Vor handverlesenen Katholiken aus den Gemeinden Istanbuls feierte Papst Benedikt XVI.
heute Morgen die letzte Messe seiner Türkeireise. In der Heilig-Geist-Kathedrale beschwor
er ein neues Pfingstfest, appellierte an die Einheit der Christen und erinnerte an
die Religionsfreiheit. Wir dokumentieren hier seine Predigt in unserer Übersetzung
aus dem französischen Original:
Liebe Brüder und Schwestern, am Ende
meiner Pastoralreise in die Türkei bin ich glücklich, mit der katholischen Gemeinde
Istansbuls zusammenzutreffen und mit ihr Eucharistie zu feiern, um dem Herrn für alle
seine Gaben zu danken. Ich will an erster Stelle den Patriarchen von Konstantinopel
grüßen, seine Heiligkeit Bartholomaios I., außerdem den armenischen Patriarchen, Seine
Heiligkeit Mesrob II.- verehrte Brüder, die mit uns diese Feier begehen wollen. Ich
drücke ihnen für diese brüderliche Geste, die die ganze katholische Gemeinschaft ehrt,
meinen tiefen Dank aus. Liebe Brüder und Söhne der katholischen Kirche, Bischöfe,
Priester und Diakone, Ordensmänner und – frauen, gläubige Laien aus den verschiedenen
Gemeinschaften dieser Stadt und aus verschiedenen Riten der Kirche – ich grüße Sie
alle mit Freude und wiederhole die Worte des Heiligen Paulus an die Galater: „Gnade
sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus1“ (Gal
1,3). Ich will den hier anwesenden zivilen Autoritäten für ihren herzlichen Empfang
danken, besonders all den Menschen, die es ermöglicht haben, dass diese Reise sich
realisieren lies. Ich will endlich die Repräsentanten der anderen kirchlichen Gemeinschaften
und der anderen Religionen grüßen, die unter uns sein wollten. Wie könnte ich nicht
an die verschiedenen Ereignisse denken, die gerade hier unsere gemeinsame Geschichte
geschmiedet haben? Gleichzeitig fühle ich mich verpflichtet, auf besondere Weise an
die zahlreichen Zeugen des Evangeliums Christi zu erinnern, die uns dazu drängen,
zusammen für die Einheit alle seiner Schüler zu arbeiten, in Wahrheit und Liebe!
In
dieser Kathedrale des Heiligen Geistes will ich Gott für alles danken, was er in der
Geschichte der Menschheit vollbracht hat und die Gaben des Geistes der Heiligkeit
auf uns herab rufen. Der Heilige Paulus erinnert uns: Der Geist ist ständige Quelle
unseres Glaubens und unserer Einheit. Er bewirkt in uns die wahre Erkenntnis Jesu
und legt uns die Worte des Glaubens auf die Lippen, damit wir den Herrn erkennen.
Jesus hatte schon zu Petrus nach dem Glaubensbekenntnis von Cäsarea gesat: „Selig
bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern
mein Vater im Himmel“ (Mt 16,17). Ja, wir sind selig, wenn der Heilige Geist uns die
Freude des Glaubens eröffnet und uns eintreten lässt in die große Familie der Gläubigen,
seine Kirche, zahlreich in der Vielfalt der Gaben, Aufgaben und Aktivitäten. Zur gleichen
Zeit ist sie schon eins, „denn es ist stets der selbe Geist, der in allem wirkt“.
Paulus fügt hinzu: „Jeder empfängt die Gabe den Geist zum Wohle aller kundzutun“.
Den Geist kundtun, gemäß dem Geist leben, das heißt nicht mehr für sich alleine leben,
das heißt, Stück für Stück selbst zu Jesus Christus werden, ihm nachzufolgen und wie
er Diener der eigenen Brüder zu werden. Das ist ein sehr konkretes Beispiel für jeden
von uns, Bischöfe, vom Herrn gerufen, sein Volk zu leiten, indem wir Diener in seiner
Nachfolge werden; das gilt auch für alle Diener des Herrn und in gleicher Weise für
alle Gläubigen: Als wir das Sakrament der Taufe empfangen haben, sind wir hinein genommen
worden in den Tod und die Auferstehung des Herrn, „wir sind getränkt worden mit dem
einen Geist“ und das Leben Christi ist zu unserem geworden, damit wir wie er leben,
damit wir unsere Brüder lieben, wie er uns geliebt hat (vgl. Joh 13,34).
Vor
27 Jahren, in dieser Kathedrale, brachte mein Vorgänger Johannes Paul II. den Wunsch
zum Ausdruck, dass das heraufziehende neue Jahrtausend „auf einer Kirche aufbaut,
die ihre volle Einheit wieder gefunden hat, um besser Zeugnis zu geben, um die schrecklichen
Spannungen dieser Welt zu überwinden mit der alles übersteigenden Liebe, die Gott
in seinem Sohn sichtbar macht“ (Predigt in der Kathedrale von Istanbul, N. 5). Dieser
Wunsch ist noch nicht wahr geworden, aber das Verlangen des Papstes ist noch immer
das gleiche, und es drängt uns, alle uns Jünger Christi, die wir mit unserer Trägheit
und unserer Armut auf dem Weg gehen, der uns zur Einheit führen will; dieses Verlangen
drängt uns, ohne zu zögern - „das Wohl aller im Blick“ - zu handeln, die ökumenische
Perspektive an die erste Stelle unseres kirchlichen Sorgens zu stellen. Leben wir
also wirklich gemäß dem Geist Jesu, im Dienst des Wohles aller.
Wir sind
an diesem Morgen in diesem Haus im Gebet dem Herrn geweiht versammelt, wie könnte
man nicht das andere schöne Bild vor Augen führen, das der Heilige Paulus gebraucht,
um von der Kirche zu sprechen, das von dem Bauwerk, in dem alle Steine gleich sind,
einer eng am anderen, um zu einem einzigen Bau zu werden, in dem der Eckstein, auf
den sich alles stützt, Christus ist. Er ist die Quelle neuen Lebens, das uns durch
den Vater geschenkt ist, im Heiligen Geist. Das Johannesevangelium hat uns das soeben
gesagt: „Ströme lebendigen Wassers werden aus seinem Innern fließen“. Diese sprudelnde
Wasser, dieses Wasser, das Jesus der Samariterin versprochen hat, sehen die Propheten
Zacharias und Ezechiel aus der Seite des Tempels hervorströmen, um die Wasser des
Toten Meeres wieder zu beleben. Ein wunderbares Bild der Verheißung des Lebens, das
Gott immer seinem Volk bereit hielt, und das zu vollenden Jesus gekommen ist. In einer
Welt, in der die Menschen sich so schwer tun, die Güter der Erde miteinander zu teilen,
wo man sich aus gutem Grund anfängt, sich Sorgen um das Versiegen des Wassers zu machen
- dieses so kostbare Gut für das Leben des Leibes. In diesen Zeiten entdeckt die Kirche,
dass sie ein noch viel größeres Gut besitzt: den Leib Christ. Sie hat die Aufgabe
übertragen bekommen, sein Evangelium bis an die Enden der Erde zu verkünden (vgl.
Mt 28,19), sozusagen Männern und Frauen dieser Zeit eine Gute Nachricht zu bringen,
die das Leben nicht nur erhellt sondern vollkommen verändert, sogar den Tod hinter
sich lässt und ihn besiegt. Diese Gute Nachricht ist nicht nur ein Wort, sie ist eine
Person, ist Christus selbst, der Auferstandene, der Lebendige! Durch die Gnade der
Sakramente, ist das Wasser, das aus seiner am Kreuz geöffneten Seite floss, zur sprudelnden
Quelle geworden, „Ströme lebendigen Wassers“, ein Geschenk, das niemand stillen kann
und das neues Leben schenkt. Wie könnten die Christen das, was sie empfangen haben,
alleine für sich behalten? Wie könnten sie diesen Schatz einbehalten und diese Quelle
verbergen? Die Mission der Kirche besteht nicht darin, Macht zu verteidigen, auch
nicht darin, Reichtümer zu besitzen. Ihre Mission ist es, Christus zu schenken, am
Leben Christi teilhaben zu lassen, dem höchsten Gut des Menschen, das Gott selbst
uns in seinem Sohn geschenkt hat.
Brüder und Schwestern, eure Gemeinschaften
kennen den demütigen Weg, jeden Tag gemeinsam mit denen zu leben, die unseren Glauben
nicht teilen, aber "sich zum Glauben Abrahams bekennen und mit uns den einen Gott
anbeten, den barmherzigen“ (Lumen Gentium, 16), Ihr wisst gut, dass die Kirche niemandem
etwas aufzwingen will, dass sie schlicht frei sein will, zu offenbaren, was sie nicht
verbergen kann: dass Jesus Christus uns geliebt hat bis zum Tod am Kreuz, und dass
er uns seinen Geist geschenkt hat, lebendige Gegenwart Gottes mitten unter uns und
in unserem tiefsten Innern. Seid stets bereit, den Geist Christi zu empfangen, und
werdet so sensibel für die, die dürsten nach Gerechtigkeit, Frieden, Würde und Respekt
für sie selbst und ihre Brüder. Lebt unter euch nach dem Wort des Herrn:" Daran werden
alle erkennen, dass ihr meine Jünger sied: wenn ihr einander liebt" (Joh 13,35). Brüder
und Schwestern, vertrauen wir jetzt unser Verlangen dem Herrn zu Dienen, der Jungfrau
Maria an, der Gottesmutter und Magd des Herrn. Sie hat im Abendmahlssaal gemeinsam
mit den Christen der Urkirche gebetet, in Erwartung des Pfingstfestes. Mit ihr bitten
wir den Herrn: Sende deinen Heiligen Geist, o Herr, auf deine ganze Kirche. Er wohne
in jedem ihrer Glieder und mache sie zu Boten deines Evangeliums! Amen.