2006-10-21 13:28:18

Buchbesprechung: Galilei Galilei, ein Mythos wird gestürzt


Was wissen wir über Galileo Galilei?

Abgefallen vom Glauben, der angeblichen Irrlehre bezichtigt, die Erde würde um die Sonne kreisen und nicht umgekehrt, vor die Inquisition gestellt und wohl gefoltert, vom Papst zum Tod verurteilt, hingerichtet?
Tatsache ist: rund um die Gestalt des genialen Astronomen Galilei Galilei gibt es eine Menge hartnäckig sich haltender Fehlinformationen. Zwar haben Historiker den Fall längst aufgearbeitet, doch ihre Ergebnisse sind nicht so recht ins Bewusstsein auch gebildeter Bürger gesickert. Eine Neuerscheinung von Ingo Langner in Zusammenarbeit mit dem vatikanischen Chef-Historiker Walter Brandmüller versucht, die Wahrheit im Fall Galilei für ein großes Publikum nachzuzeichnen. Das Buch enthält ein Gespräch zwischen dem Interviewer und dem Fachmann und kreist systematisch um die Fehlinformationen rund um die Persönlichkeit, das Werk und den Inquisitions-Prozess Galileo Galileis, der „im Bewusstsein unserer Zeit eine der Hauptsünden der römisch-katholischen Kirche ist“, wie Langner eingangs feststellt.

Punkt eins: Galilei war keineswegs der erste, der feststellte, dass die Erde um die Sonne kreist. Das tat 70 Jahre vor ihm schon Kopernikus. Nicht nur, dass die Kirche damit kein Problem hatte. Sie nutzte Kopernikus sogar für ihre Kalenderreform. Allerdings forderte nun Galilei von der Kirche, sie müsse ihre Interpretation der heiligen Schrift ändern – und rief damit die Inquisition auf den Plan.
Punkt zwei: Die Päpste und maßgebliche Kardinäle schätzten Galilei. Urban VIII., den sein Interesse für die Astronomie mit dem angesehenen Forscher verband, lud Galilei in einem einzigen Jahr sechs Mal zur Audienz, versicherte ihn seines Wohlwollens und gewährte ihm eine päpstliche Pension, obwohl der Wissenschaftler es mittlerweile mit der Zensur zu tun hatte.

Punkt drei: Galilei landete keineswegs in den Verliesen des Vatikans. Als die päpstliche Kontrollinstanz den streitbaren Forscher nach Rom zitiert, wohnt er zunächst in der Villa Medici beim florentinischen Gesandten. Das Verhör muss man sich laut Brandmüller als Vier-Augen-Gespräch im Salon vorstellen, keine Rede von Folter. Der Richtspruch der Inquisition verurteilt den Astronomen 1633 zwar zu lebenslangem Kerker, allerdings war damit eine Art Hausarrest gemeint. Galilei lebte bis zu seinem Tod in seiner Villa bei Florenz und schrieb in jener Zeit sein Hauptwerk.

Diese und viele andere Punkte des „Galilei-Mythos“ bereitet das Buch geradezu genussvoll auf. Man kann es förmlich spüren, das Vergnügen am gelehrten Dialog, den Ingo Langner und Walter Brandmüller hier pflegten. Zwei polemische Geister, gewiss, doch sie ziehen am selben Strang. So wird „Der Fall Galilei und andere Irrtümer“ ein Buch, das man mit Genuss und Gewinn liest.

Walter Brandmüller / Ingo Langner: Der Fall Galilei und andere Irrtümer. Macht, Glaube und Wissenschaft. Das Buch ist im Sankt Ulrich Verlag erschienen und kostet 16,90.
(rv 21.10.06 gs)









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