Buchbesprechung: Galilei Galilei, ein Mythos wird gestürzt
Was wissen wir über Galileo Galilei?
Abgefallen vom Glauben, der angeblichen
Irrlehre bezichtigt, die Erde würde um die Sonne kreisen und nicht umgekehrt, vor
die Inquisition gestellt und wohl gefoltert, vom Papst zum Tod verurteilt, hingerichtet?
Tatsache ist: rund um die Gestalt des genialen Astronomen Galilei Galilei gibt
es eine Menge hartnäckig sich haltender Fehlinformationen. Zwar haben Historiker den
Fall längst aufgearbeitet, doch ihre Ergebnisse sind nicht so recht ins Bewusstsein
auch gebildeter Bürger gesickert. Eine Neuerscheinung von Ingo Langner in Zusammenarbeit
mit dem vatikanischen Chef-Historiker Walter Brandmüller versucht, die Wahrheit im
Fall Galilei für ein großes Publikum nachzuzeichnen. Das Buch enthält ein Gespräch
zwischen dem Interviewer und dem Fachmann und kreist systematisch um die Fehlinformationen
rund um die Persönlichkeit, das Werk und den Inquisitions-Prozess Galileo Galileis,
der „im Bewusstsein unserer Zeit eine der Hauptsünden der römisch-katholischen Kirche
ist“, wie Langner eingangs feststellt.
Punkt eins: Galilei war keineswegs
der erste, der feststellte, dass die Erde um die Sonne kreist. Das tat 70 Jahre vor
ihm schon Kopernikus. Nicht nur, dass die Kirche damit kein Problem hatte. Sie nutzte
Kopernikus sogar für ihre Kalenderreform. Allerdings forderte nun Galilei von der
Kirche, sie müsse ihre Interpretation der heiligen Schrift ändern – und rief damit
die Inquisition auf den Plan. Punkt zwei: Die Päpste und maßgebliche Kardinäle
schätzten Galilei. Urban VIII., den sein Interesse für die Astronomie mit dem angesehenen
Forscher verband, lud Galilei in einem einzigen Jahr sechs Mal zur Audienz, versicherte
ihn seines Wohlwollens und gewährte ihm eine päpstliche Pension, obwohl der Wissenschaftler
es mittlerweile mit der Zensur zu tun hatte.
Punkt drei: Galilei landete keineswegs
in den Verliesen des Vatikans. Als die päpstliche Kontrollinstanz den streitbaren
Forscher nach Rom zitiert, wohnt er zunächst in der Villa Medici beim florentinischen
Gesandten. Das Verhör muss man sich laut Brandmüller als Vier-Augen-Gespräch im Salon
vorstellen, keine Rede von Folter. Der Richtspruch der Inquisition verurteilt den
Astronomen 1633 zwar zu lebenslangem Kerker, allerdings war damit eine Art Hausarrest
gemeint. Galilei lebte bis zu seinem Tod in seiner Villa bei Florenz und schrieb in
jener Zeit sein Hauptwerk.
Diese und viele andere Punkte des „Galilei-Mythos“
bereitet das Buch geradezu genussvoll auf. Man kann es förmlich spüren, das Vergnügen
am gelehrten Dialog, den Ingo Langner und Walter Brandmüller hier pflegten. Zwei polemische
Geister, gewiss, doch sie ziehen am selben Strang. So wird „Der Fall Galilei und andere
Irrtümer“ ein Buch, das man mit Genuss und Gewinn liest.
Walter Brandmüller
/ Ingo Langner: Der Fall Galilei und andere Irrtümer. Macht, Glaube und Wissenschaft.
Das Buch ist im Sankt Ulrich Verlag erschienen und kostet 16,90. (rv 21.10.06
gs)