Die Hagia Sophia, heute ein Museum, galt einst als die Hauptkirche der orthodoxen
Welt. Den Christen ist sie eine Erinnerung an die Zeit vor der Spaltung zwischen Katholiken
und Orthodoxen, als sie noch Patriarchatskirche der byzantinischen Reichshauptstadt
Konstantinopel war. Den türkischen Muslimen gilt sie als Symbol für ihren Besitzanspruch
auf die Stadt, denn nach der Besetzung Konstantinopels durch die Osmanen1453 wandelte
Sultan Mehmet der Eroberer sie persönlich in eine Moschee um.
Kaiser Konstantin
errichtete die der „göttlichen Weisheit“ geweihte Basilika im Jahr 360 an Stelle mehrerer
Tempel. Zwei Mal, 404 und 532, wurde die Kirche von Feuerbrünsten zerstört. Für den
zweiten Wiederaufbau wollte Justinian hier das größte Gotteshaus der Christenheit
bauen. Er ließ dazu die wertvollsten Materialen und Marmor aus dem gesamten Kaiserreich
nach Konstantinopel holen. 10.000 Arbeiter brauchten sechs Jahre, bis die Hagia Sophia
537 wieder eröffnet werden konnte. Die Kreuzfahrer eroberten Konstantinopel 1204 und
plünderten die Basilika. 1453 fiel die Stadt in die Hände der Osmanen; die Hagia Sophia
wurde zur Moschee. Als muslimischer Gebetsraum empfing sie großzügige Schenkungen
der Sultane. Die herrlichen Mosaiken mit christlich-byzantinischen Darstellungen wurden
nicht zerstört. Erst im 18. Jahrhundert verschwanden sie unter einer Schicht Stuck.
Für die Restaurierung ließ Sultan Abdulmegid 1847 zwei Schweizer Architekten aus dem
Tessin kommen. Seit 1935 ist die Hagia Sophia auf Anordnung des türkischen Staatsgründers
Atatürk ein Museum, der mit diesem Akt Christen und Moslems versöhnen wollte. Architektonisch
stellt sie die Synthese einer dreischiffigen Langhausbasilika (Bischofskirche) und
eines Kuppelbaus (Kaiserkirche) dar. Die Scheitelhöhe beträgt 55 Meter, die Spannweite
der Kuppel 32 Meter, wobei die Kuppel auf vier Säulen ruht. Die Hagia Sophia ist das
letzte bedeutende Bauwerk der Spätantike und zugleich das erste Beispiel einer spezifisch
byzantinischen Architektur, in der die Kuppel zum prägenden Element des Kirchenbaus
wurde. Benedikt XVI. wird der dritte Papst sein, der die Hagia Sophia besucht.
Vor ihm waren Paul VI. im Jahr 1967 und Johannes Paul II. im Jahr 1979 an diesem Ort.
(rv 29.11.06 gs)