Kardinal Kasper zur ökumenischen Bedeutung der Türkeireise
Die ganze Welt sieht
mit Spannung der Türkeireise des Papstes entgegen. Denn es kommen unterschiedliche
Aspekte zusammen: politische, kulturelle und religiöse. Wir haben im Vorfeld mit Kardinal
Walter Kasper gesprochen. Er ist der Präsident des Einheitsrates. Er betont vor allem
den ökumenischen Aspekt dieser Reise. Dieser war auch der ursprüngliche Anlass. Der
ökumenische Dialog hat, so Kasper nicht nur eine kirchliche Bedeutung, sondern auch
eine politische: „Wir sind dabei Ost- und Westeuropa zu integrieren in der Europäischen
Gemeinschaft. Aber das ist nicht nur ein ökonomisches Problem, das ist auch ein geistiges,
kulturelles Problem. Dieser Länder im Osten Europas, die sind in Jahrhunderten von
der orthodoxen Tradition kulturell geprägt. Die Annäherung von Ost und Westeuropa
kann nicht gelingen, wenn man in die orthodoxen Kirchen mit ins Boot bekommt. Also
man muss diesen Dialog sehen im Zusammenhang des Zusammenwachsens Europas, das übrigens
auch dem Patriarchen sehr am Herzen liegt, auch im Kontext einer globalisierten Welt.
Und eine andere Sache: Dass sich Europa immer mehr auf sich selbst besinnt und auch
selbst behaupten muss gegenüber dem Islam einerseits und der Säkularisierung andererseits.
Also da steht in diesem ganz großen Zusammenhang.“ Zur Frage, ob man große
Gesten und Spektakuläres erwarten kann, sagt Kasper: „Sie dürfen keine spektakulären
Dinge erwarten von diesem Besuch. Das eigentlich Spektakuläre ist, dass die Normalität
normal geworden ist, dass diese Begegnung zwischen Konstantinopel und Rom inzwischen
zum Alltag gehören. Im Laufe des Jahres gibt es viele private Besuche und auch viele
Ortskirchen - vor allem italienische - haben regelmäßige Kontakte. Das ist also eine
Befestigung dessen, was inzwischen normal geworden ist und eine zielstrebige Weiterführung,
was Johannes XXIII., der ja Nuntius in Ankara war, und was Paul VI. begonnen haben,
was Johannes Paul II. tatkräftig weitergeführt hat und was Papst Benedikt XVI. nun
zu Ende führt – etwas anders als Johannes Paul II. in der Art und Weise, wie er es
tut, aber mit dem selben Ziel und der selben Energie, wie er es getan hat. Es soll
also das Christentum in Europa zusammengeführt und damit und auf die öffentliche Weltbühne
zurückgeführt werden. (rv 261106 mc)