2006-12-01 12:44:34

Benedikt in der Türkei: Eine Bilanz


RealAudioMP3 Vier Tage dauerte Papst Benedikts Reise in die Türkei. Eine bilanzierende Einordnung von unserem Mann in Istanbul, Stefan Kempis. Was hat der Papst unmittelbar erreicht?

„Unmittelbar erreicht hatte ein Stimmungsumschwung. Vorher war ja die Stimmung noch sehr unfreundlich. Allein durch sein Erscheinen und dass er sehr freundlich, sehr aufmerksam, sehr neugierig gewirkt hat, hat Benedikt dafür gesorgt, dass dieser Eindruck von Regensburg, der Papst will uns angreifen, der will uns was ans Zeug flicken, korrigiert worden ist. Er hat überrascht durch seine freundliche und bescheidene Art. Das ist was er unmittelbar erreicht hat, aber was darüber hinausgeht, ist schwer zu sagen. Und da sollte man auch nach all diesen noch so schönen Bildern aus Istanbul doch etwas skeptisch sein. Es wird sich für die Christen hier in der Türkei nicht so schnell jetzt alles ändern und es wird sich auch zwischen Vatikan und Türkei, zwischen dem Staat Türkei und seinen Minderheiten nicht schnell und messbar etwas ändern. Eigentlich hat der Papst nur versucht, und wenn ihm das geglückt ist, dann ist das schon toll, den Status quo für die Kirchen einigermaßen zu halten, dass da keine Verschlechterung eintritt.“

Der Heilige Stuhl hat im Vorfeld mehrmals betont: dies ist eine Pastoralreise, sie hat ökumenische Ziele und in zweiter Linie dann auch interreligiöse, dh im weitesten Sinn politische Ziele. Kann man dem im Nachhinein zustimmen, oder war das Thema Christen und Moslems in der ganzen Reise sehr bestimmend?

„Es war, ich möchte fast sagen, leider, doch sehr beherrschend, wenn nicht sogar zu beherrschend. Leider in dem Sinn, dass die allerdings wenigen Katholiken in der Türkei sich vielleicht etwas mehr von diesem Besuch erhofft hätten. Es war vor Ankunft des Papstes, als noch um die Ankunft des Papstes gefeilscht und gerungen wurde, immer wieder zu hören, dass die Katholiken sagten: ja wie, ist denn gar keine Messe des Papstes mit uns vorgesehen? Es stand noch keine Messe in Ephesus auf dem Programm, es stand noch keine öffentliche Messfeier des Papstes in Istanbul in der Kathedrale auf dem Programm. Da fragten die Bischöfe hat man uns einfach vergessen, oder will der Papst in der Türkei nur mit den Moslems, den Orthodoxen und den anderen Kirchen sprechen. Und das kann ja wohl nun auch nicht sein. Es ist sehr beherrschend geworden, ich finde besonders der Akzent, interreligiöses Gespräch zum Islam. Vor Allendingen auch durch diese Bilder Benedikts XVI. in der Blauen Moschee, das ist etwas überdeutlich herausgekommen. Vielleicht sind das Nachwehen des Streites von Regensburg. Der ökumenische Aspekt, da muss man jetzt mal sehen, was aus diesem offenbar ganz guten Verhältnis zu dem Benedikt und Bartholomais I. von Konstantinopel gefunden haben, was daraus jetzt konkret wird. Ob das zum Beispiel im theologischen Gespräch, das beide führen, einen neuen Schub geben kann.“

Der Paspt hat Bartholomaios indirekt angeboten, im Rahmen eines ökumenischen Dialogs noch einmal über das Petrusamt zu sprechen. Im Petrusamt sehen Beobachter das Haupthindernis für eine volle Einheit zwischen Katholiken und Orthodoxen. Aber ist diese theologische Debatte aus Sicht der Christen in der Türkei überhaupt relevant?

„Natürlich ist es auf theologischer Ebene wichtig das Petrusamt zu klären, aber viele Kirchenleute sagen hier in der Türkei, also eigentlich geht es weder um diesen berühmten Streit um das Filioque, also ein Nachsatz im Glaubensbekenntnis, noch um das Petrusamt, und noch um andere theologische Fragen. A) Die Leute haben wirklich andere Probleme, nämlich die direkte Konfrontation mit einem erdrückend islamischen Umfeld. Und b) es sind offenbar viel mehr Mentalitätsunterschiede, die hinter diesem auf dem Papier nur kleinen Streitigkeiten stecken, als wirklich theologische Brocken. Offenbar haben sich die beiden Kirchen, also die die heute die Orthodoxen und die die heute die Katholiken sind, schon vor diesem fatalen Jahr 1054, dem Jahr Schisma, weit voneinander entfernt, und auseinander entwickelt und zwar Rom und das jetzige Istanbul. Wenn es gelingt jetzt diese Mentalitätsunterschiede langsam wieder zu überwinden, langsam wieder dem Rückweg, wenn man so will, oder den Weg zu etwas, einer neuen Art von Einheit anzutreten, indem man sich einfach in der Mentalität immer mehr aneinander gewöhnt, das ist ein mühsamer Prozess, aber irgendwann muss man mal damit anfangen. Da scheinen mir Papst und Patriarch zumindest auf einem guten Weg und vielleicht auch die Christen hier in der Türkei, wenn die sehen, dass sich ihre Oberhäupter derart offensiv umarmen. Vielleicht finden dann auch die zerstrittenen und in viele kleine Grüppchen gespalteten Christen im Alltag mal zusammen in den Vereinen und den Gemeinden. Denn da scheint es sehr zu hapern, nach allem was man hört in Istanbul.“
(rv 01.12.06 gs)








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