Um kurz vor 12 Mitteleuropäischer
Zeit ist Benedikt XVI. heute in Ankara gelandet. Hier beginnt der Papst seine mit
Spannung erwartete und mit Spannungen begleitete Reise durch die Türkei. Für uns vor
Ort: Stefan Kempis:
"Es war schon ganz anders, als Vatikan-Journalisten
das sonst gewohnt sind, wenn der Papst in ein fremdes Land aufbricht. Keine jubelnden
Menschenmassen, keine langen Ansprachen – stattdessen viele Sicherheitsleute mit Handy
am Ohr. Kurz vor ein Uhr Ortszeit landet das Flugzeug mit dem Papst an Bord; Benedikt
kommt die Gangway hinunter mit schnellen, kleinen Schritten, er trägt einen weißen
Mantel und wirkt ziemlich breitschultrig – vielleicht trägt er ja doch untendrunter
eine kugelsichere Weste, wie ihm das die türkischen Behörden angeblich dringend empfohlen
haben. Händedruck mit Ministerpräsident Erdogan, der für die Begegnung mit dem Papst
nun doch seinen Abflug zum Nato-Gipfel von Riga verschoben hat; Erdogan trägt eine
Krawatte in den türkischen Landesfarben Rot und Weiß – kleiner Gruß ans Wahlvolk daheim
an den Fernsehschirmen. Benedikt wirkt neben dem großen und massigen Politiker etwas
steif und unter Druck, er lächelt aber sehr freundlich. Erdogan hingegen blickt eher
entschieden drein. Hinter Papst Benedikt: Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone
mit Sonnenbrille, es ist seine erste Reise in diesem Amt mit Benedikt zusammen. Der
Papst und Erdogan betreten den VIP-Bereich des Flughafens, dort hat man einen Saal
für ihr Gespräch vorbereitet, die Sessel stehen unter einem großen Bildnis von Staatsgründer
Atatürk, links und rechts die vatikanische bzw. türkische Fahne. Zunächst sieht man
Erdogan sprechen; der Papst hört freundlich-unbeweglich der Dolmetscherin zu, einer
bekannten Schauspielerin übrigens, er wirkt neben Erdogan sitzend fast verängstigt
– kennte man denn seine bayerische Hartnäckigkeit nicht. 25 Minuten Gespräch, an dem
auch einige Bischöfe aus der Türkei teilnehmen; draußen vor der Tür warten Vatikansprecher
Pater Lombardi, der Reisemarschall Gasbarri und, als einziger völlig entspannt wirkend,
mit breitem Lachen, der im Vatikan fürs Ökumenische zuständige Kardinal Kasper. Zum
Schluss des Gesprächs überreicht der Papst dem Ministerpräsidenten eine Darstellung
der römischen Engelsburg und auch die Pontifikatsmedaille, die der Politiker etwas
ratlos aus dem blauen Etui klaubt, der Papst macht mit ausholender Geste einen Scherz,
dann reichen sich die beiden die Hand. Als der Papst kurz danach in seinen Wagen steigt,
der ihn nach Ankara hineinbringt, winkt er ganz kurz, schon etwas entspannter.
Die
Nachrichtenagenturen jagen übrigens gleich über den Ticker, was sich der Papst und
Erdogan gesagt haben. Papst: „Ich komme in die Türkei, um die Freundschaft zwischen
dem Heiligen Stuhl und dem türkischen Volk zu vertiefen, und um bei der Begegnung
der Kulturen zu helfen. Es ist unsere Pflicht, für den Frieden zu arbeiten.“ Und weiter:
„Ihr seid ein wichtiges Land, eine Brücke zwischen westlicher Demokratie und islamischer
Kultur – wenn Ihr wollt, könnt Ihr auch dem Papst helfen bei seiner Arbeit für das
Gespräch der Kulturen und für den Frieden.“ Erdogan: „Ich will Sie zunächst mal
willkommen heißen; heute beginnt der Nato-Gipfel in Riga, in Lettland; ich muss leider
sofort nach unserem Treffen dorthin abfliegen.“ Und weiter: „Ihr Besuch findet in
einer neuen, speziellen Epoche statt; ich finde, er ist jetzt noch sinnvoller, weil
es jetzt den Plan einer Allianz der Zivilisationen gegeben hat. Wie Sie wissen, haben
wir dieses Bündnis angekündigt, zusammen mit UNO-Generalsekretär Annan und dem spanischen
Premier Zapatero.“ Danach dann die geschlossenen Türen, der Fortgang des Gesprächs
ist nicht bekannt. Nur eines noch: Doch, Benedikt habe sich bei dem Gespräch positiv
zu einer möglichen Aufnahme der Türkei in die EU geäußert. Sagt Ministerpräsident
Erdogan, unmittelbar vor seinem Abflug nach Riga."