"Es war sehr entspannt", Bischof Mussinghoff zu den Ad-Limina-Besuchen
Heinrich Mussinghoff
ist Bischof von Aachen und stellvertretender Vorsitzender der deutschen bischoskonferenz.
Er war bei der zweiten Gruppe deutscher Bischöfe bei den Ad-Limina-Besuchen in Rom.
Wir haben im Anschluss an die Audienz Benedikts XVI. mit ihm gesprochen.
Was
sind ihre Eindrücke von dem Ad-Limina-Besuch?
Es war ein Besuch in großer
Gelassenheit auf beiden Seiten. Es war schön, es war harmonisch, wir haben uns austauschen
können über die Probleme der Kirche in Deutschland und darüber hinaus. Das war gut
und hilfreich und trägt zum gegenseitigen Verstehen bei.
Was sind ihrer
Meinung nach die wichtigsten Botschaften, die Sie mit nach Hause nehmen?
Ich
würde von den beiden Papstreden ausgehen. Heute Morgen war es die Botschaft, bei der
Weitergabe des Glaubens an Kinder und Jugendliche etwas mehr zu tun. Da hat uns ja
der Weltjugendtag gegeben und gezeigt, dass junge Menschen Orientierung suchen, dass
sie suchen nach geistlichem Leben und nach erlebter junger Kirche. Der Papst hat gesprochen
von Ehe und Familie: Ein ganz wichtiges Thema, wie können wir Menschen ermutigen ein
Leben lang in Ehe zusammen zu bleiben und Dadurch den Kinder einen Raum der Geborgenheit
zu geben, indem sie reifen und wachsen können. Der Papst hat von der Ökumene
gesprochen, die natürlich in Deutschland vor allem Lutheraner und Reformierte umfasst,
aber auch die orthodoxen Christen und uns noch einmal ermutigt, da auch Schritte weiter
zu gehen, dass zu tun was, von den Dokumenten der Kirche an Fortschritten im ökumenischen
Dialog tun können. Er hat die Hilfswerke angesprochen in besonderer Weise und uns
ermutigt, diesen Weg der internationalen Hilfe weiterzugehen in der Hilfe zur Selbsthilfe
und auch auf bestimmte mögliche Gefahren hingewiesen, vor allem auf den Kern „Die
Liebe Christi drängt uns“, das was er im zweiten Teil seiner ersten Enzyklika „Gott
ist die Liebe“ so wunderbar ausgeführt hat.
Bleiben wir beim letzten Punkt,
den Hilfswerken. Er hat wörtlich gesagt, es sei wichtig, dass man nicht in politische
Abhängigkeiten komme. Was ist damit gemeint?
Also natürlich muss man die
Texte interpretieren, ich weiß auch nicht genau, was der Papst denkt, da der päpstliche
Rat „Cor Unum“ dort erwähnt ist, denke ich, dass kommt auch aus dieser Behörde. Die
Bundesrepublik Deutschland gibt ja etwa die Hälfte der Entwicklungshilfe dem Werk
Misereor katholischerseits und Brot für die Welt evangelischerseits, weil sie wissen,
dass diese Gelder dann auch wirklich die Empfänger erreichen. Und wir sind an keinerlei
Weisungen gebunden. Wir sind völlig frei: Ich war bislang in der bischöflichen Misereor-Unterkommission
und in der Kommission für weltkirchliche Aufgaben und kenne das von daher. Natürlich
gibt es gemeinsame Interessen; wenn eine Katastrophe passiert ist, dann wünschen beide
Partner, dass da aktuell und schnell geholfen wird. Aber das Interessen, die koinzidieren,
die nicht irgendwie auferlegt sind. Insofern glaube ich, dass wir in Deutschland frei
genug sind von der Hilfe. Man kann die Hilfe natürlich nicht überall so anbringen,
wie man das möchte. Das muss man natürlich auch sehen. Da sind wir dann sehr vorsichtig,
wie weit wir in solche Länder gehen. Beherrschend dabei ist immer der leidende Mensch,
der Hilfe braucht, und inwieweit können wir sie dann auch geben, dass die Hilfe ihn
wirklich erreicht.
Aachen ist ja auch ein bisschen die Hauptstadt der Missionswerke,
wenn man das mal so sagen darf. Bei der Bayernreise hat der Papst ja schon einmal
darauf hingewiesen, dass diese Mitte der kirchlichen Hilfe nicht aus den Augen verloren
werden darf. Warum, glauben Sie, weist der Papst immer wieder darauf hin?
Das
muss man natürlich den Papst selbst fragen, ich weiß es nicht aber ich kann mir vorstellen,
dass hier Bischöfe aus den betreffenden Ländern kommen und jedem, dem sie nicht Hilfe
gewähren können, weil sie nicht genügend Mittel haben, oder weil das Projekt nicht
gut genug ausgearbeitet ist, ist natürlich enttäuscht und verärgert und erzählt dann
vielleicht nicht ganz so gut von dem, was die Hilfswerke tun. Das muss man glaube
ich wohl mit einrechnen und würdigen. Wir tun alles zusammen mit den Bischöfen in
den Ländern, was nicht bischöflich genehmigt ist oder zumindest vorgestellt worden
ist – das letztere gilt vor allem für Ländern, in denen kaum Katholiken sind – unser
Werk Misereor ist ja für alle Menschen da und nicht nur für Katholiken. Vielleicht
gibt’s auch manchmal Reibungen, oder dass bei Renovabis unsere unierten Kirchen in
den östlichen Länder sagen, ihr gebt alles den Orthodoxen, wir kriegen nichts davon
oder so. Das muss man aus den jeweiligen Situationen verstehen.
Ein anderes
Thema, auf das er schon ganz am Anfang seiner Ansprache eingegangen ist, ist die Frage
nach den Strukturen, nach den Veränderungen in den Strukturen. Das sind ja auch Dinge,
die die Menschen vor Ort beschäftigen. Und er hat ja ganz klar gesagt, wesentlich
sei nicht die Struktur, das dürfe nicht den Blick auf das wirklich Wesentliche nämlich
den glauben verstellen. Wie sehen Sie das, sie sind ja auch in ihrer Diözese damit
beschäftigt. Was glauben Sie, was ist da der Impuls für die deutsche Kirche?
Ich
denke der Papst und die entsprechende Kongregation sieht sehr deutlich, dass wir heute
bei weniger Priestern und bei weniger Sonntagskirchbesuchern darauf angewiesen sind,
größere Einheiten zu haben. In unserem Bistum haben wir kaum noch eine Pfarrei, die
ihren Pfarrer hat, sondern ein Pfarrer ist für mehrere Pfarreien zuständig und bedarf
auch eines Teams pastoraler Mitarbeiter, sowohl hauptamtlicher, aber auch ehrenamtlicher
Mitarbeiter, die ihm helfen, die ein Team bilden und die Seelsorge in einen größeren
Raum wahrnehmen. Ich glaube, dass der papst das auch deutlich sieht. Aber der Kern,
das höchste Gesetz in der Kirche ist das Heil der Seelen, darauf muss alles gerichtet
sein, und gerichtet werden. Wir dürfen nicht Strukturen bauen um der Strukturen willen,
sondern die Strukturen müssen Hilfsinstrumente für die Förderung des Glaubens sein.
Besonders hat er in diesem Zusammenhang auf die Rolle des Priesters hingewiesen,
die dürfe nicht verwaschen werden und dies müsse mit der Rolle der Kirche übereinstimmen
und die Anziehungskraft des Priesterberufs nicht mindern. Ist da eine Gefahr möglicherweise?
Ich
denke schon, dass es bestimmte Gruppierungen unter den Laien gibt, die gern mitregieren
wollen. Da kommt auch zum Teil eine Machtfrage rein, die es in der Kirche nicht geben
dürfte. Die Sorge, die dahinter steht beim Papst und auch bei den römischen Behörden
und bei uns, ist dass die sakramentale Struktur der Kirche verloren geht. Das also
das besondere des priesterlichen Dienstes nicht mehr gesehen wird, sondern einfach
sozusagen demokratisch „eingeebnet“ wird in das Ganze von Entscheidungsträgern bei
der Kirche. Aber die Kirche ist eine sakramentale Heilsveranstaltung Jesu Christi,
wenn ich mal das alte Wort gebrauchen darf. Von daher müssen die Kirche und ihre Strukturen
gebaut werden. Und da hat der Priester als geweihte Person in einem geweihten Dienstamt
seine besondere Funktion, die nicht von demokratischen Mehrheiten abhängt und abgeleitet
werden kann, sondern direkt von der Weihe von Jesus Christus her kommt.
Noch
einmal zur Frage der Strukturen, sie werden sich ja im nächsten Frühjahr in der Deutschen
Bischofskonferenz damit beschäftigten, sagte uns letzte Woche Kardinal Lehmann. Die
Entwicklungen gehen in den Diözesen ja zum Teil in verschiedene Richtungen. Was glauben
Sie ist da wesentlich, um die ursprüngliche missionarische Kraft wiederzugewinnen,
von der der Papst spricht?
Also ich glaube nicht, dass es so sehr auseinander
geht. Aber man muss wohl sehen, dass ein Landbistum etwas anderes ist als ein Stadtbistum.
Wir in Aachen sind eher ein Landbistum mit drei großen Städten, während Köln eher
ein Stadtbistum ist: Das erfordert andere Strukturen. Von daher kommt die Verschiedenheit
in die Überlegungen der Bistümer hinein. Ich halte das nicht für so schwierig, ich
glaube schon, dass es gemeinsame Grundstrukturen gibt. Aber es ist ganz gut und wichtig,
dass wir uns abstimmen, weil man vielleicht manches etwas harmonisieren kann, damit
es nicht allzu weit auseinander geht.
Zum Thema Weitergabe des Glaubens
und Familie und Ehe. Meine Frage: Bei diesem Besuch in Rom, sind da eigentlich auch
Elemente besprochen worden, wie man das eigentlich auch umsetzen kann? Hat Ihnen Rom
da etwas „mitgegeben“?
Also ich denke, dass Rom nicht der kompetente Partner
ist zu raten, wie man das umsetzen kann. Was Rom sagen kann, ist wir haben da und
da macht man das so. Gucken Sie mal nach, also diese Hinweisfunktion, wie es vielleicht
gehen kann ist wichtig. Und ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass von den
Strukturen bestimmte Fehlentwicklungen möglicherweise drinstecken, dass wir darüber
gemeinsam nachdenken und darüber ins Gespräch kommen. Das ist glaube ich die Funktion,
die die römischen Behörden haben. Und die wichtig für uns sind.
Können
Sie ein Beispiel dafür nennen? Als Kirche in Deutschland steht uns da auch noch eine
Aufgabe bevor zum Thema Ehe und Familie!
Wir haben eine Partnerschaft mit
Kolumbien, wir haben die letzten vierzig Jahre zusammengearbeitet besonders in der
Priesterbildung in den Priesterseminaren. Und das hat von einer Zahl von 600 Priesteramtskandidaten
sowohl für Diözesanklerus wie Ordensleute zu einer Entwicklung geführt, sodass es
heute fast 5000 sind. Die Kolumbianer haben mit großer Konsequenz daran festgehalten,
dass Priesterausbildung für ihr Land die wichtigste Priorität hat. Und da glaube ich
könnten wir ein Stück „abgucken“, um den Impuls, der sicherlich durch den Weltjugendtag
auch gekommen ist, neu aufzugreifen und zu sehen, wie können wir bei den bisher sinkenden
Zahlen wieder etwas mehr Ermutigung für junge Leute finden und weitergeben, dass mehr
den Priester- und Ordensberuf auch ergreifen, neben all den anderen kirchlichen und
pastoralen Diensten, die auch notwendig sind.
Es heißt ja immer, die Ökumene
in Deutschland sei ein bisschen ins Socken geraten, die „Ökumene der Profile“ ist
so ein Schlagwort. Der Papst sagt ja interessanterweise, es geht nicht so sehr um
gemeinsame Papiere, sondern mit Blick auf das dem religiösen und kirchlichen Leben
entfremdete gesellschaftliche Umfeld darum, gemeinsam Zeugnis zu geben von den wesentlichen
Grundlagen der Gesellschaft. Wie sehen Sie das?
Ich denke, dass der Papst
da einen wesentlichen Punkt nennt. Wir alle müssen mehr missionarische Kirche werden.
Wir müssen das auch gemeinsam tun. Ich glaube auch, dass die theologischen ökumenischen
Dialoge wichtig und unerlässlich sind, dass sie aber auch schwieriger werden. Sie
müssen sich das vorstellen, je näher man kommt, umso mehr spürt man auch, dass man
noch voneinander entfernt ist. Und das ist umso schmerzlicher je näher man sich kommt.
Ich würde auch nie von Eiszeit sprechen in der wir in der Ökumene stehen sollen, sondern
es ist eher der Sommer, wo die Dinge langsam vor sich hin reifen, es ist noch nicht
die Zeit der Ernte. Sie wissen, dass im Dialog zwischen evangelischer und katholischer
Kirche Fragen des Amtsverständnisses zurzeit virulent sind, natürlich manchmal auch
etwas explosiv sind. Das gibt dann so einen Wettersturz wie eben oder es gibt die
Eisheiligen in der Sommerzeit so würde ich das eher sehen. Wir sollten das tun, was
wir gemeinsam tun können. Da erwarte ich mir von den geistlichen Gemeinschaften sehr
viel, evangelische wie katholische, die aus dem Wort Gottes zu leben versuchen und
so neue Zugangswege zueinander geben. Ich denke, dass 2004 in Stuttgart geschehen
ist und was jetzt noch einmal anlaufen soll, dass das ein verheißungsvoller Zugang
ist, der alte Fronten aufbrechen kann und auch so ein bisschen diesen Ökumenismus
auf dem niedrigsten Nenner - „wir glauben alle an einen Herrgott und so…“ aufbrechen
kann und so ernsthaft in die Mitte stellen kann. Ich glaube auch, dass manchmal das
Ziel des Ökumenismus, die Einheit der Kirchen ein wenig aus dem Blick geraten ist.
Es sind andere beim Weltrat der Kirchen andere Punkte in den Vordergrund getreten,
die auch bedacht werden müssen, die aber dann bei den Baptisten, bei den Pfingstlern,
bei den orthodoxen Kirchen zu Austritten geführt haben. Daran kann man sehen, dass
da schwierige Bewegungen sind, dass wir neu die Mitte unseres Tuns wieder finden müssen.
Der
Papst hat ja gesagt, dass die Bischöfe den neuen geistlichen Gemeinschaften mit Liebe
entgegen sollen. Man hört ja immer so, dass sie es manchmal schwer haben die neuen
geistlichen Gemeinschaften – auch mit den Bischöfen. Wie schätzen Sie das ein?
Ich
sehe das für meine Person nicht so. Ich habe 2003 das Friedensgebet nach Aachen geholt,
das die Gemeinschaft von Sant’Egidio jedes Jahr in einer anderen europäischen Stadt
durchführt. Das war eine großartige Sache. Es ist mir ein wesentlicher Impuls, mein
Vorgänger war bei der Fokolarbewegung tätig, Bischof Klaus Hemmerle. Auch von daher
habe ich gute Impulse. Ich schätze „Jesus Charitas“, die Charles de Foucault-Bewegungen
sehr, sie sind einfach eine große Bereicherung in der Pastoral. Aber das soll die
alten Orden, die Dominikaner und Jesuiten und Franziskaner und was wir alles an Gemeinschaften
haben nicht beiseite schieben. Auch sie sind wichtig, haben ihre Mission. Auch wenn
sie kleiner und weniger werden, sind sie mir lieb und manchmal teuer.
Wie
war eigentlich die Stimmung, haben Sie was unternommen gemeinsam?
Der zentrale
Punkt ist der Besuch der Apostelgräber. Ich halte es für wichtig, dass wir eine Wallfahrt
machen, dass das auch im Blick bleibt. Da kommt dann hinein der Besuch beim Papst,
der uns wichtig ist. Ohne den Nachfolger Petri geht das katholisch nicht. Die Gespräche
mit den Kongregationen und Räten waren so dicht, dass man gar nicht überall hinkommt,
wo man eigentlich hin möchte, um einige Einzelfälle zu besprechen. Aber es waren brüderliche
Gespräche, es war ein gutes Hinhören aufeinander. Das hat mir gut getan. Wir haben
etwas unternommen, wir haben Manoppello besucht, ich habe mit einer kleinen Gruppe
Sant’Egidio besucht, alte Freunde. Und so waren die Tage sehr schön gefüllt. Wir haben
unsere Studenten im Germanicum und die Anima besucht. Das ist ein dichtes und schönes
Programm. Noch einmal insgesamt: Es war eine entspannte Atmosphäre, so was könnte
man gut im nächsten Jahr noch mal wieder machen, aber das muss dann nicht sein. (rv
191106 mc)