2006-11-28 15:13:23

FAZ-Korrespondent über Türkeireise


RealAudioMP3 Auch das noch: Genau einen Tag vor Ankunft des Papstes in Ankara sind Versuche der finnischen EU-Ratspräsidentschaft gescheitert, der Türkei einen Kompromiß in der Zypern-Frage abzuhandeln. Jetzt stehen mit einem Mal die ganzen Beitrittsverhandlungen der Türkei mit der EU auf der Kippe.
Rainer Hermann ist Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in Istanbul – und, anders als viele Kirchenleute im Westen, ein Befürworter eines EU-Beitritts der Türkei. Stefan Kempis fragte Hermann, was die Papstreise für die Türkei politisch bedeutet in diesem Moment, in dem sich an der EU-Front ein Gewitter zusammenbraut.
Einen direkten Zusammenhang möchte ich nicht herstellen zwischen dem Zustand der EU-Beitrittsverhandlungen und der Papstreise. Allerdings nimmt die Türkei diese Papstreise durchaus als eine Art Reifetest wahr, um zu zeigen, dass trotz vorangegangener kritischer Äußerungen von Papst Benedikt XVI., die er noch als Kardinal Ratzinger getan hatte, zum Beispiel über die Europatauglichkeit der Türkei, oder dann später seine Regensburger Rede – dass also trotz dieser Äußerungen, von denen sich viele Türken verletzt gefühlt haben, die Türkei den Papst mit Respekt und Gastfreundlichkeit empfängt. Die Wogen haben sich in den vergangenen Tagen erheblich geglättet, Emotionen sind in der türkischen Öffentlichkeit nicht mehr zu spüren; die große Demonstration, die am Sonntag die Massen gegen den Besuch hätte mobilisieren sollen, hat statt der erwarteten einen Millionen nur fünfzehn-, maximal zwanzigtausend Demonstranten angezogen – was durchaus repräsentativ ist für die Art und Weise, mit der die türkische Bevölkerung diesen Besuch wahrnimmt. Viele sagen: Ja, darüber haben wir doch jetzt ein Jahr lang geredet – lasst den Papst doch mal endlich kommen, lassen wir diese Sache doch endlich in Würde über die Bühne gehen!

Auf den Straßen merkt man doch eine spürbare Papstfeindlichkeit…

Das ist eine kritische Distanz, die nicht generell dem Vatikan oder dem Papsttum gilt, sondern diesem Papst speziell. Früheren Päpsten hat die Türkei durchaus positiv gegenübergestanden, vor allem natürlich Johannes XXIII., der hier lange tätig war und dann beispielsweise auch in der Liturgie die türkische Sprache eingeführt hat. Positiver stand man auch Johannes Paul II. gegenüber; als er 1979 kam, war das gerade die Zeit, in der die großen Religionen der Welt aufeinander zugingen und auch den Dialog mit dem Islam suchten, um eine Allianz gegen den Materialismus zu bilden… während viele Türken in diesem Papst eher einen sehen, der die Türkei aus der Europäischen Union fernhalten möchte, weil Benedikt XVI., dito Kardinal Ratzinger, der Meinung ist, ein Land mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit würde den Säkularisierungsprozess in der EU beschleunigen und würde den christlichen Charakter der EU untergraben. Und das spüren natürlich die Leute hier, und darum sind sie diesem Papst gegenüber negativer eingestellt als gegenüber früheren Päpsten.

Was müsste diese Reise leisten, um ein Erfolg zu werden – für die Türkei, für Europa und für den Papst?

Der Papst muss neugierig sein, er muss den Türken einfach zeigen: Seht mal her, ich bin ja ganz anders, als ihr eigentlich gedacht habt. Ich bin ziemlich sicher, dass Papst Benedikt anders ist, als viele Türken ihn darstellen, und deswegen wird allein schon seine Präsenz, weiterverbreitet jeden Tag durch die Medien, zu einer Korrektur dieses Bildes beitragen und zu einer Revision der Interpretation seiner Regensburger Rede führen.

(rv 28.11.06 sk)








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