Heute ist im Speyrer
Dom Paul Josef Nardini selig gesprochen worden. Nardini war Pfarrer und ist Gründer
der sogenannten Mallersdorfer Schwestern, einem franziskanischen Frauenorden. Erstmals
seit der Neuordnung der Seligsprechungen durch Papst Benedikt ist die liturgische
Handlung durch einen Kardinallegaten in der Heimat vollzogen worden. Der Erzbischof
von München Kardinal Wetter - er war zuvor Bischof in Speyer gewesen - war entsandt
worden, um der Pontifikalliturgie vorzustehen.
In seiner Predigt unterstrich
der Kardinal die Freude über diesen neuen Seligen, damit klopfe Gott an die Herzen
der Menschen an uns zeige ihnen, worauf es im Leben ankommt. Für Paul Josef Nardini
sei Gott das Zentrum seines Lebens gewesen, Gott, der Liebe ist. Ihm habe er sich
geöffnet, von ihm her habe er gedacht und gelebt.
Ein großer Tag für die deutsche
Kirche, besonders aber für die Kirche von Speyer. Wir haben mit dem Bischof gesprochen,
Anton Schlembach und ihn gefragt, wie er sich gefühlt hat, als er davon erfuhr, dass
Nardini im Speyrer Dom selig gesprochen werden soll`?
„Nun ich war auch
geradezu selig. Mich erfüllten Freude und Dankbarkeit, als ich im August vom Staatssekretariat
die Nachricht bekam, der Heilige Vater hat Ihre Bitte bezüglich Ort und Termin der
Seligsprechung Nardinis stattgegeben. Der Gedanke, dass unser fast 1000jähriger Dom
eine Seligsprechung erlebt, lässt ein erhabenes und erhebendes Gefühl aufkommen.“
Wer
ist für sie der neue Selige?
„Paul Josef Nardini: Ein großartiger Mensch,
dessen Leben die Handschrift Gottes trägt. Ein vorbildlicher Diözesanpriester, ein
begnadeter Pfarrer, ein leidenschaftlicher Seelsorger, der in zwei Pfarreien eine
große geistliche Erneuerung durchgeführt hat. Durch seine Schwesternschaft kam unendlich
viel geistlicher und sozialer Segen in die Kirche und in die Welt hinein. Seit Jahren
habe ich mir Nardini zum persönlichen Freund gemacht.“
Was bedeutet diese
Seligsprechungen für die Menschen heute?
„Ich erhoffe mir, dass von dieser
Seligsprechung nicht nur Ermutigung ausgeht, sondern dass diese Seligsprechung auch
Folgen hat, dass die Pfarreien mit Blick auf Paul Josef Nardini wieder Freude bekommen
am Pfarreileben, und dass sie am Beispiel von Paul Josef Nardini auch ablesen können,
wie man eine Pfarrei, die sehr vernachlässigt war und wo das kirchliche Leben am Boden
war, wie man eine solche Pfarrei erneuern kann und geradezu zu einer blühenden Gemeinde
machen kann.“
(rv 221006 mc)
Lesen
Sie hier die Predigt von Kardinal Wetter
Predigt des Erzbischofs von München
und Freising, Kardinal Friedrich Wetter bei der Eucharistiefeier und Seligsprechungdes
Dieners Gottes Paul Josef Nardini am 22. Oktober 2006, 14,30 Uhr, im Dom zu Speyer
„Was
ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan. … Was
ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht
getan“ (Mt 25,40.45). Dieses Wort Jesu hat Paul Josef Nardini tief getroffen.
Bischof Nikolaus von Weis hatte den 30-jährigen nach Pirmasens in eine sehr schwierige
Diasporapfarrei geschickt, in ein Gebiet großer sozialer Nöte. Die materielle
und seelische Not seiner Pfarrkinder ließ ihn nicht ruhen. Er spürte: In den Armen
klopft Jesus selbst an mein Herz.
Als er zehn Jahre später abgearbeitet
und entkräftet 40-jährig starb, hinterließ er eine blühende Pfarrei, viel Not
war gelindert oder beseitigt. Dazu hatte er eine Schwesterngemeinschaft ins Leben
gerufen, die das Feuer der Liebe weiter trug. Schon zu Lebzeiten nannte man ihn
„Vater der Armen“.
Paul Josef Nardini war ein Geschenk für die Menschen;
er ist es auch für uns heute. Das Bistum Speyer freut sich über seinen ersten
Seligen. Besonders die Pfarrer freuen sich, dass einer von ihnen zur Ehre der
Altäre erhoben wurde. Und die Mallersdorfer Schwestern sind stolz, dass sie
ihren Stifter nun als Seligen der Kirche verehren dürfen. Ja, wir alle spüren,
dass Gott mit dem Geschenk des neuen Seligen an unsere Herzen klopft und uns zeigt,
worauf es in unserem Leben ankommt.
Eine Schwester, die eines Abends vor
Müdigkeit in der Kapelle eingeschlafen und versehentlich eingeschlossen worden
war, berichtet: „Eines Nachts, als alle im Hause längst schliefen, ging Nardini
in die Sakristei, zog Chorrock und Stola an, schloss die Kapelle auf, schritt
zum Altar, zündete die Kerzen an und öffnete den Tabernakel.
Dann warf
er sich vor dem Tabernakel auf die Knie, breitete die Arme aus und betete mit
lauter Stimme: ‚Mein Heiland, nimm mein Leben, nur schone meine kleine Herde.’
Immer wieder, immer inniger betete er so; lange verharrte er vor dem Tabernakel.“
Dieses
nächtliche Ereignis lässt uns in sein Innerstes schauen. Nardini hatte die Gesinnung
Jesu, des guten Hirten, der sein Leben hingibt für die Schafe (vgl. Joh 10,11).
Er nannte Jesus Christus einmal „Brennpunkt meines Herzens; es mag mich anziehen,
was da will, von ihm soll es mich nicht ablenken.“
Das Geheimnis der
Eucharistie nahm in seinem persönlichen Leben wie in seiner Seelsorge den ersten
Platz ein. Er legte großen Wert auf die würdige Feier der hl. Messe, führte die
Gläubigen zur eucharistischen Anbetung und holte sich bei Jesus Weisung und Kraft
für seinen aufopferungsvollen Dienst.
Paul Josef Nardini hat anschaulich
vorgelebt, was der Hl. Vater uns Priestern in seiner Freisinger Predigt ans Herz
gelegt hat: „Wir sollen die Gesinnung Jesu Christi haben.“ Der Papst sagt uns
auch, was es um die Gesinnung Jesu ist: „sich gedrängt fühlen, zu den Menschen
das Licht des Vaters zu bringen, ihnen zu helfen, damit Reich Gottes aus ihnen
und in ihnen werde. Und die Gesinnung Jesu Christi ist es zugleich, dass er immer
zutiefst in der Gemeinschaft mit dem Vater verwurzelt, in sie eingesenkt ist.“
Wir
sollen uns in die Gemeinschaft mit Jesus und mit dem Vater einsenken, Gott ganz
nahe sein. Dann geht uns auf, welchen Schatz uns Jesus anvertraut hat. Dann drängt
es uns auch, zu den Menschen zu gehen, ihnen das Evangelium zu verkünden und ihnen
Gottes Liebe zu bringen.
Paul Josef Nardini hat uns das vorgelebt und dabei
gezeigt, welche Kraft ihm aus der tiefen Freundschaft mit Jesus erwuchs, die er
brauchte, um mit der Überlast der Arbeit fertig zu werden. Er war nicht nur Pfarrer
einer großen Diasporagemeinde, er war auch Dekan, Novizenmeister, Spiritual
und Beichtvater seiner Schwestern; er war Schulinspektor, Leiter des Kinderheimes
und Helfer in allen Nöten.
Trotzdem ist er nie ausgebrannt. Burnout kannte
er nicht. Denn in ihm brannte das Feuer der Liebe Jesu.
In seiner Not
schilderte Nardini einmal seinem Bischof einen Tagesablauf und notiert am Schluss:
„So habe ich oft Tage, wo mir die Wogen der Arbeiten sozusagen über dem Haupt
zusammenschlagen.“ Doch er ist nie untergegangen. Die Freundschaft mit Jesus hat
ihn über Wasser gehalten, ihm gleichsam ein neues spezifisches Gewicht verliehen,
dass er nicht untergehen konnte.
Liebe Mitbrüder im priesterlichen
Amt! Jesus ließ nicht nur den Petrus über die Wogen gehen. Er lässt auch Euch
nicht untergehen. An unserem Seligen macht er das sichtbar. Paul Josef Nardini
ist Euch ein Zeichen der Kraft und der Hoffnung.
Haben wir darum den
Mut, uns wie unser seliger Mitbruder in die Gesinnung und so in die Liebe Jesu
hineinzuversenken. Das macht uns froh in unserem Dienst und gibt uns Kraft, Boten
seiner siegreichen, heilenden Liebe zu sein, die die Welt verwandelt und auf die
die Menschen warten.
Nardini konnte die vielen Aufgaben allein nicht
meistern. Um dem großen sozialen Elend abzuhelfen, gründete er eine Schwesterngemeinschaft.
Den klaren Entschluss dazu schenkte ihm Jesus beim Gebet an der Krippe, Weihnachten
1854. Im Frühjahr 1855 begann er mit zwei Schwestern. Als er sieben Jahre später
starb, waren es 220 Schwestern.
Enttäuschungen und Anfeindungen musste
Nardini erleben. Die Schwestern lebten selbst in bitterer Armut. Doch in der Armut
seiner Gründung sah er ein sicheres Zeichen der Erwählung durch Gott. Noch heute
trägt seine Gemeinschaft, bekannt als Mallersdorfer Schwestern, den Namen: „Arme
Franziskanerinnen von der Heiligen Familie“.
Die jungen Frauen, die
sich der Gemeinschaft anschlossen, wussten sich geleitet von der Liebe Christi
„Caritas Christi urget nos – Die Liebe Christi drängt uns“ lautet der Leitspruch
der Schwestern. Sie hatten einen lebendigen Glauben, der seine Lebenskraft in
Werken der Liebe erweist. „Der Glaube allein ist tot, wenn er nicht Werke vorzuweisen
hat“ (Jak 2,17).
Liebe Mallersdorfer Schwestern, lassen sie das Charisma
des Ursprungs, das Charisma Ihres Stifters, immer neu aufleben. Gehen Sie mit
dem Mut der ersten Schwestern die materielle wie geistliche Not unserer Tage an,
und schenken Sie mit mütterlichem Herzen Christi Liebe weiter. Vater Nardini
hat Ihre Gemeinschaft unter den Schutz der Hl. Familie gestellt. Bilden Sie selbst,
wie er es Ihnen aufgetragen hat, eine heilige Familie, und tragen Sie durch Ihren
Dienst an den Armen, Kranken und Kindern bei zur Heilung und Heiligung unserer
Familien heute.
Liebe Schwestern und Brüder, eindringlich rief uns der
Hl. Vater bei seinem Besuch in München auf, Gott wieder als die Mitte unseres
Lebens, ja der ganzen Wirklichkeit wahrzunehmen. In unserer säkularisierten Gesellschaft
leiden wir unter Schwerhörigkeit, Gottes Stimme zu vernehmen. „Mit der Schwerhörigkeit
oder gar Taubheit Gott gegenüber verliert sich natürlich auch unsere Fähigkeit,
mit ihm und zu ihm zu sprechen.“
„Die Welt braucht Gott. Wir brauchen
Gott“, sagte Papst Benedikt, schloss aber gleich die Frage an: „Welchen Gott brauchen
wir?“
Den Gott, der in Jesus Christus Mensch geworden ist. In ihm zeigt
er uns sein menschliches Gesicht; da sehen wir, wer er ist, wie er denkt, wie
er handelt, wie er liebt. Am Kreuz hat er uns seine heilende Güte gezeigt,
sein Nein zur Gewalt, seine Liebe bis ans Ende. „Diesen Gott brauchen wir“, sagte
der Papst. Wir brauchen ihn, weil er „das Zentrum der Wirklichkeit und das Zentrum
unseres eigenen Lebens“ ist.
Der selige Paul Josef Nardini hat uns das
eindringlich vorgelebt. Ja, Gott rüttelt uns durch unseren neuen Seligen wach,
dass wir hellhörig werden für Gott, von ihm her denken und leben, dass „sein Wille
unseren Willen bestimme und so Gott in der Welt herrsche; dass Recht und Liebe
entscheidend werden in der Ordnung der Welt“ (Papst Benedikt).
Für
Paul Josef Nardini war Gott das Zentrum seines Lebens, Gott, der Liebe ist. Ihm
hat er sich geöffnet, von ihm her hat er gedacht und gelebt. So konnte er mit
brennendem Herzen Gottes Liebe weiterschenken. Öffnen auch wir uns für Gott, dass
auch unsere Herzen brennen und wir wie er Gottes heilende Güte weiterschenken,
auf dass alle in Gottes Licht und Liebe leben.