Angela Merkel ist
vergangene Woche zu einem zweitägigen Antrittsbesuch in die Türkei gefahren. Keine
ganz einfache Reise, denn die EU-Beitrittsverhandlungen sind ins Stocken geraten:
Immer noch gibt es Probleme mit Zypern oder den fehlenden Rechte religiöser Minderheiten.
Wir haben den katholischen Bischof von Anatolien, Bischof Luigi Padovese, telefonisch
erreicht und ihn gefragt, was diese Reise der Kanzlerin für die Christen in der Türkei
bedeutet: Es ist ein Zeichen, dass Deutschland auch der Türkei helfen kann,
eine größere Freiheit und Anerkennung der Minderheiten zu erreichen. Das große Problem
ist: Wenn die Türkei nicht bereit ist, einen Schritt in diese Richtung zu machen,
dann wird die Aufnahme der Türkei in Europa ein großes Problem! Angela Merkel
ist ja gegen eine Vollmitgliedschaft der Türkei, sondern für eine „privilegierte“
Angliederung, während die katholischen Bischöfe in der Türkei sich für eine solche
Mitgliedschaft aussprechen. Wie sehen sie das? Angela Merkel hat auch vor kurzer
Zeit mit dem Papst gesprochen. Ich glaube, sie möchte deutlich machen, dass Europa
eine pluralistische Gesellschaft ist, wo auch Muslime einen Platz finden können. Aber
gleichzeitig sollen auch die anderen – ich meine damit die Christen - die gleichen
Rechte in ihren eigenen Ländern erhalten, in diesem Fall auch in der Türkei. Mit
Blick auf den Papstbesuch im November: Was glauben sie, was ist Sinn dieser Pastoralreise? Ich
sehe in dieser Reise drei Zwecke. Erstens die katholische Gemeinden der Türkei zu
beleben, zu orientieren und sie zu unterstützen. Sie wissen, wir haben in diesen letzten
Monaten viele Probleme gehabt, angefangen vom Mord an Pfarrer Santoro. Und danach
gab es noch Drohungen, Priester sind geschlagen worden, ich bin fast überfahren worden:
Also eine schwierige Situation. Der Sinn dieses Besuchs ist, unsere katholischen Gemeinden
zu unterstützen. Und die Ökumene? Der Papst hat schon am Anfang seines
Pontifikats ein großes Interesse für die Ökumene gezeigt. Und gerade dese Reise soll
auch die Beziehungen zur orthodoxen Kirche, zur armenischen und zur syrischen Kirche
beleben. Nach der Regensburgrede des Papstes ist ja die Erwartungshaltung
da ja auch sehr groß. Wird der Papst etwas dazu sagen? Ich glaube, der Papst
wird auch deutlich etwas sagen über die Position der katholischen Kirche, was den
Dialog mit Christen und Muslime betrifft. Wenn der Papst in Europa spricht
oder in Rom, wird ein Teil der türkischen Presse benutzen, um Polemikenzu verstärken.
Aber ich glaube, in der Türkei wird das nicht möglich sein. Seine Rede wird auch vom
Fernsehen übertragen, und so kann man direkt hören, was er wirklich meint. In diesem
Sinne sehe ich, dass diese Türkeireise eine gute Gelegenheit ist, um die Haltung des
Papstes und der katholischen Kirche klar zu machen. (rv 081006 mc)