2006-11-27 13:14:25

Türkei: Spannung auf zwei Kontinenten


RealAudioMP3 Papst Benedikt XVI. steht kurz vor dem Abflug. Morgen beginnt die mit Spannung erwartete Reise in die Türkei. Heute geht er im Vatikan noch seinen Routineaufgaben nach, eine weitere Gruppe italienischer Bischöfe ist zum Ad Limina-Besuch in Rom. Doch die Visite in der mehrheitlich islamischen Türkei ist nach den Irritationen um seine Regensburger Rede sicher alles andere als Routine. Stefan Kempis berichtet aus Istanbul:
"Bedeckter Himmel, manchmal auch für einen Moment etwas Sonne über Istanbul, der weltweit einzigen Metropole auf zwei Kontinenten. Ich stehe hoch über dem alten Armenier- und Griechen-Viertel auf dem mittelalterlichen Galata-Turm, von dem Teile noch aus dem sechsten Jahrhundert stammen sollen, also aus dem Byzanz des Kaisers Justinian. Links von mir erstreckt sich der Bosporus mit der Brücke nach Asien hinüber. Rechts: das Goldene Horn. Ich erkenne den Sultanspalast (Topkapi), daneben die Hagia Sophia, dann mit ihren sechs Minaretten die Blaue Moschee und schließlich die Moschee des Süleiman aus dem 15. Jahrhundert - sie dösen unter ihren Minaretten. Auf dem Goldenen Horn tuckern die Fähren, aus der Stadt dringt das Hupen des Verkehrs zu mir herauf, die Rufe der Händler, jetzt im Moment auch der Gebetsruf der Muezzine.
Es ist geschichtsträchtiger Boden, den Papst Benedikt in diesen Tagen betreten wird. In der Stadt herrscht eher Ruhe und Unaufgeregtheit, aber im alten Zentrum sieht man doch noch überall die rot-weißen Transparente mit der Aufschrift "Papst - nicht willkommen"; es sind Überbleibsel einer großen Anti-Papst-Demonstration, die eine nationalistische Partei am Sonntag hier in Istanbul veranstaltet hat. Im Geschäfts- und Bankenviertel habe ich heute sehr viel Polizei gesehen, stellenweise sogar an jeder Straßenecke, es ist eine ziemlich demonstrative Präsenz. Vor dem Hotel, in dem während ihrer Tage in Istanbul auch die Kardinäle aus dem Papst-Gefolge nächtigen werden, darunter Kardinal Walter Kasper, ist gar eine Art Panzer aufgezogen, und das gleiche Bild bietet sich vor dem Hilton-Hotel, in dem sich das internationale Pressezentrum befindet. Die Zeitungen - eine trägt den beunruhigenden Titel "radikal" - zeigen auf ihrer ersten Seite jeweils Bilder der Anti-Papst-Demo, aber auch Fotos vom Angelus, bei dem Benedikt XVI. am Sonntag Versöhnliches in Richtung Türkei gesagt hat. Eines muss man aber ganz klar sagen: Die einfachen Leute hier - ganz gleich, mit wem man spricht - sind alle gegen die Reise des Papstes, sie deuten sie als einen Versuch christlicher Landnahme. Es wird also sicher kein leichter Gang für den Papst."
(rv 27.11.06 sk)








All the contents on this site are copyrighted ©.