Hier die "echte" Rede des Papstes an die Schweizer Bischöfe
Eminenzen, Exzellenzen, liebe Mitbrüder, ich möchte Sie zuerst sehr herzlich begrüßen
und meine Freude darüber ausdrücken, daß wir den 2005 abgebrochenen Pastoralbesuch
nun zu Ende führen dürfen und noch einmal das ganze Panorama der Fragen, die uns bewegen,
miteinander durcharbeiten können. Ich kann mich noch sehr lebhaft an den Ad-limina-Besuch
2005 erinnern, wo wir gemeinsam in der Glaubenskongregation Probleme, die auch in
diesen Tagen wieder zur Debatte stehen werden, besprochen haben, und weiß noch, welch
ein Klima des inneren Einsatzes herrschte dafür, daß das Wort des Herrn lebendig sei
und ankomme in den Herzen der Menschen dieser Zeit, damit die Kirche lebe. In der
uns gemeinsamen Situation der Bedrängnis durch eine säkulare Kultur versuchen wir,
den Auftrag des Herrn zu verstehen und so gut zu erfüllen, wie wir es vermögen.
Ich habe keine richtige Rede vorbereiten können und möchte jetzt nur zu den einzelnen
großen Problemkomplexen, die wir berühren werden, ein paar „erste Vorstöße“ machen,
die nicht endgültige Aussagen in den Raum stellen, sondern das Gespräch in Gang bringen
wollen. Es ist dies ja eine Begegnung zwischen den Schweizer Bischöfen und den verschiedenen
Dikasterien der Kurie, in denen die einzelnen Sektoren unserer pastoralen Aufgabe
sichtbar werden und vertreten sind; zu einigen davon möchte ich versuchen, die eine
oder andere Anmerkung zu machen. Wie es meiner eigenen Vorgeschichte entspricht, fange
ich mit der Glaubenskongregation an, oder besser gesagt: mit dem Thema Glaube. Ich
habe schon in der Homilie zu sagen versucht, daß der Glaube in der Tat die Priorität
in dem ganzen Ringen dieser unserer Zeit haben muß. Vielleicht konnte er vor zwei
Generationen noch als selbstverständlich vorausgesetzt werden: Man wuchs im Glauben
auf; der Glaube war irgendwie als ein Teil des Lebens einfach gegenwärtig und brauchte
gar nicht besonders gesucht zu werden. Er mußte geformt, mußte vertieft werden, erschien
aber wie selbstverständlich. Heute ist das Umgekehrte selbstverständlich: daß man
eigentlich nicht glauben kann und daß Gott abwesend ist. Jedenfalls erscheint der
Glaube der Kirche wie etwas sehr Vergangenes, so daß dann auch aktive Christen es
sich so vorstellen, daß man aus dem Gefüge des Glaubens der Kirche sich die Sachen
heraussucht, die man als für heute noch vertretbar ansieht. Und vor allen Dingen müht
man sich, durch den Einsatz für die Menschen eben auch zugleich sozusagen seine Pflicht
Gott gegenüber zu erfüllen. Das ist dann aber doch eine Art „Werkrechtfertigung“,
die einsetzt: Der Mensch rechtfertigt sich und die Welt, in der er das tut, was offenkundig
notwendig zu sein scheint, aber es fehlt das innere Licht und die Beseelung des Ganzen.
Deswegen, glaube ich, ist es wichtig, daß wir einfach wieder sehen: Der Glaube ist
die Mitte des Ganzen – „Fides tua te salvum fecit“, sagt unser Herr immer wieder
zu den Geheilten. Nicht die Berührung, nicht das Äußere ist entscheidend, sondern
daß sie geglaubt haben. Und auch wir können nur lebendig dem Herrn dienen, wenn der
Glaube stark und in seiner Fülle gegenwärtig wird. Ich möchte da zwei Eckpunkte
unterstreichen. Einerseits: Glaube ist vor allen Dingen Glaube an Gott. Im Christentum
geht es nicht um ein riesiges Gepäck von disparaten Sachen, sondern alles, was das
Glaubensbekenntnis sagt und was die Glaubensentwicklung entfaltet hat, ist doch nur
da, um uns das Gesicht Gottes deutlicher zu machen. Er ist und er lebt; ihm glauben
wir; ihm gegenüber, auf ihn hin, im Mitsein mit ihm und von ihm her leben wir. Und
in Jesus Christus ist er sozusagen körperlich mit uns. Diese Zentralität Gottes muß,
wie ich meine, in all unserem Denken und Tun ganz neu erscheinen. Das beseelt dann
auch die Aktivitäten, die sonst leicht in Aktivismus verfallen und leer werden können.
Das ist das eine: daß der Glaube entscheidend wirklich auf Gott hinschaut und uns
auf Gott hinschauen, auf ihn hin in Bewegung kommen läßt. Das andere ist, daß
wir den Glauben nicht uns selbst ausdenken und zusammensetzen aus Stücken, die man
„verkraften“ kann, sondern daß wir mitglauben mit der Kirche. Nicht alles können wir
verstehen, was die Kirche lehrt, nicht alles muß in jedem Leben gegenwärtig sein.
Aber wichtig ist doch, daß wir in dem großen Ich der Kirche, in ihrem lebendigen Wir,
Mitglaubende sind und dadurch in der großen Gemeinschaft des Glaubens stehen, in jenem
großen Subjekt, in dem wirklich das Du Gottes und das Ich der Menschen sich anrühren;
in dem das Vergangene der Schriftworte gegenwärtig ist, die Zeiten sich durchdringen,
Vergangenheit gegenwärtig ist und sich auf Zukunft öffnet und das Ewige, der Ewige
in die Zeit hereinleuchtet. Diese volle Form des Glaubens, wie das Credo sie ausdrückt,
des Glaubens in und mit der Kirche als lebendigem Subjekt, in dem der Herr wirkt,
sollten wir versuchen, wirklich als Mitte unserer Aktivitäten hinzustellen. Wir sehen
es ja auch heute ganz deutlich: Wo man nur Entwicklung vorangetrieben und der Seele
nichts gegeben hat, schadet die Entwicklung. Dann kann man zwar technisch mehr, aber
daraus werden vor allem neue Möglichkeiten des Zerstörens. Wenn nicht mit der Entwicklungshilfe,
mit dem Lernen all dessen, was der Mensch kann, was sein Verstand erdacht hat und
was sein Wille ermöglicht, auch die Seele erleuchtet wird und die Kraft Gottes kommt,
dann lernt man vor allem zerstören. Und insofern, glaube ich, muß uns die missionarische
Verantwortung neu überkommen, daß, wenn wir selber des Glaubens froh sind, wir uns
verpflichtet wissen, anderen davon zu reden. Gottes Sache ist es, wie weit die Menschen
dann ihn annehmen können oder nicht.
Von da wollte ich gleich zur „Educazione
Cattolica“ übergehen und dabei zwei Sektoren ansprechen. Das eine, denke ich, was
uns allen „Sorge“ im guten Sinne macht, ist, daß die theologische Ausbildung der künftigen
Priester und anderen den Glauben Lehrenden und Verkündenden gut sein sollte, daß wir
also gute theologische Fakultäten und Priesterseminare brauchen und entsprechende
Lehrer der Theologie, die nicht nur intellektuelle Kenntnisse vermitteln, sondern
die einen intelligenten Glauben formen, so daß Glaube Intelligenz und Intelligenz
Glaube wird. Da habe ich ein ganz spezifisches Anliegen. Unsere Exegese hat ja große
Fortschritte gemacht; wir wissen ungeheuer viel über die Entstehung der Texte, über
die Unterteilungen der Quellen usw., was das Wort damals genau gesagt haben kann…
Aber wir sehen auch immer mehr, daß die historisch-kritische Exegese, wenn sie nur
historisch-kritisch bleibt, das Wort in die Vergangenheit zurückschiebt, es ein Wort
im Damals werden läßt, das uns eigentlich gar nicht anredet; und daß sie es fragmentiert,
weil es sich ja in lauter verschiedene Quellen auflöst. Das Konzil, Dei Verbum,
hat uns gesagt, daß die historisch-kritische Methode eine wesentliche Dimension der
Exegese ist, weil es zum Wesen des Glaubens gehört, daß er factum historicum
ist. Wir glauben nicht einfach einer Idee; Christentum ist nicht eine Philosophie,
sondern ein Ereignis, das Gott in diese Welt gestellt hat, eine Geschichte, die er
real als Geschichte mit uns gestaltet hat und gestaltet. Deswegen muß das Historische
in seinem Ernst und Anspruch wirklich auch in unserem Lesen der Bibel da sein: daß
wir wirklich das Faktum und eben dieses „Geschichte-Machende“ im Wirken Gottes erkennen.
Aber Dei Verbum fügt hinzu, daß die Schrift, die demgemäß nach historischen
Methoden gelesen werden muß, auch als Einheit zu lesen ist und daß sie in der lebendigen
Gemeinschaft der Kirche gelesen werden muß. Diese beiden Dimensionen, die fallen in
großen Teilen der Exegese aus. Die Einheit der Schrift ist kein rein historisch-kritisches
Faktum, obwohl das Ganze doch auch historisch gesehen ein innerer Prozeß des Wortes
ist, das immer weiter reift, in Relectures immer neu gelesen und verstanden
wird. Aber letztlich ist sie doch theologisches Faktum: Diese Schriften sind eine
Schrift, und man versteht sie nur ganz, wenn man sie in der analogia fidei
als Einheit liest, in der es vorwärts geht auf Christus hin und Christus umgekehrt
die ganze Geschichte an sich zieht, und wenn dies wiederum seine Lebendigkeit hat
im Glauben der Kirche. Anders gesagt, mir liegt sehr daran, daß die Theologen die
Schrift auch so lieben und lesen lernen, wie das Konzil es wollte nach Dei Verbum:
daß sie die innere Einheit der Schrift sehen, wozu heute die „Kanonische Exegese“
ja hilft (die freilich immer noch in schüchternen Ansätzen ist) und dann eine geistliche
Lesung der Schrift üben, die nicht äußere Erbaulichkeit ist, sondern das innere Eintreten
in die Präsenz des Wortes. Da etwas zu tun, dazu beizuragen, daß neben und mit und
in der historisch-kritischen Exegese wirklich Einführung in die lebendige Schrift
als heutiges Wort Gottes geschieht, erscheint mir eine sehr wichtige Aufgabe. Wie
man das praktisch macht, weiß ich nicht; aber man kann, glaube ich, schon Lehrer finden,
sei es im akademischen Bereich, sei es im Seminar, sei es in einem Einführungskurs
usw., damit diese gegenwärtige Begegnung mit der Schrift stattfindet im Glauben der
Kirche, aus der dann erst Verkündigung möglich wird. Das andere ist die Katechese,
die ja in den letzten etwa fünfzig Jahren einerseits methodisch große Fortschritte
gemacht hat, aber sich doch so sehr ins Anthropologische und in das Studieren der
Anknüpfungspunkte hineinverloren hat, daß man oft gar nicht mehr zu den Glaubensinhalten
kommt. Ich kann das verstehen: Selbst, als ich Kaplan war – das ist also 56 Jahre
her – war es in der pluralistischen Schule mit vielen ungläubigen Eltern und Kindern
schon sehr schwer, dort den Glauben zu verkünden, weil er als eine total fremde und
unwirkliche Welt erschien. Heute ist das natürlich noch schlimmer. Trotzdem ist es
wichtig, daß auch weiterhin in der Katechese, die ja Schule, Pfarrei, Gemeinde usw.
umfaßt, der Glaube der Kirche wirklich voll zur Geltung kommt und die Kinder wirklich
lernen, was das ist: „Schöpfung“, was das ist: „Heilsgeschichte“, die Gott gemacht
hat, was Jesus Christus, wer Jesus Christus ist, was die Sakramente sind, was wir
hoffen dürfen… Ich denke, wir müssen uns alle nach wie vor sehr um eine Erneuerung
der Katechese mühen, in der der Mut, den eigentlichen Glauben zu bezeugen und Wege
zu finden, damit er verstanden und angenommen wird, ganz grundlegend ist. Denn die
religiöse Unwissenheit ist heute erschreckend groß geworden. Und dabei haben in Deutschland
die Kinder alle mindestens zehn Jahre Katechese, müßten also doch eigentlich unheimlich
viel wissen. So müssen wir gewiß ernstlich darüber nachdenken, wie wir wieder dazu
führen können, daß auch einfach die Kenntnisse vermittelt werden, die Kultur des Glaubens
gegenwärtig ist.
Und nun möchte ich zum „Culto divino“ kommen. Das Eucharistische
Jahr hat uns dafür sehr viel geschenkt. Ich kann sagen, daß die Nachsynodale Instruktion
auf gutem Wege ist. Sie wird sicher eine große Bereicherung sein. Dann hatten wir
das Dokument der Kult-Kongregation über die rechte Feier der Eucharistie, das sehr
wichtig ist. Ich glaube, aus alledem wird allmählich wieder deutlich, daß die Liturgie
eben nicht eine „Selbstveranstaltung“ der Gemeinde ist, die sich dabei einbringt,
wie man so schön sagt, sondern das Heraustreten der Gemeinde aus dem bloßen Selbersein
und das Hineintreten in das große Mahl der Armen, in die große, lebendige Gemeinschaft,
in der Gott uns selber speist. Dieser universale Charakter der Liturgie muß wieder
allen bewußt werden. In der Eucharistie empfangen wir etwas, das wir nicht machen
können, sondern treten in ein Größeres hinein, das gerade dann unsrig wird, wenn wir
uns in dieses Größere hineingeben und die Liturgie wirklich als Liturgie der Kirche
zu feiern versuchen. Damit verbunden ist dann auch das berühmte Problem der Homilie.
Rein funktional kann ich das sehr gut verstehen: Vielleicht ist der Pfarrer müde oder
hat schon mehrfach gepredigt, oder er ist alt und kräftemäßig überfordert. Wenn dann
ein gescheiter Pastoralassistent da ist, der das Wort Gottes sehr gut und überzeugend
auslegen kann, sagt man natürlich: Warum soll nicht der Pastoralassistent sprechen,
der kann's besser, und dann haben die Leute mehr davon. Aber das ist eben die rein
funktionale Sicht. Dagegen muß man berücksichtigen, daß die Homilie nicht eine Unterbrechung
der Liturgie für einen Redeteil ist, sondern daß sie ins sakramentale Geschehen hineingehört
und eben das Wort Gottes in die Gegenwart dieser Gemeinde hineinträgt. Sie ist der
Augenblick, wo wirklich das Subjekt dieser Gemeinde angesprochen werden will und zum
Hören und zum Annehmen gebracht werden soll; das heißt, sie ist selbst Teil des Mysteriums,
der Mysterienfeier, und daher nicht einfach aus ihr herauszulösen. Vor allen Dingen
aber ist mir auch wichtig, daß der Priester nicht sozusagen auf das Sakrament und
auf die Jurisdiktion beschränkt wird, in der Überzeugung, alle anderen Aufgaben könnten
auch andere übernehmen, sondern daß die Integralität seines Auftrags bleibt. Nur dann
ist Priestertum auch schön, wenn es da einen Auftrag zu erfüllen gilt, der eine Ganzheit
ist, an dem man nicht einfach herumschneiden kann. Und zu diesem Auftrag gehört immer
schon – auch im alttestamentlichen Kult – die Pflicht des Priesters, mit dem Opfer
das Wort zu verbinden, das wesentlicher Bestandteil des Ganzen ist. Rein praktisch
müssen wir dann natürlich dafür sorgen, den Priestern die nötigen Hilfen zu geben,
damit sie auch den Dienst des Wortes recht tun können. Grundsätzlich ist diese innere
Einheit sowohl des Wesens der Eucharistiefeier wie auch des Wesens des priesterlichen
Dienstes ganz wichtig. Das zweite Thema, das ich in diesem Zusammenhang ansprechen
möchte, betrifft das Sakrament der Versöhnung, das ja in den letzten etwa 50 Jahren
immer mehr verkümmert ist. Gott sei Dank gibt es Klöster, Abteien und Wallfahrtsorte,
zu denen die Menschen pilgern und wo sich ihr Herz öffnet und auch bereit ist zum
Bekenntnis. Dieses Sakrament müssen wir wirklich neu erlernen. Schon unter einem rein
anthropologischen Gesichtspunkt ist es wichtig, einerseits Schuld zu erkennen und
andererseits Vergebung zu üben. Eines der bedenklichen Erscheinungen unserer Zeit
ist ein weit verbreitetes Ausfallen des Sündenbewußtseins. So besteht das Geschenk
des Bußsakramentes nicht nur darin, daß wir Vergebung erhalten, sondern darin, daß
wir zunächst einmal überhaupt unsere Vergebungsbedürftigkeit bemerken und dadurch
schon gereinigt werden, uns innerlich verändern und dann auch andere besser verstehen
und ihnen vergeben können. Die Erkenntnis von Schuld ist elementar für den Menschen
– er ist krank, wenn er sie nicht mehr erkennt –, und ebenso wichtig ist für ihn
die befreiende Erfahrung, Vergebung zu empfangen. Für beides ist das Sakrament der
Versöhnung der entscheidende Einübungsort. Darüber hinaus wird der Glaube dort ganz
persönlich und verbirgt sich nicht mehr im Kollektiv. Wenn der Mensch sich der Herausforderung
stellt und in seiner Lage der Vergebungsbedürftigkeit gleichsam „schutzlos“ vor Gott
tritt, macht er die ergreifende Erfahrung einer ganz persönlichen Begegnung mit der
Liebe Jesu Christi.
Zum Schluß möchte ich noch auf das Bischofsamt eingehen.
Darüber haben wir ja implizit schon die ganze Zeit gesprochen. Es scheint mir wichtig,
daß die Bischöfe als Nachfolger der Apostel einerseits wirklich die Verantwortung
für die Ortskirchen tragen, die der Herr ihnen anvertraut, und dafür sorgen, daß dort
die Kirche als Kirche Jesu Christi wächst und lebt. Andererseits müssen sie die Lokalkirchen
ins Universale hinein öffnen. Wir merken an den Nöten der Orthodoxie mit den Autokephalien
wie auch an den Problemen unserer protestantischen Freunde angesichts des Zerfalls
der Landeskirchen, welch große Bedeutung der Universalität zukommt, wie wichtig es
ist, daß die Kirche sich ins Ganze hinein öffnet und in der Universalität wirklich
eine Kirche wird. Das kann sie andererseits aber nur, wenn sie am Ort lebendig
ist. Dieses Miteinander muß in bewußter Nachfolge des Apostelkollegiums von den Bischöfen
gemeinsam mit dem Nachfolger Petri getragen werden. Wir alle müssen uns ständig bemühen,
in dieser Wechselbeziehung das rechte Gleichgewicht zu finden, so daß die Lokalkirche
ihre Authentizität lebt und zugleich die Universalkirche davon immer wieder empfängt,
damit beide geben und empfangen und so die eine Kirche des Herrn wächst. Bischof
Grab hat schon von den Mühsalen des Ökumenismus gesprochen; den brauche ich Ihnen
allen nur einfach ans Herz zu legen. In der Schweiz sind Sie ja tagtäglich mit dieser
Aufgabe konfrontiert, die uns mühsam ist, aber auch freut. Ich glaube, das Wichtige
sind zum einen die persönlichen Beziehungen, in denen wir uns als Glaubende unmittelbar
kennen und gegenseitig schätzen lernen und als spirituelle Menschen einander auch
reinigen und helfen. Zum anderen geht es, wie Bischof Grab schon gesagt hat, um das
Einstehen für die von Gott her kommenden, wesentlichen, tragenden Werte unserer Gesellschaft.
Da haben wir alle zusammen – Protestanten, Katholiken und Orthodoxe – eine große Aufgabe.
Und ich bin froh, daß das Bewußtsein dafür auch wächst. Im Osten ist es die Kirche
in Griechenland, die, obwohl sie sich mit den Lateinern gelegentlich schwertut, doch
immer deutlicher sagt: In Europa können wir unsere Aufgabe nur wahrnehmen, wenn wir
uns gemeinsam für das große christliche Erbe einsetzen. Auch die Kirche in Rußland
sieht dies immer mehr, und ebenso sind sich unsere protestantischen Freunde dessen
bewußt. Ich meine, wenn wir lernen, auf diesem Gebiet miteinander zu handeln, dann
können wir selbst da ein gutes Stück Einheit verwirklichen, wo die volle theologische,
sakramentale Einheit noch nicht möglich ist.
Abschließend möchte ich Ihnen
noch einmal meine Freude über Ihren Besuch ausdrücken und Ihnen in diesen Tagen viele
fruchtbare Gespräche wünschen. (rv 081106 mc)