn für alle
seine Gaben zu danken. Ich will an erster Stelle den Patriarchen von Konstantinopel
grüßen, seine Heiligkeit Bartholomaios I., außerdem den armenischen Patriarchen, Seine
Heiligkeit Mesrob II.- verehrte Brüder, die mit uns diese Feier begehen wollen. Ich
drücke ihnen für diese brüderliche Geste, die die ganze katholische Gemeinschaft ehrt,
meinen tiefen Dank aus. Liebe Brüder und Söhne der katholischen Kirche, Bischöfe,
Priester und Diakone, Ordensmänner und – frauen, gläubige Laien aus den verschiedenen
Gemeinschaften dieser Stadt und aus verschiedenen Riten der Kirche – ich grüße Sie
alle mit Freude und wiederhole die Worte des Heiligen Paulus an die Galater: „Gnade
sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus1“ (Gal
1,3). Ich will den hier anwesenden zivilen Autoritäten für ihren herzlichen Empfang
danken, besonders all den Menschen, die es ermöglicht haben, dass diese Reise sich
realisieren lies. Ich will endlich die Repräsentanten der anderen kirchlichen Gemeinschaften
und der anderen Religionen grüßen, die unter uns sein wollten. Wie könnte ich nicht
an die verschiedenen Ereignisse denken, die gerade hier unsere gemeinsame Geschichte
geschmiedet haben? Gleichzeitig fühle ich mich verpflichtet, auf besondere Weise an
die zahlreichen Zeugen des Evangeliums Christi zu erinnern, die uns dazu drängen,
zusammen für die Einheit alle seiner Schüler zu arbeiten, in Wahrheit und Liebe!
In
dieser Kathedrale des Heiligen Geistes will ich Gott für alles danken, was er in der
Geschichte der Menschheit vollbracht hat und die Gaben des Geistes der Heiligkeit
auf uns herab rufen. Der Heilige Paulus erinnert uns: Der Geist ist ständige Quelle
unseres Glaubens und unserer Einheit. Er bewirkt in uns die wahre Erkenntnis Jesu
und legt uns die Worte des Glaubens auf die Lippen, damit wir den Herrn erkennen.
Jesus hatte schon zu Petrus nach dem Glaubensbekenntnis von Cäsarea gesat: „Selig
bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern
mein Vater im Himmel“ (Mt 16,17). Ja, wir sind selig, wenn der Heilige Geist uns die
Freude des Glaubens eröffnet und uns eintreten lässt in die große Familie der Gläubigen,
seine Kirche, zahlreich in der Vielfalt der Gaben, Aufgaben und Aktivitäten. Zur gleichen
Zeit ist sie schon eins, „denn es ist stets der selbe Geist, der in allem wirkt“.
Paulus fügt hinzu: „Jeder empfängt die Gabe den Geist zum Wohle aller kundzutun“.
Den Geist kundtun, gemäß dem Geist leben, das heißt nicht mehr für sich alleine leben,
das heißt, Stück für Stück selbst zu Jesus Christus werden, ihm nachzufolgen und wie
er Diener der eigenen Brüder zu werden. Das ist ein sehr konkretes Beispiel für jeden
von uns, Bischöfe, vom Herrn gerufen, sein Volk zu leiten, indem wir Diener in seiner
Nachfolge werden; das gilt auch für alle Diener des Herrn und in gleicher Weise für
alle Gläubigen: Als wir das Sakrament der Taufe empfangen haben, sind wir hinein genommen
worden in den Tod und die Auferstehung des Herrn, „wir sind getränkt worden mit dem
einen Geist“ und das Leben Christi ist zu unserem geworden, damit wir wie er leben,
damit wir unsere Brüder lieben, wie er uns geliebt hat (vgl. Joh 13,34).
Vor
27 Jahren, in dieser Kathedrale, brachte mein Vorgänger Johannes Paul II. den Wunsch
zum Ausdruck, dass das heraufziehende neue Jahrtausend „auf einer Kirche aufbaut,
die ihre volle Einheit wieder gefunden hat, um besser Zeugnis zu geben, um die schrecklichen
Spannungen dieser Welt zu überwinden mit der alles übersteigenden Liebe, die Gott
in seinem Sohn sichtbar macht“ (Predigt in der Kathedrale von Istanbul, N. 5). Dieser
Wunsch ist noch nicht wahr geworden, aber das Verlangen des Papstes ist noch immer
das gleiche, und es drängt uns, alle uns Jünger Christi, die wir mit unserer Trägheit
und unserer Armut auf dem Weg gehen, der uns zur Einheit führen will; dieses Verlangen
drängt uns, ohne zu zögern - „das Wohl aller im Blick“ - zu handeln, die ökumenische
Perspektive an die erste Stelle unseres kirchlichen Sorgens zu stellen. Leben wir
also wirklich gemäß dem Geist Jesu, im Dienst des Wohles aller.
Wir sind
an diesem Morgen in diesem Haus im Gebet dem Herrn geweiht versammelt, wie könnte
man nicht das andere schöne Bild vor Augen führen, das der Heilige Paulus gebraucht,
um von der Kirche zu sprechen, das von dem Bauwerk, in dem alle Steine gleich sind,
einer eng am anderen, um zu einem einzigen Bau zu werden, in dem der Eckstein, auf
den sich alles stützt, Christus ist. Er ist die Quelle neuen Lebens, das uns durch
den Vater geschenkt ist, im Heiligen Geist. Das Johannesevangelium hat uns das soeben
gesagt: „Ströme lebendigen Wassers werden aus seinem Innern fließen“. Diese sprudelnde
Wasser, dieses Wasser, das Jesus der Samariterin versprochen hat, sehen die Propheten
Zacharias und Ezechiel aus der Seite des Tempels hervorströmen, um die Wasser des
Toten Meeres wieder zu beleben. Ein wunderbares Bild der Verheißung des Lebens, das
Gott immer seinem Volk bereit hielt, und das zu vollenden Jesus gekommen ist. In einer
Welt, in der die Menschen sich so schwer tun, die Güter der Erde miteinander zu teilen,
wo man sich aus gutem Grund anfängt, sich Sorgen um das Versiegen des Wassers zu machen
- dieses so kostbare Gut für das Leben des Leibes. In diesen Zeiten entdeckt die Kirche,
dass sie ein noch viel größeres Gut besitzt: den Leib Christ. Sie hat die Aufgabe
übertragen bekommen, sein Evangelium bis an die Enden der Erde zu verkünden (vgl.
Mt 28,19), sozusagen Männern und Frauen dieser Zeit eine Gute Nachricht zu bringen,
die das Leben nicht nur erhellt sondern vollkommen verändert, sogar den Tod hinter
sich lässt und ihn besiegt. Diese Gute Nachricht ist nicht nur ein Wort, sie ist eine
Person, ist Christus selbst, der Auferstandene, der Lebendige! Durch die Gnade der
Sakramente, ist das Wasser, das aus seiner am Kreuz geöffneten Seite floss, zur sprudelnden
Quelle geworden, „Ströme lebendigen Wassers“, ein Geschenk, das niemand stillen kann
und das neues Leben schenkt. Wie könnten die Christen das, was sie empfangen haben,
alleine für sich behalten? Wie könnten sie diesen Schatz einbehalten und diese Quelle
verbergen? Die Mission der Kirche besteht nicht darin, Macht zu verteidigen, auch
nicht darin, Reichtümer zu besitzen. Ihre Mission ist es, Christus zu schenken, am
Leben Christi teilhaben zu lassen, dem höchsten Gut des Menschen, das Gott selbst
uns in seinem Sohn geschenkt hat.
Brüder und Schwestern, eure Gemeinschaften
kennen den demütigen Weg, jeden Tag gemeinsam mit denen zu leben, die unseren Glauben
nicht teilen, aber "sich zum Glauben Abrahams bekennen und mit uns den einen Gott
anbeten, den barmherzigen“ (Lumen Gentium, 16), Ihr wisst gut, dass die Kirche niemandem
etwas aufzwingen will, dass sie schlicht frei sein will, zu offenbaren, was sie nicht
verbergen kann: dass Jesus Christus uns geliebt hat bis zum Tod am Kreuz, und dass
er uns seinen Geist geschenkt hat, lebendige Gegenwart Gottes mitten unter uns und
in unserem tiefsten Innern. Seid stets bereit, den Geist Christi zu empfangen, und
werdet so sensibel für die, die dürsten nach Gerechtigkeit, Frieden, Würde und Respekt
für sie selbst und ihre Brüder. Lebt unter euch nach dem Wort des Herrn:" Daran werden
alle erkennen, dass ihr meine Jünger sied: wenn ihr einander liebt" (Joh 13,35). Brüder
und Schwestern, vertrauen wir jetzt unser Verlangen dem Herrn zu Dienen, der Jungfrau
Maria an, der Gottesmutter und Magd des Herrn. Sie hat im Abendmahlssaal gemeinsam
mit den Christen der Urkirche gebetet, in Erwartung des Pfingstfestes. Mit ihr bitten
wir den Herrn: Sende deinen Heiligen Geist, o Herr, auf deine ganze Kirche. Er wohne
in jedem ihrer Glieder und mache sie zu Boten deines Evangeliums! Amen.