Der italienische Staatspräsident Giorgio Napolitano war heute zu einem Staatsbesuch
im Vatikan. Er erwiderte damit die Visite von Papst Benedikt XVI. im Quirinal kurz
nach seiner Wahl zum Papst. Napolitano ist ein früherer Kommunist; seine Gespräche
im Vatikan waren spürbar von Herzlichkeit geprägt. Ein Statement des Vatikans berichtete,
Papst und Präsident hätten die Beziehungen ihrer Staaten gelobt und über die EU,
Afrika und den Nahen Osten gesprochen. Benedikt XVI. bekannte sich in seiner Ansprache
zur Trennung von Staat und Kirche; beide seien unabhängig voneinander, beide stünden
auf unterschiedliche Weise im Dienst am Menschen und sollten daher zusammenarbeiten.
"Ja - Kirche und Staat sind trotz ihrer völligen Verschiedenheit dazu berufen, dem
Menschen zu dienen. Dieser ist gleichzeitig Teilhaber der Heilsmission der Kirche
und Bürger seines Staates. Es ist im Menschen, dass diese beiden Gesellschaften sich
begegnen und zusammenarbeiten, um sein Wohl zu befördern." Der Papst betonte, dass
zum Menschen auch seine religiöse Dimension gehört. Der Staat müsse daher die Religionsfreiheit
jedes Menschen respektieren. Dazu reiche es nicht, sich möglichst nicht in seine religiösen
Belange einzumischen; der Staat müsse vielmehr die Rechte der Familien, der religiösen
Gruppen und der Kirche anerkennen. Die Ausübung dieser Rechte erstrecke sich auf viele
Bereiche und Situationen, in denen Christen präsent seien, und der Staat müsse ihnen
dazu die Rahmenbedingungen garantieren. Benedikt XVI. wörtlich: "Die Kirche ist kein
politischer Akteur und will auch keiner sein, aber sie hat ein tiefes Interesse am
Wohl der politischen Gemeinschaft". Darum bemühten sich vor allem die Laien auch im
politischen Bereich um christliche Antworten auf die modernen Herausforderungen: Terrorismus,
Hunger, Krieg, Krankheiten, Lebensschutz, Schutz der Familien. Sie handelten dabei
nicht aus Eigennutz, sondern "nach den Regeln des demokratischen Zusammenlebens" und
"zum Wohl der ganzen Gesellschaft - auf der Basis von Werten, die jeder vernünftige
Mensch teilen kann". Präsident Napolitano bekannte sich in seiner Rede zur guten
Zusammenarbeit von Staat und Kirche in Italien und zu den christlichen Wurzeln Europas.
Auch Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone erwähnte in seiner Ansprache an Napolitano
das Zusammenwachsen Europas; und er lobte die italienischen Friedensmissionen in verschiedenen
Teilen der Welt. Der Besuch des italienischen Staatschefs im Vatikan verlief ohne
Mißklänge - Zeichen für eine unaufgeregte Partnerschaft zweier sehr ungleicher Staaten. (rv
20.11.06 sk)