Papst Benedikt XVI.
steht kurz vor dem Abflug. Morgen beginnt die mit Spannung erwartete Reise in die
Türkei. Heute geht er im Vatikan noch seinen Routineaufgaben nach, eine weitere Gruppe
italienischer Bischöfe ist zum Ad Limina-Besuch in Rom. Doch die Visite in der mehrheitlich
islamischen Türkei ist nach den Irritationen um seine Regensburger Rede sicher alles
andere als Routine. Stefan Kempis berichtet aus Istanbul: "Bedeckter Himmel,
manchmal auch für einen Moment etwas Sonne über Istanbul, der weltweit einzigen Metropole
auf zwei Kontinenten. Ich stehe hoch über dem alten Armenier- und Griechen-Viertel
auf dem mittelalterlichen Galata-Turm, von dem Teile noch aus dem sechsten Jahrhundert
stammen sollen, also aus dem Byzanz des Kaisers Justinian. Links von mir erstreckt
sich der Bosporus mit der Brücke nach Asien hinüber. Rechts: das Goldene Horn. Ich
erkenne den Sultanspalast (Topkapi), daneben die Hagia Sophia, dann mit ihren sechs
Minaretten die Blaue Moschee und schließlich die Moschee des Süleiman aus dem 15.
Jahrhundert - sie dösen unter ihren Minaretten. Auf dem Goldenen Horn tuckern die
Fähren, aus der Stadt dringt das Hupen des Verkehrs zu mir herauf, die Rufe der Händler,
jetzt im Moment auch der Gebetsruf der Muezzine. Es ist geschichtsträchtiger
Boden, den Papst Benedikt in diesen Tagen betreten wird. In der Stadt herrscht eher
Ruhe und Unaufgeregtheit, aber im alten Zentrum sieht man doch noch überall die rot-weißen
Transparente mit der Aufschrift "Papst - nicht willkommen"; es sind Überbleibsel einer
großen Anti-Papst-Demonstration, die eine nationalistische Partei am Sonntag hier
in Istanbul veranstaltet hat. Im Geschäfts- und Bankenviertel habe ich heute sehr
viel Polizei gesehen, stellenweise sogar an jeder Straßenecke, es ist eine ziemlich
demonstrative Präsenz. Vor dem Hotel, in dem während ihrer Tage in Istanbul auch die
Kardinäle aus dem Papst-Gefolge nächtigen werden, darunter Kardinal Walter Kasper,
ist gar eine Art Panzer aufgezogen, und das gleiche Bild bietet sich vor dem Hilton-Hotel,
in dem sich das internationale Pressezentrum befindet. Die Zeitungen - eine trägt
den beunruhigenden Titel "radikal" - zeigen auf ihrer ersten Seite jeweils Bilder
der Anti-Papst-Demo, aber auch Fotos vom Angelus, bei dem Benedikt XVI. am Sonntag
Versöhnliches in Richtung Türkei gesagt hat. Eines muss man aber ganz klar sagen:
Die einfachen Leute hier - ganz gleich, mit wem man spricht - sind alle gegen die
Reise des Papstes, sie deuten sie als einen Versuch christlicher Landnahme. Es wird
also sicher kein leichter Gang für den Papst." (rv 27.11.06 sk)