2006-10-11 11:02:58

Türkei: Wenn der Papst nach Izmir kommt...


Vor der Reise Papst Benedikts in die Türkei haben sich Mitarbeiter des internationalen katholischen Hilfswerks „Kirche in Not“ ein Bild von der Lage der Christen und dem Zustand vieler geschichtlich bedeutsamer Orte der Christenheit in diesem Land gemacht. Prof. Rudolf Grulich, Kirchengeschichtler an der Universität Gießen und Berater von Kirche in Not Deutschland, für Türkeifragen schildert seine Eindrücke beim Besuch des Hauses, in dem Maria nach dem Kreuzestod Jesu mit dem Apostel Johannes gelebt haben soll.
"Wenn der Papst Ende November die Türkei besucht, wird er auch nach Ephesus zum Haus Mariens pilgern. Seit dem Jahr 1950 ist es Dogma der Katholischen Kirche, dass Maria leiblich in den Himmel aufgenommen wurde. Wo aber die Gottesmutter ihre Lebenstage nach dem Kreuzestod ihres Sohnes verbrachte, wissen wir nicht sicher. Schon der hl. Bischof Epiphanios, der selber lange Jahre in Palästina verbrachte, konnte um das Jahr 400 nur schreiben: „Ist sie gestorben? Wir wissen es nicht ... Niemand kennt ihr Ende.“ Die fromme Überlieferung nannte Jerusalem als Sterbeort Mariens. In der Sionskirche wurde ihr Heimgang verehrt und das Fest Mariä Heimgang oder Mariä Entschlafung zum ersten Mal gefeiert. Die in der Kreuzfahrerzeit mehrfach völlig zerstörte Kirche wurde erst wieder aufgebaut, als sich Kaiser Wilhelm II. 1898 diesen Platz von Sultan Abdul Hamid schenken ließ und ihn dann den deutschen Katholiken übergab. Im Beisein von über siebentausend deutschen Pilgern, darunter zwei Prinzen von Bayern, wurde die neu erbaute Kirche eingeweiht.Im 12. Jahrhundert aber wird im Westen zum ersten Mal das kleinasiatische Ephesus als Sterbeort Mariens erwähnt. Patriarch Michael der Syrer vertritt diese Ansicht, da in den verstümmelt erhaltenen Konzilstexten von Ephesus aus dem Jahre 431 vom Theologen Johannes und der jungfräulichen Gottesmutter die Rede ist. Erst im 19. Jahrhundert berichtet wieder die 2004 selig gesprochene deutsche Seherin Anna Katharina Emmerich in ihren von Clemens von Brentano niedergeschriebenen Visionen, Maria habe in Ephesus gelebt und sei hier gestorben. Französische Lazaristenpatres haben lange nach dem Tode der Seherin an Ort und Stelle gesucht und 1891 ein Haus und ein Kirchlein ausgegraben, dessen Fundamente auf das erste Jahrhundert nach Christus zurückgehen.
Heute sind die Ruinen der alten Stadt Ephesus Ziel vieler Türkeireisender. Österreichische Archäologen haben die untergegangene Stadt freigelegt, deren Theater und Bibliotheken, Säulengänge und Tempel beeindrucken. Der hl. Paulus hat hier gepredigt und den Zorn der Silberschmiede erregt, die Angst um den Verkauf ihrer heidnischen Souvenirs hatten. Aber es sind nur wenige Besucher, die auch zum 420 Meter hohen Ala Dagh fahren, wo sich das Heiligtum Meryemana befindet, was auf türkisch „Mutter Maria“ bedeutet. Hier steht das restaurierte Haus, das die Lazaristen vor über hundert Jahren auf Grund der Angaben der stigmatisierten Nonne und Seherin aus Dülmen in Westfalen fanden. Eine gute Autostraße windet sich in Serpentinen den Berg hoch und führt zu dem bescheidenen Wallfahrtsort. Ein schmuckloses einfaches Gebäude unter Bäumen ist alles, was zu sehen ist. Schmucklos und einfach ist auch das Innere. Eine Marienstatue auf dem Altar erinnert an die Gottesmutter, die hier ihre letzten irdischen Tage verbrachte, ehe sie ihr göttlicher Sohn heimholte in sein himmlisches Reich.Papst Benedikt wird im Haus Mariens auch an seine bayerische Heimat erinnert werden, denn seit einigen Jahren hängt eine Ikone links vom Altar, die auf Gebetsbildchen in über einem Dutzend Sprachen von den Pilgern als Andenken mitgenommen wird. Nur wenige wissen, dass eine Benediktinerin von Frauenchiemsee, die 2004 verstorbene Schwester Ampelia, dieses Bild malte. Schwester Ampelia war eine Sudetendeutsche aus dem Egerland.
Es kommen leider viel zu wenige Touristen in das Heiligtum bei Ephesus, und nicht alle sind Wallfahrer. Seit im Jahre 1922 das Christenviertel in Izmir bei der Eroberung durch die Türken im Griechisch-Türkischen Krieg in Schutt und Asche sank und das kleinasiatische Christentum durch den griechisch-türkischen Bevölkerungsaustausch fast unterging, gibt es kaum mehr einheimische Christen in der Umgebung von Izmir, der über drei Millionen Einwohner zählenden drittgrößten Stadt der Türkei. Unter dem Namen Smyrna war die Stadt seit dem Altertum bekannt. Französische Schwestern betreuen das kleine Heiligtum des Hauses Mariens, zu dem auch Musliminnen aus der Umgebung kommen, um „Meryemana“ um Hilfe in verschiedenen Nöten zu bitten. Ein türkischer Soldat kommt bei der Kirche mit uns ins Gespräch. Er spricht reines, klares grammatikalisch einwandfreies Deutsch. Wir staunen. „Ich habe die österreichische St.-Georgs-Schule in Istanbul besucht“, erklärt er uns. Wir wundern uns, dass auch Muslime hier wallfahren und an der heiligen Quelle neben der Kapelle Wasser trinken. Der Koran spricht voll Ehrfurcht von Maria, erzählt uns der junge Türke. Auch für den Muslim ist sie begnadet und ohne Sünde von Anfang an. „Sie glaubte an die Worte ihres Herrn und an seine Schriften und sie war eine von den Demütigen, die sich Gott ganz ergeben“, heißt es im Koran. Das Konzilsdekret des Zweiten Vatikanums über die nichtchristlichen Religionen betont ebenfalls die Marienverehrung der Muslime.
In der Stille und Armut des kleinen Heiligtums wird uns der Untergang des kleinasiatischen Christentums ganz deutlich bewusst. Im Jahre 431 war Ephesus glänzender Tagungsort des Dritten Ökumenischen Konzils, auf dem die Irrlehre des Nestorius verdammt und der Muttergottes der alte Ehrentitel Gottesgebärerin feierlich von der Kirche bestätigt wurde. Ephesus war damals eine der größten Städte des Römischen Reiches. Die Johannesbasilika war die größte Kirche der alten Christenheit. Aber der Hafen der Stadt versandete, Seldschuken, Mongolen und Osmanen brachten der glänzenden Metropole den Untergang, der schon in der Geheimen Offenbarung angekündigt ist: „Bedenke, von welcher Höhe du gefallen bist. Ich werde über dich kommen und den Leuchter von der Stelle rücken." Lässt sich der Leuchter wieder an seinen Platz rücken? Ist Kleinasien der Christenheit für immer verloren?"
(Quelle: kirche in not pm 11.10.06 sk)








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