2006-11-30 20:13:55

"Startsignal für eine persönliche Beziehung"


Bei den Begegnungen zwischen Papst Benedikt und Patriarch Bartholomaios seit gestern Abend sah man nichts als freundliche Gesichter, große Herzlichkeit zwischen den beiden. Stefan Kempis, hat sich etwas von der Freude dieser brüderlichen Begegnung auf das muslimische Istanbul übertragen?

„Man hatte auch heute Morgen bei der göttlichen Liturgie gesehen, die beiden haben sich sehr umarmt und richtig gedrückt dabei. Aber die Moslems hier beobachten das eher, mit ein bisschen Misstrauen, auch weil der Papst das Wort ökumenisches Patriarchat in den Mund genommen hat, was ihnen nicht passt, dieser Anspruch. Und man muss sagen, hier in Istanbul ärgern sich die Leute vor allen Dingen, weil sie zu Fuß gehen müssen. Es sind größte Teile des Stadtzentrums vollständig abgesperrt, auch die Brücken. Und man kann nur noch stundenlange Fußmärsche durch die Stadt auf sich nehmen. Freude kann bei so etwas eigentlich nicht überspringen.“

Für Bartholomaios jedenfalls ist die Tatsache, dass der Papst zu ihm nach Istanbul kommt, eine große Sache. Der Patriarch ist ja als Ehrenoberhaupt der Orthodoxie, obwohl manche das nicht gerne hören, praktisch die orthodoxe Entsprechung zum katholischen Papst. Doch in Istanbul zählt die orthodoxe Gemeinde heute nur ein- bis zweitausend Köpfe. Welchen kirchenpolitischen Gehalt birgt dieses brüderliche Gipfeltreffen, wie bedeutsam ist es letztlich?

„Es ist ein wichtiges Startsignal für eine persönliche Beziehung zwischen Benedikt und Bartholomais, und als solches kann man es gar nicht unterschätzen. Denn es liegt oft an solchen kleinen Einzelheiten, am persönlichen Kontakt wie die Ökumene weitergeht. Dass der theologische Dialog für ein paar Jahre unterbrochen war, hat sicher mit den persönlichen und gar nicht nur mit theologischen Fragen zu tun. Ansonsten kirchenpolitisch trumpft natürlich Bartholomais auch mit seinem hohen Gast aus Rom auf und macht darauf aufmerksam, dass es in Istanbul ein kleines, aber feines, weil doch ökumenisch bedeutendes Patriarchat gibt. Er versucht also die Aufmerksamkeit dazu zu nutzen, gegenüber den türkischen Behörden etwas mehr Spielraum zu gewinnen.“

Wie unbeliebt macht er sich damit?

„Er ist schon sehr unbeliebt, das merkt man wenn man hier die Zeitung ließt. Die Fotos zeigen ihn so ungünstig wie möglich. Der Papst wird ja noch einigermaßen akzeptiert von den Türken, aber Bartholomaios ist in der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung einfach unbeliebt und nicht sehr erwünscht. Er gilt als Störenfried, der trotzig, hartnäckig auf uralten Ansprüchen besteht, über die die Zeit doch eigentlich hinweggegangen sei.“

Kardinal Walter Kasper, der Ökumene-Chef des Papstes, hat, wie es heißt, bis zur allerletzten Sekunde an der Gemeinsamen Erklärung gefeilt. Den großen ökumenischen Durchbruch bringt das Dokument nicht, das hatte aber auch niemand erwartet. Gibt es aus dennoch bahnbrechend Neues in dem Text?

„Bahnbrechend Neues würde ich nicht sagen. Es hat etwas Feierlich, Starres, dieses Papier. Es stimmt, dass Kardinal Kasper und auch andere Kardinäle sehr lange über den Text gebrütet haben. Wir haben das in unserem Hotel gesehen, die saßen im Restaurant. Wir konnten nicht rein, das ging bis nach Mitternacht, wurde da debattiert. Dann liest man so einen Text natürlich noch sehr viel interessierter, wenn man das gesehen hat. Und dann findet man doch Sachen, die eigentlich auch in jeder Papstrede vorkommen könnten. Ich glaube der entscheidende Punkt war wohl, die EU soll dafür sorgen, dass die Türkei Minderheiten respektiert. Das wurde ein bisschen durch die Blume in dieser Erklärung ausgesprochen. Und das ist natürlich ein heikler Punkt. EU misch dich bitte in die türkischen Angelegenheiten ein, damit wir als Christen in der Türkei überleben können. So etwas diplomatisch zu formulieren, ist keine Kleinigkeit.“
(rv 30.11.06 gs)








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