2006-11-29 12:58:29

Türkeireise auf einen Klick: Dienstag, 28.11.


RealAudioMP3 Der erste Reisetag: eine Bilanz.

Seinen ersten Tag auf dem türkischen Minenfeld – der Ausdruck ist von Kardinal Kasper – hat Papst Benedikt gut überstanden, und das ist schon eine Menge. Viel Händeschütteln, freundliche Gesichter, Gegengift zu den schrillen „Papst go home“-Ausbrüchen der letzten Tage und Wochen. Es kam, an diesem ersten Tag, zu keinem Eklat, zu keinem Regensburg 2: Das Wichtigste ist damit bislang geschafft, nämlich einer skeptischen islamischen (und oft einfachen) Bevölkerung visuell zu vermitteln, dass der Papst nichts Böses will.
Von dieser Hauptsache abgesehen, bot der erste Reisetag eine Vielzahl interessanter Szenen: Der Papst und der islamische Rechtsgelehrte etwa, Hand in Hand, mit feierlichen Gesichtern, ein Bild wie aus Lessings „Ringparabel“. Zwei Herren, Vertreter zweier Religionen, tief zurückgesunken in orientalische Sessel, die in aller Ruhe und Freundlichkeit über die großen Fragen der Menschheit sinnieren, ein spontaner und würdiger Dialog wie in einem arabischen Kaffeehaus, es fehlte fast nur noch der Pfefferminztee und das Gluckern der Wasserpfeife – eine fast archetypische Szene. Dass gerade der Präsident des staatlichen Religionsamtes, der Benedikt XVI. nach dessen Regensburger Diskurs am allerschärfsten kritisiert hatte, den Papst so stattlich und freundlich empfangen würde, das hätte wohl keiner gedacht. Und man konnte leicht sehen, wie sehr dem Papst dieses ungeplante Gespräch vor laufenden Fernsehkameras gefiel: Professor Ratzinger erobert den Orient, scheu, freundlich, offen zum Gespräch. Dieses Bild des mit dem muslimischen Professor diskutierenden Papstes beendet ganz augenfällig den Streit von Regensburg.
Und die Begegnung mit den Politikern? Der Premierminister Erdogan wirkte etwas barsch, der Präsident Sezer etwas finster. Erdogan, dem die EU den Stuhl vor die Tür zu setzen droht, hat die Gunst der Stunde genutzt, ausgerechnet den Papst als Kronzeugen für einen EU-Beitritt der Türkei heranzuziehen. Sollte Papst Benedikt tatsächlich seine Meinung zu dieser Frage geändert haben – oder hat der Politiker den Papst in diesem Punkt überrumpelt? Es wirkt schon etwas seltsam, dass jetzt ausgerechnet Papst Benedikt noch für einen EU-Beitritt der Türkei werben soll, wenn die EU selbst die Verhandlungen darüber wahrscheinlich auf Eis legt. Diese kleine Ungereimtheit zeigt, dass die Programmpunkte der nächsten Tage noch viel Sprengstoff bergen. Und es sind gar nicht mal nur türkische Politiker, die den Papst zu vereinnahmen suchen; Benedikt droht auch mit seinem Besuch im orthodoxen Patriarchat von Istanbul zwischen die Fronten des Streits zwischen Staat und Bartholomaios zu geraten. Wie gesagt: ein Minenfeld.
(rv 28.11.06 sk)


Papst an Diplomaten: "Religionen dürfen Gewalt nicht dulden"

In der Apostolischen Nuntiatur von Ankara ist Papst Benedikt am späten Nachmittag mit rund 90 Angehörigen des in der Türkei akkreditierten Diplomatischen Corps zusammengetroffen. In seiner auf französisch und englisch gehaltenen Ansprache erneuerte er seinen Appell zum Dialog zwischen den Religionen und Kulturen, sparte aber auch die großen Kritikpunkte des Heiligen Stuhles an der Politik der Türkei nicht aus – Stichwort Religionsfreiheit.
„Ich bin als Freund gekommen und als Apostel des Dialogs und des Friedens“, so ein wach und gelassen wirkender Papst Benedikt zu den internationalen Diplomaten. Immer schon habe die Türkei als Brücke zwischen Ost und West fungiert, als Kreuzungspunkt für Kulturen und Religionen. Auch lobte der Papst ausdrücklich die türkische Verfassung, die das Recht jedes Bürgers auf Religions- und Gewissensfreiheit festschreibe. Damit allerdings legte Benedikt den Finger auf einen wunden Punkt. Denn: „Die zivilen Autoritäten jedes demokratischen Landes stehen in der Pflicht, die tatsächl9iche Freiheit aller Gläubigen zu garantieren.“ Eine aktive Anwesenheit von Religion und Gesellschaft sei eine Quelle des Fortschritts für alle. Allerdings nur dann, fügte der Papst hinzu, wenn die Glaubensführer es rundweg ablehnen, Gewalt als legitimen Ausdruck von Religion zu dulden. Am Ende betonte der Papst seinen Willen, die Zusammenarbeit mit der orthodoxen Kirche und mit der muslimischen Welt zu verstärken.
(rv 28.11.06 gs)



Benedikt an Bardakoglu: Nur mit Respekt geht`s

Vor dem Leiter der türkischen Religionsbehörde, Ali Bardakoglu, hat Papst Benedikt XVI. das gemeinsame Erbe und die gemeinsame Verantwortung von Christen und Moslems betont. Um die Idee der Brüderlichkeit zu veranschaulichen, nutzte er ein Zitat aus dem 11. Jahrhundert, in dem Papst Gregor VII. zu einem nordafrikanischen muslimischen Prinzen spricht. Auch das Kapitel Religionsfreiheit berührte Papst Benedikt, wenngleich nur mit einem einzigen Satz am Ende der Rede. Hier die Kernaussagen der Ansprache, die wir aus dem Englischen übersetzten.

"Christen und Moslems gehören zu der Familie jener, die an einen Gott glauben und die, entsprechend ihrer jeweiligen Tradition, ihre Abstammung auf Abraham zurückführen. Diese menschliche und spirituelle Einheit in unseren Ursprüngen veranlasst uns, einen gemeinsamen Weg zu suchen; denn wir spielen eine Rolle im Streben nach grundlegenden Werten, die so bezeichnend für die Menschen unserer Zeit sind. Als Männer und Frauen der Religion stehen wir vor Herausforderungen, wenn es um die weit verbreitete Sehnsucht nach Gerechtigkeit, Entwicklung, Solidarität, Freiheit, Sicherheit, Frieden, Verteidigung des Lebens und Umweltschutz geht.

Der beste Weg nach vorne ist ein authentischer Dialog zwischen Christen und Moslems, der auf der Wahrheit gründet und sich am aufrichtigen Willen ausrichtet, einander besser kennen zu lernen – im Respekt vor Unterschieden und in Anerkennung der Gemeinsamkeiten. Dies wird zu einem wahren Respekt für die verantwortlichen Entscheidungen führen, die jede Person trifft, besonders jene, die sich auf grundlegende Werte und persönliche religiöse Überzeugungen berufen.

Als Beispiel für brüderlichen Respekt möchte ich einige Worte zitieren, die Papst Gregor VII. im Jahr 1076 an einen nordafrikanischen muslimischen Prinzen richtete, der sich Christen gegenüber sehr wohlwollend verhalten hatte. Papst Gregor sprach über die besondere Nächstenliebe, die Christen und Moslems einander schulden, „weil wir an einen Gott glauben, wenngleich auf verschiedene Weise, und weil wir Ihn jeden Tag als Schöpfer und Herrscher der Welt loben und preisen.“

Religionsfreiheit, die institutionell garantiert und in der Praxis tatsächlich respektiert wird, stellt für alle Gläubigen - sowohl für Individuen als auch für Gemeinschaften - die notwendige Bedingung dar, um im Geist des Dienstes ihren treuen Beitrag zum Bau der Gesellschaft zu leisten, besonders dort, wo es um die Schwächsten und Ärmsten geht."
(rv 28.11.06 gs)



Stimmungsbericht: Freundlich, aber kritisch

Unser Mann in der Türkei ist Stefan Kempis, er sitzt gemeinsam mit dem Team von Radio Vatikan in Istanbul, das wie Ankara bereits zum Hochsicherheitstrakt wurde. Quasi unter jedem Baum sitzt dort ein Polizist, erzählte er im Gespräch mit Birgit Pottler:

Auch die Bilder vom Flughafen in Ankara und vom Mausoleum des Atatürk haben es ja gezeigt, die Sicherheit ist wirklich allgegenwärtig. Es wirkt fast ein wenig steril. Das RV-Team sitzt in Istanbul, wie ist dort die Stimmung jetzt im Volk? Die Bilder der Demonstrationen sind noch präsent, wie ist es jetzt?

Eines muss man klar sagen: Alle Deutschsprachigen, die schon längere Zeit in Istanbul leben und wohnen, die sagen, ‚regt euch nicht auf, die Leute sind doch eigentlich ganz freundlich gegenüber dem Papst eingestellt, sie machen kein Geheimnis daraus, dass vor allem seine Stellungnahme von Regensburg, bei ihnen einen sehr empfindlichen Nerv getroffen haben, aber jetzt wollen sie doch sehr gastfreundlich sein’. Allerdings, wenn man hier über die Märkte geht, mit den Leuten spricht, man trifft überall auf Leute, die sich sehr klar gegen den Papst äußern, und sagen: ‚Was hat er hier zu suchen, warum besucht er uns? Der soll erst mal Mohammed und dem Koran seinen Respekt bezeugen.’ Oder: ‚Ich bin zwar tolerant, aber dieser Papst hat den Bogen überspannt.’ Es ist schon eine sehr kritische Stimmung.

Der Papst geht auch in die Moschee - auf eigenen Wunsch. Ist das schon genug, um die Volksseele zu beruhigen, oder was muss der Papst in diesen kommenden Tagen tun?

Der Besuch in der Moschee ist sicher ein schönes Zeichen, aber es ist natürlich keinem verborgen geblieben, dass das erst sehr spät ins Programm eingefügt worden ist, fast könnte man sagen, gerade noch an die Hagia Sophia drangehängt, um den Besuch dort nicht zu einem Missverständnis werden zu lassen. Was der Papst tun muss, ist eigentlich ganz einfach. Er muss einfach nur freundlich da sein, mit den türkischen Gesprächspartnern sprechen, offen sein, ihnen zuhören. Durch diese freundliche Präsenz in den Fernsehbildern würde er vielen auch einfachen Menschen signalisieren, ich beiße nicht, ich bin kein Bösewicht, ich will dem Islam nichts Böses und auch nicht an der Ehre kratzen. Ich bin nur hier als euer Freund, um euch zu helfen, auf dem Weg nach Europa, und dabei auch etwas für die bedrängten Christen hier zu tun.

Der erste kritische Punkt der Reise ist ja scheinbar schon gut gegangen: das Gespräch mit Premierminister Erdogan. Kann das wirklich ein positives Signal für die Reise sein?

Ich glaube schon. Erdogan ist ein sehr bestimmender, manchmal auch aufbrausender Politiker, dafür ist er in der Türkei bei vielen geliebt, auf jeden Fall bekannt. Das wird vielen Türken signalisieren, Erdogan ist jedenfalls nicht zornig oder böse auf den Papst, sondern hat da wirklich einen freundlichen Gesprächspartner gefunden. Er will natürlich, wenn er auf den Fotos mit dem Papst zusammen auftaucht, auch wieder nicht zu freundlich wirken, das könnte ihm bei einer gewissen Wählerklientel auch übel genommen werden.

(rv 28.11.06 bp)



Türkei: FAZ-Korrespondent über Papstreise

Auch das noch: Genau einen Tag vor Ankunft des Papstes in Ankara sind Versuche der finnischen EU-Ratspräsidentschaft gescheitert, der Türkei einen Kompromiss in der Zypern-Frage abzuhandeln. Jetzt stehen mit einem Mal die ganzen Beitrittsverhandlungen der Türkei mit der EU auf der Kippe.
Rainer Hermann ist Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in Istanbul – und, anders als viele Kirchenleute im Westen, ein Befürworter eines EU-Beitritts der Türkei. Stefan Kempis fragte Hermann, was die Papstreise für die Türkei politisch bedeutet in diesem Moment, in dem sich an der EU-Front ein Gewitter zusammenbraut.
Einen direkten Zusammenhang möchte ich nicht herstellen zwischen dem Zustand der EU-Beitrittsverhandlungen und der Papstreise. Allerdings nimmt die Türkei diese Papstreise durchaus als eine Art Reifetest wahr, um zu zeigen, dass trotz vorangegangener kritischer Äußerungen von Papst Benedikt XVI., die er noch als Kardinal Ratzinger getan hatte, zum Beispiel über die Europatauglichkeit der Türkei, oder dann später seine Regensburger Rede – dass also trotz dieser Äußerungen, von denen sich viele Türken verletzt gefühlt haben, die Türkei den Papst mit Respekt und Gastfreundlichkeit empfängt. Die Wogen haben sich in den vergangenen Tagen erheblich geglättet, Emotionen sind in der türkischen Öffentlichkeit nicht mehr zu spüren; die große Demonstration, die am Sonntag die Massen gegen den Besuch hätte mobilisieren sollen, hat statt der erwarteten einen Millionen nur fünfzehn-, maximal zwanzigtausend Demonstranten angezogen – was durchaus repräsentativ ist für die Art und Weise, mit der die türkische Bevölkerung diesen Besuch wahrnimmt. Viele sagen: Ja, darüber haben wir doch jetzt ein Jahr lang geredet – lasst den Papst doch mal endlich kommen, lassen wir diese Sache doch endlich in Würde über die Bühne gehen!

Auf den Straßen merkt man doch eine spürbare Papstfeindlichkeit…

Das ist eine kritische Distanz, die nicht generell dem Vatikan oder dem Papsttum gilt, sondern diesem Papst speziell. Früheren Päpsten hat die Türkei durchaus positiv gegenübergestanden, vor allem natürlich Johannes XXIII., der hier lange tätig war und dann beispielsweise auch in der Liturgie die türkische Sprache eingeführt hat. Positiver stand man auch Johannes Paul II. gegenüber; als er 1979 kam, war das gerade die Zeit, in der die großen Religionen der Welt aufeinander zugingen und auch den Dialog mit dem Islam suchten, um eine Allianz gegen den Materialismus zu bilden… während viele Türken in diesem Papst eher einen sehen, der die Türkei aus der Europäischen Union fernhalten möchte, weil Benedikt XVI., dito Kardinal Ratzinger, der Meinung ist, ein Land mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit würde den Säkularisierungsprozess in der EU beschleunigen und würde den christlichen Charakter der EU untergraben. Und das spüren natürlich die Leute hier, und darum sind sie diesem Papst gegenüber negativer eingestellt als gegenüber früheren Päpsten.

 Was müsste diese Reise leisten, um ein Erfolg zu werden – für die Türkei, für Europa und für den Papst?

Der Papst muss neugierig sein, er muss den Türken einfach zeigen: Seht mal her, ich bin ja ganz anders, als ihr eigentlich gedacht habt. Ich bin ziemlich sicher, dass Papst Benedikt anders ist, als viele Türken ihn darstellen, und deswegen wird allein schon seine Präsenz, weiterverbreitet jeden Tag durch die Medien, zu einer Korrektur dieses Bildes beitragen und zu einer Revision der Interpretation seiner Regensburger Rede führen.

(rv 28.11.06 sk)



Ankara. Die Reise beginnt.

Um kurz vor 12 Mitteleuropäischer Zeit ist Benedikt XVI. heute in Ankara gelandet. Hier beginnt der Papst seine mit Spannung erwartete und mit Spannungen begleitete Reise durch die Türkei. Für uns vor Ort: Stefan Kempis:

"Es war schon ganz anders, als Vatikan-Journalisten das sonst gewohnt sind, wenn der Papst in ein fremdes Land aufbricht. Keine jubelnden Menschenmassen, keine langen Ansprachen – stattdessen viele Sicherheitsleute mit Handy am Ohr. Kurz vor ein Uhr Ortszeit landet das Flugzeug mit dem Papst an Bord; Benedikt kommt die Gangway hinunter mit schnellen, kleinen Schritten, er trägt einen weißen Mantel und wirkt ziemlich breitschultrig – vielleicht trägt er ja doch untendrunter eine kugelsichere Weste, wie ihm das die türkischen Behörden angeblich dringend empfohlen haben. Händedruck mit Ministerpräsident Erdogan, der für die Begegnung mit dem Papst nun doch seinen Abflug zum Nato-Gipfel von Riga verschoben hat; Erdogan trägt eine Krawatte in den türkischen Landesfarben Rot und Weiß – kleiner Gruß ans Wahlvolk daheim an den Fernsehschirmen. Benedikt wirkt neben dem großen und massigen Politiker etwas steif und unter Druck, er lächelt aber sehr freundlich. Erdogan hingegen blickt eher entschieden drein. Hinter Papst Benedikt: Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone mit Sonnenbrille, es ist seine erste Reise in diesem Amt mit Benedikt zusammen.
Der Papst und Erdogan betreten den VIP-Bereich des Flughafens, dort hat man einen Saal für ihr Gespräch vorbereitet, die Sessel stehen unter einem großen Bildnis von Staatsgründer Atatürk, links und rechts die vatikanische bzw. türkische Fahne. Zunächst sieht man Erdogan sprechen; der Papst hört freundlich-unbeweglich der Dolmetscherin zu, einer bekannten Schauspielerin übrigens, er wirkt neben Erdogan sitzend fast verängstigt – kennte man denn seine bayerische Hartnäckigkeit nicht. 25 Minuten Gespräch, an dem auch einige Bischöfe aus der Türkei teilnehmen; draußen vor der Tür warten Vatikansprecher Pater Lombardi, der Reisemarschall Gasbarri und, als einziger völlig entspannt wirkend, mit breitem Lachen, der im Vatikan fürs Ökumenische zuständige Kardinal Kasper. Zum Schluss des Gesprächs überreicht der Papst dem Ministerpräsidenten eine Darstellung der römischen Engelsburg und auch die Pontifikatsmedaille, die der Politiker etwas ratlos aus dem blauen Etui klaubt, der Papst macht mit ausholender Geste einen Scherz, dann reichen sich die beiden die Hand. Als der Papst kurz danach in seinen Wagen steigt, der ihn nach Ankara hineinbringt, winkt er ganz kurz, schon etwas entspannter.


Die Nachrichtenagenturen jagen übrigens gleich über den Ticker, was sich der Papst und Erdogan gesagt haben. Papst: „Ich komme in die Türkei, um die Freundschaft zwischen dem Heiligen Stuhl und dem türkischen Volk zu vertiefen, und um bei der Begegnung der Kulturen zu helfen. Es ist unsere Pflicht, für den Frieden zu arbeiten.“ Und weiter: „Ihr seid ein wichtiges Land, eine Brücke zwischen westlicher Demokratie und islamischer Kultur – wenn Ihr wollt, könnt Ihr auch dem Papst helfen bei seiner Arbeit für das Gespräch der Kulturen und für den Frieden.“
Erdogan: „Ich will Sie zunächst mal willkommen heißen; heute beginnt der Nato-Gipfel in Riga, in Lettland; ich muss leider sofort nach unserem Treffen dorthin abfliegen.“ Und weiter: „Ihr Besuch findet in einer neuen, speziellen Epoche statt; ich finde, er ist jetzt noch sinnvoller, weil es jetzt den Plan einer Allianz der Zivilisationen gegeben hat. Wie Sie wissen, haben wir dieses Bündnis angekündigt, zusammen mit UNO-Generalsekretär Annan und dem spanischen Premier Zapatero.“ Danach dann die geschlossenen Türen, der Fortgang des Gesprächs ist nicht bekannt. Nur eines noch: Doch, Benedikt habe sich bei dem Gespräch positiv zu einer möglichen Aufnahme der Türkei in die EU geäußert. Sagt Ministerpräsident Erdogan, unmittelbar vor seinem Abflug nach Riga."

(rv 28.11.06 sk)



Papst besucht Atatürk-Mausoleum
Zum Auftakt seines Türkeibesuchs hat Papst Benedikt XVI. am frühen Nachmittag das Mausoleum des türkischen Staatsgründers Kemal Atatürk besucht. Bei strahlendem Sonnenschein ging der Papst die Stufen zum Mausoleum in Ankara hinauf und ließ sich von einem Protokollbeamten über das Gebäude und das Grabmal informieren. Er folgte dann einem von zwei Soldaten getragenen Kranz ins Mausoleum hinein. Begleitet wurde der Papst nicht nur von seiner eigenen Delegation, sondern auch vom türkischen Staatsminister Besir Atalay. Im Gästebuch des Mausoleums hat der Papst ein Zitat von Kemal Atatürk hineingeschrieben: "Friede im Land und in der Welt." Dieses spezielle Buch beinhaltet die Einträge der Gäste des Mausoleums und ist dem Gründer der modernen Türkei gewidmet. Der Besuch beim Atatürk-Mausoleum ist traditionell die erste Station von Staatsgästen bei Besuchen in der Türkei. Nach der Kranzniederlegung im Mausoleum wurde der Papst beim türkischen Staatspräsidenten Ahmet Necdet Sezer erwartet.
(ansa/kna28.11.06 mg)




Benedikt XVI: "Pastoralreise mit Ziel Frieden"
Der Türkeibesuch Papst Benedikt XVI. ist „keine politische Reise, sondern eine Pastoralreise, die den Dialog und die gemeinsame Bemühung um den Frieden zum Ziel hat.“ Daran erinnerte das Kirchenoberhaupt selbst die Journalisten, die ihn auf dem Alitalia-Flug nach Ankara begleiteten. Papst Benedikt sprach vom Dialog zwischen der Kirche und dem Islam und dem Dialog „mit unseren christlichen Brüdern“. Die Türkei bezeichnete Benedikt als „Brücke zwischen den Kulturen“. Es ist Tradition, dass der Papst im Flugzeug das Wort an die anwesenden Journalisten richtet.
(rv 28.11.06 gs)



Erdogan, Besuch "zeitgemäß und wichtig"

"Papst Benedikt XVI. war mit mir einer Meinung, dass der Islam eine Religion der Liebe und des Friedens sei." Das Erklärte der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdogan nach seinem rund 15-minütigen Gespräch mit dem Papst. Benedikt habe ihm am Flughafen in Ankara auch versichert, ihm sei bewusst, dass der Priestermord in Trabzon im Februar nichts mit dem Verhältnis von Christen und Muslimen zu tun habe, sondern ein isoliertes Ereignis gewesen sei.
Der Papst hatte einmal mehr betont, wie wichtig ihm der Dialog der Kulturen sei. Kurz nach seiner Ankunft in Ankara sagte er in den Hallen des Flughafens:
"Ich habe die große türkische Kultur immer bewundert, deshalb war es seit Beginn meines Pontifikats mein inniger Wunsch, die Türkei zu besuchen, die Freundschaft zwischen dem Heiligen Stuhl und der Türkei zu vertiefen. Ich wollte einen Beitrag leisten zur Begegnung der Kulturen, zur Arbeit für Frieden und Versöhnung. Das ist die Pflicht unserer Zeit."
Erdogan nannte den Besuch des Papstes "zeitgemäß und wichtig". In einer turbulenten Zeit biete die Visite eine Chance, für Toleranz und Frieden in der Welt einzutreten.
Erdogan sagte gegenüber Journalisten, er habe dem Papst über die "Allianz der Zivilisation" berichtet, die er gemeinsam mit dem spanischen Ministerpräsidenten Jose Luis Rodriguez Zapatero leitet. Diese hatte bei ihrem jüngsten Gipfel in Istanbul einen Appell für mehr Verständigung zwischen dem Islam und dem Westen verabschiedet. Benedikt XVI. habe sein Interesse an der Erklärung bekundet und um den Text gebeten, der im Dezember den Vereinten Nationen vorgelegt werden soll.
(rv/ansa/kna 28.11.06 bp/mg)


Vatikan: Kardinal Poupard hat große Hoffnung

Papst Benedikt ist nicht alleine in die Türkei gereist, eine ganze Reihe hoher Kurienvertreter ist mit dabei in seinem Gefolge, so u.a. Kardinal-Staatssekretär Tarcisio Bertone, der Präsident des Einheitsrats, Kardinal Walter Kasper, und der Spitzendiplomat Kardinal Roger Etchegaray. Mit dabei natürlich auch der Präsident des Rats für den interreligiösen Dialog, Kardinal Paul Poupard. Vor dem Abflug haben wir mit ihm in Rom gesprochen und ihn gefragt, was er von der Reise erwartet:
„Meine Hoffnung ist groß, auch wenn der Kontext durch die Medien angeheizt wurde. Der Papst macht einen Schritt, der eines Nachfolgers Petri würdig ist. Mit dieser Reise beweist der Papst, dass er die Worte seiner ersten Enzyklika ernst meint und diese selber befolgt. Betreffend die Diskussion zum EU-Beitritt der Türkei ist zu sagen, dass der Heilige Stuhl immer eine neutrale Position eingenommen hat. Der Heilige Stuhl hat aber in diesem Zusammenhang immer auf die Bedeutung der Religionsfreiheit hingewiesen.“
Auch eine Begegnung mit den Katholiken in der Türkei ist nun vorgesehen – das Zusammentreffen ist dem Papst ein besonderes Anliegen, so Poupard:
„Und der Beweis ist, dass der Papst zu seinem vollen Programm auch noch das Treffen mit der katholischen Minderheit gewünscht hat. Diese Zusammenkunft wird am letzten Tag seines Aufenthaltes in der Türkei stattfinden. Und einmal mehr ist es nicht der Fehler des Papstes, sondern eine Unkorrektheit der Medienleute.“
(rv 281106 mc)

 

Begegnung auf dem Flughafen Esenboga

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan begrüßte Papst Benedikt XVI. zu Beginn seines Türkei-Besuchs in Ankara. Die Papstmaschine war gegen 12 Uhr (MEZ) auf dem internationalen Flughafen Ankara-Esenboga gelandet. Das Treffen mit Erdogan, der den Papst am Rollfeld empfing, war erst in letzter Minute ins Programm aufgenommen worden. Der türkische Regierungschef reiste unmittelbar anschließend zum NATO-Gipfeltreffen ins lettische Riga.
Die viertelstündige Begegnung zwischen dem Papst und Erdogan fand im VIP-Center des Flughafens statt. Benedikt XVI. und Erdogan sowie die Begleitung nahmen unter einem monumentalen Porträt des Staatsgründers Kemal Atatürk Platz. Erdogan sprach türkisch, seine Ausführungen wurden auf Italienisch übersetzt. Gleich zu Beginn des Gesprächs brachte der Ministerpräsident sein Bedauern über die Terminkollision zwischen dem Papstbesuch und dem NATO-Gipfel zum Ausdruck.
Vor dem Flughafengebäude Esenboga wehten vatikanische und türkische Flaggen. Auf dem Dach des Flughafenterminals waren Scharfschützen postiert.
Begleitet wird der Papst von fünf Kurienkardinälen: Kardinal-Staatssekretär Tarcisio Bertone, dem Präfekten der Ostkirchenkongregation, Kardinal Ignace Moussa Daoud, dem Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, Kardinal Walter Kasper, dem Präsidenten des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog, Kardinal Paul Poupard, sowie dem langjährigen früheren Präsidenten des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, Kardinal Roger Etchegaray. Auch der Islam-Experte Erzbischof Michael Fitzgerald - bis vor wenigen Monaten Präsident des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog - ist im Gefolge. Höhepunkt der fünften Auslandsreise des Papstes ist die Begegnung mit dem Oberhaupt der Orthodoxie, Patriarch Bartholomaios I., in dessen Amtssitz in Istanbul am Mittwoch und Donnerstag.
(kap 28.11.06 mg)



Priester: „Habe mich hier nie bedroht gefühlt“

Kaum ein ausländischer Kirchenmann ist schon so lange in der Türkei wie er: Franz Kangler, ein Lazaristenpater aus Österreich, leitet die traditionsreiche St.-Georg-Schule. Der riesige Bau dieser Schule, die vor 120 Jahren gegründet wurde, liegt gleich unterhalb des Galaterturms, nicht weit vom Goldenen Horn; die nahe liegende Georgskirche wurde 1503 erstmals urkundlich erwähnt, der Legende nach steht sie über einem Apollo-Tempel. Pater Kangler nun, der seit dreißig Jahren am Bosporus lebt, hat Vertrauen zum langen Weg der Türkei nach Europa gefasst. Und er meinte im Gespräch mit unserem Korrespondenten Stefan Kempis, dass gerade die derzeitige Aufregung um den Papstbesuch ein Beleg dafür sein könnte, dass die Türkei auf dem richtigen Weg ist.

Ich glaube, dass zur Zeit schon eine gewisse Irritierung der Türken selbst spürbar ist, dass sie selbst nicht ganz wissen, wie sie sich verhalten sollen. Es gibt auch ganz verschiedenartige Strömungen in der türkischen Presse, die ja auch die Menschen beeinflussen. Einerseits dahingehend, dass es heißt: Der Papst ist ein Feind der Türken; er ist ganz maßgeblich dafür, dass die Türkei nicht in die EU kommen kann. Der Papst möchte dem Ökumenischen Patriarchen – ein Titel, der ja von der Türkei bestritten wird, weil er nicht religiös, sondern politisch gedeutet wird – dazu verhelfen, ein zweiter Vatikan zu werden, und das Ganze sei eine anti-türkische Verschwörung. Diese Stimmung gibt`s da, und das wirkt sich aus – einerseits.
Aber andererseits gibt es eigentlich die jahrzehntelange positive Erfahrung, die ja auch gegeben ist und in der wir zum Beispiel auch leben: Ich bin hier seit dreißig Jahren in der Türkei und habe mich hier nie bedroht oder um mein Leben besorgt gefühlt.



„Ich denke, dass das gerade zeigt, dass sehr viel in Bewegung geraten ist. Es war in all diesen Fragen vor zwanzig Jahren viel ruhiger in der Türkei; gerade weil sich mittlerweile soviel in Bewegung gesetzt hat, gibt es auch Beunruhigungen. Ich sehe das wie in einem Krankheitsprozess – da ist Fieber einerseits beunruhigend, andererseits aber zeigt es, dass sich etwas tut. Ich glaube, dass sich in den letzten Jahren in der türkischen Zivilgesellschaft sehr viel getan hat – und genau deshalb, weil man im eigenen Land sehr unklar sieht, wohin es in Zukunft geht (im kommenden Jahr gibt es Wahlen in der Türkei, und die Frage des Parlamentspräsidenten ist offen, er ist neu zu besetzen), genau deshalb werden dann äußere Gefahren etwas stärker betont.



Die Rede in Regensburg war, von der türkischen Seite her gesehen, ein unglücklicher Start; gegenwärtig wird man vielleicht wenigstens erwarten können, dass diese negativen Gefühle überwunden werden, denn gerade in persönlichen Begegnungen kann sehr vieles wieder ausgeräumt werden. Ich denke daran, wie lange Johannes Paul II. um eine positive Aufnahme von Griechenland her gekämpft hat, und sein persönliches Hingehen und sein Auftreten dort hat dann sehr vieles bewegt. Etwas Ähnliches könnte ich mir jetzt auch bei Papst Benedikt in der Türkei vorstellen – wenn er jetzt zum Beispiel den unüblichen Schritt tut, den Präsidenten des Amtes für religiöse Angelegenheiten zu besuchen, der ja rangmäßig weit unter ihm steht. Das sind Zeichen, die vielleicht schon wirken werden.



„Dahinter stecken sehr viele Emotionen. Es hängt zusammen mit dem ersten Papstbesuch von Papst Paul VI. – der ist damals rein religiös abgelaufen, obwohl ihn die türkische Regierung mit viel Respekt aufgenommen hat, der türkische Außenminister hat ihn damals in Istanbul begleitet. Papst Paul ist nicht nach Ankara gegangen, sondern war nur in Istanbul und in Ephesus – und in der Hagia Sophia hat er dann gefragt, Darf ich ein Gebet sprechen?, und hat sich niedergekniet und gebetet. Das gab danach einen Aufschrei in der türkischen Presse, weil man das ganz anders verstanden hat. Wenn der Sultan in eine christliche Kirche gekommen ist und dort sein Gebet verrichtet hat, dann ist das damit eine Moschee geworden… Man hat das irgendwie als eine Wieder-Konsekrierung der Kirche durch den Papst interpretiert.
Johannes Paul II. war sich dann dieser Sache sehr bewusst und hat seinen Besuch dann auch auf Bitten der türkischen Seite ganz anders aufgezogen: Er war zunächst in Ankara, hat dort absichtlich als erstes die türkische Regierung besucht und war dann in Istanbul, hat sehr bewusst die Hagia Sophia einfach nur besichtigt und sich erklären lassen – ohne irgendwelche Gebetsformen.
Und jetzt fragen sich alle: Wie wird denn der dritte Papstbesuch sein? Und da hat es eben vorher schon Zeitungsberichte gegeben: Der Papst möchte in der Hagia Sophia einen Gottesdienst feiern. Und da waren natürlich sofort wieder Irritationen da. Dabei glaube ich, es war bei der Vorbereitung des Besuches allen klar, dass es keinen Gottesdienst in der Hagia Sophia geben wird!
Der Wunsch nun, dass der Papst auch die Blaue Moschee besuchen soll, ist in der letzten Zeit plötzlich entstanden; das ist für die Türkei sicher ein besonderes Zeichen, dass der Papst diese Moschee offenbar als erste Moschee in seinem Leben überhaupt betreten wird.“



„Ja, es kommen jetzt alle möglichen Vorurteile von bestimmten Randgruppen hoch, die dem Papst jetzt Kreuzfahrermentalität und ähnliches vorwerfen. Aber man muss auch sehen, dass das jetzt ein Anlass für kleine Gruppen ist, um sich wichtig zu machen – das gibt es ja in anderen Ländern auch.“



Ich glaube zwar nicht, dass der Papst von mir einen Tipp braucht – aber St. Georg steht dafür, dass man sehr viel Geduld und Vertrauen braucht. Und das hat die römische Kirche und das Papsttum auch.



Die Türkei unterscheidet sehr klar zwischen allen staatlichen Funktionen – und die Erziehung gehört dazu – und dem religiösen Bereich. Das ist im Grunde genommen nach dem Beispiel Frankreichs, aber etwas verschärft in dem Sinn, dass der Staat die Religion – und da denkt er eigentlich an die islamische Religion – in Kontrolle halten möchte. Aus diesem Grund ist das ganze Schulwesen der Türkei ganz klar in die nationale Kontrolle eingegliedert: Es gibt zwei Ministerien in der Türkei, die den Beinamen „national“ haben, nämlich das Ministerium für nationale Verteidigung und das Ministerium für nationale Erziehung. In dieses Ministerium für nationale Erziehung sind wir mit eingegliedert.
Es ist eine ungewöhnliche Form, dass ein katholischer Priester Direktor einer türkischen Schule sein kann. Das ist möglich, aber ich muss eben dafür auf geistliche Funktionen, etwa als Gemeinde-Leiter, verzichten.



Da würde gar nichts passieren! Es ist mir nicht benommen, meine Religion auszuüben und am Gottesdienst teilzunehmen. Allerdings kann ich nicht offiziell beide Berufe gleichzeitig ausüben; ich bekomme meine Arbeitsgenehmigung als Lehrer und nicht als Priester. Ich könnte sie auch als Priester bekommen – dann müsste ich aber auf die Funktion als Lehrer verzichten…
(rv 28.11.06 sk)








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