Durchweg beifällig rauscht es im türkischen Pressewald, was den Papstbesuch angeht.
So gut wie alle Blätter zeigen auf Seite eins den Papst mit der türkischen Fahne in
der Hand. „Ich liebe die Türken“, titelt das Massenblatt „Hurriyet“ zu diesem Foto
– und fügt an, Benedikt habe gestern bei der Messe in Ephesus zweimal kurz auf Türkisch
gesprochen. „Er war ein Theologe – jetzt ist er ein Diplomat“, bemerkt das Blatt etwas
sybillinisch. Das Treffen zwischen Papst und Patriarch wird zur „Jahrtausend-Begegnung“
erklärt, breiten Raum nehmen aber auch die Ärgerlichkeiten der Sicherheitsmaßnahmen
und des zusammengebrochenen Verkehrs von Istanbul ein. Ein Artikel der „Hurriyet“
gibt Hintergründe zum Besuch Benedikts XVI. im staatlichen Büro für Religionsfragen.
Da heißt es, Benedikt sei verärgert gewesen, dass der Islam-Vertreter Bardakoglu von
„Islamophopie“ gesprochen habe. Überhaupt habe Bardakoglu mit seiner erneuerten Kritik
an den Papstworten von Regensburg seinen Gast „in Schwierigkeiten gebracht“. Der Vatikan
habe den Text der Rede Bardakoglus vorher nicht gekannt. Die Zeitung „Milliyet“
erwähnt ebenfalls die türkischen Worte des Papstes und die Probleme, die die Sicherheitsmaßnahmen
über die Istanbuler gebracht haben; „Milliyet“ bemüht sich aber auch auf seine Art
um interreligiösen Dialog. „Welcher Jesus?“, heißt ein Meinungsartikel, der verkündet,
zur Zeit Jesu habe es jede Menge Messiasse gegeben. Jesus habe es womöglich nie gegeben,
die Christen hätten ihn erfunden, um Geld zu verdienen. Ansonsten zeigt das Blatt
im Innern viele Fotos des Papstes, rügt, dass er die Formulierung „Ökumenischer Patriarch“
benutzt habe, und kündigt an, beim heutigen Treffen mit dem armenischen Patriarchen
werde Benedikt doch sicher das Wort „Völkermord“ nicht in den Mund nehmen. Ein kleines
Bild zeigt einen türkischen Mitarbeiter im vatikanischen Staatssekretatiat und fragt:
Warum eigentlich nicht mal ein türkischer Papst? Und auf einer Karikatur werfen die
Politiker Erdogan und Gül den Papst freudig in die Luft, Sprechblase Erdogan, an den
Papst gerichtet: „Ich bin stolz auf dich.“ Dahinter steht das vermeintliche Ja zu
einem türkischen EU-Beitritt, das Erdogan dem Papst an den Lippen abgelesen haben
will. Als Skandal sieht „Milliyet“, dass das türkische Fernsehen fast nur Panzer
und Soldaten zeige, aber kaum den Papst. Ein Reporter der Zeitung, der sich im Patriarchat
umschauen durfte, meldet, Bartholomaios sei tief bewegt gewesen wie sonst nur am Tag
seiner Wahl. Die Zeitung „Radikal“ schreibt zum Foto Papst mit Fahne: „Er hat die
türkische Fahne geschwenkt.“ Sowohl Ankara wie der Vatikan seien sehr zufrieden mit
dem bisherigen Verlauf der Visite. Etwas verwundert notiert „Radikal“, Benedikt, der
als Türken-Gegner gegolten habe, habe sich nun als ihr Freund entpuppt. Ein langer
Artikel zum Thema „Benedikt und der Dialog“ fragt sich, wo denn jetzt all die früheren
Gegner des Papstbesuches seien. Sie hätten sich offenbar zu ebenso entschiedenen Befürwortern
des interreligiösen Dialogs verwandelt: „Das ist nicht zu verstehen.“ Eine große Anzeige
der türkischen Ausgabe von CNN, die auf ihre Live-Übertragungen verweist, zeigt ein
großes Papstfoto und die Schrift: „Der Islam, eine Religion des Friedens“. „Papaturka“
titelt die Zeitung „Star“ – eine Wortschöpfung, die belegt, dass der Papst jetzt ein
Türke ist. „Papst in Istanbul, die Einwohner müssen laufen“, betont dagegen „Vatan“
auf Seite eins. Auch diese Zeitung bringt viele Fotos vom Besuch und viel Positives,
schreibt aber auch: „Er hat auf die Minderheiten angespielt.“ Benedikt habe zu verstehen
gegeben, dass Minderheiten in der Türkei diskriminiert würden. „Cumhuriyet“, die
Oppositionszeitung, betont schon auf Seite eins die Annäherung der Christen untereinander;
„Bugun“, ein weiteres Blatt, fordert die Leser im Leitartikel dazu auf, den ganzen
Streit von Regensburg jetzt endlich zu vergessen und nur noch auf das zu sehen, was
der Papst in Ankara gesagt habe. Im übrigen: Ein schöneres Geschenk als seine Worte
zu Türkei und EU habe der Papst seinem Besuchsland nicht machen können – erst recht
jetzt, wo die EU die Beitrittsverhandlungen einfriert. Direkt aufs Herz zielt ein
Foto bewegter Ordensleute mit der Unterschrift: „Er hat sie zum Weinen gebracht.“ Und
die eher islamistischen Zeitungen? „Aksam“ setzt die Polemik um die religiöse Kleidung
des Papstes fort. Dahinter steht der Gedanke: Wenn die laizistische Türkei sich darüber
aufregt, wenn Abgeordnete oder Politikerfrauen das islamische Kopftuch tragen, warum
darf dann der Papst hier in einer Kleidung voller religiöser Symbole herumlaufen?
Das Blatt erwähnt aber auch, dass der Papst in Izmir extra noch mal aus dem Auto gestiegen
sei, um den Gouverneur der Stadt zu begrüßen, den er zuvor übersehen hatte. Und das
sehr fundamentalistische „Vakit“ ist die wohl einzige Zeitung der Türkei, die heute
nicht auf Seite eins den Papst mit der türkischen Fahne zeigt, sondern nur ein kleines
Benedikt-Foto von der Kommunionausteilung in Ephesus. Titel: „Auf einmal ist er pro-türkisch.“
Ebenfalls auf Seite eins, ein Foto des Präsidenten des staatlichen Religionsamtes
Bardakoglu mit der Unterzeile: „Ein Regen von Komplimenten an Bardakoglu für seine
Rede“ an den Papst. Allgemeiner Eindruck: Positive Berichte in den Zeitungen, viel
Neugier und Interesse, auch manches Missverständnis, das belegt, wie fremd auf viele
Türken das Christentum wirkt. (rv 30.11.06 sk)