2006-10-06 09:35:59

Österreich: Interview mit Bundespräsident Fischer


RealAudioMP3 Herr Bundespräsident, Sie haben gestern Papst Benedikt XVI. im Vatikan einen Besuch abgestattet. Welchen Eindruck nehmen Sie mit nach Wien von diesem Treffen, hat Sie etwas besonders bewegt und welche Themen standen im Mittelpunkt Ihres Gesprächs?

"Es war für mich ein großer Eindruck, nämlich der Eindruck eines sehr offenen, interessanten Gespräches zu wichtigen Themen. Besonders beeindruckt hat mich das Bekenntnis des Papstes zum Prinzip des Dialoges und der Bereitschaft, sich intellektuell auseinander zu setzen, aber ebenso das klare Bekenntnis gegen Krieg, gegen Gewalt, gegen Fremdenfeindlichkeit. Und die gute Atmosphäre, die von der ersten Minute dieses 40minütigen Gespräches an bestanden hat. Natürlich substantiell war wichtig, dass der Papst mir gesagt hat, dass ihn die Einladung der österreichischen Bischofskonferenz zu einem Besuch in Österreich und insbesondere in Mariazell im nächsten September sehr gefreut hat und dass er sie annehmen möchte. Ein ganz offizielles Statement des Vatikan steht noch aus, aber ich zweifle nicht daran, dass dieser Besuch zustande kommen wird. Und schließlich auch das große freundschaftliche Interesse, das der Papst für Österreich zum Ausdruck gebracht hat."

… Es handelte sich um Ihre zweite Begegnung mit Papst Benedikt XVI. Sie hatten im April des vergangenen Jahres an der Amtseinführung des Hl.Vaters teilgenommen. Seit Bestehen der Zweiten Republik hat es vergleichsweise wenige offizielle Besuche österreichischer Staatsoberhäupter beim Heiligen Stuhl gegeben ­ 1971 stattete Franz Jonas und 1987 Kurt Waldheim ­ auf dem Höhepunkt der internationalen Diskussion um ihn ­ einen offiziellen Besuch beim Papst ab. Der Papst ­ Papst Johannes Paul II. ­ besuchte Österreich drei Mal. Und Papst Benedikt wird nächstes Jahr in Ihr Land kommen. Gibt es Gründe dafür, dass beinahe 20 Jahre lang kein offizieller Staatsbesuch von Seiten Österreichs im Vatikan stattgefunden hat?

"Ich glaube, ein Besuch im Vatikan ­ ein offizieller Staatsbesuch ­ ist nun einmal ein seltenes Ereignis. Der Terminkalender eines Papstes ist sicher randvoll. Ich kann Ihnen sogar sagen, dass Papst Benedikt im Gespräch zum Ausdruck gebracht hat, wie groß die Bürde der Verantwortung, der Verpflichtung und der Termine ist, die ein Papst zu tragen hat. Und dann bitte ich Sie zu berücksichtigen, dass es ja nicht nur offizielle Staatsbesuche gibt, sondern auch andere Besuchsformen. Nicht jeder Besuch wird als Staatsbesuch gestaltet. Drittens darf ich darauf hinweisen, dass es auch sonstige Besuche auf anderen Ebenen, etwa des Bundeskanzlers, von einzelnen Landeshauptleuten, von Parlamentspräsidenten im Vatikan gegeben hat. Sodass man sagen kann, die Zahl der Besuche österreichischer Politiker ist doch beträchtlich. Aber formale Staatsbesuche finden nur relativ selten statt. Das ist richtig."

… In Österreich fanden am vergangenen Wochenende Parlamentswahlen statt. Der Wahlkampf wurde mit teils heftigen Worten und harten Argumenten geführt. Ausländer-, Zuwanderer-und Islamfeindlichkeit standen im Vordergrund der politischen Debatten. Welchen Apell werden Sie an die künftigen Regierungsparteien richten?

"Also es werden jetzt Verhandlungen über die Bildung einer Regierung stattfinden und man kann daher noch nicht mit Sicherheit sagen, wer die künftigen Regierungsparteien sein werden. Aber ich wünsche mir Verhandlungen, die ein gutes, dem Interesse des Landes dienendes Ergebnis, das heißt eine stabile Regierung bringen. Man wird von jeder Regierung, wie immer sie zusammengesetzt ist, verlangen und an sie appellieren, dass Fairness praktiziert wird, dass Verantwortungsbewußtsein vorhanden ist und dass man die Interessen des Staates und der Republik über die Interessen einzelner Parteien stellt. Das kann unserem Land nur gut tun, wenn eine solche Bitte, ein solcher Appell auch Gehör und Berücksichtigung findet."

… Herr Bundespräsident, "Politik braucht ein Gewissen". Dieser Slogan stammt von Ihnen. Würden Sie den Hörerinnen und Hörern von Radio Vatikan kurz erläutern, was Sie unter diesem Motto genau verstehen?

"Ich habe mich immer beschäftigt, eigentlich seit meiner Studentenzeit ­ nach der Lektüre von Sartre und Camus und Arthur Köstler und anderen - mit dem Phänomen, dass in der Politik allzu häufig der Grundsatz herrscht: Der Zweck heiligt die Mittel. Ich glaube, dass das immer wieder in die Sackgasse geführt hat. Ich bin der Meinung, dass man diesem Grundsatz ­ wonach der Zweck die Mittel heiligt ­ eine Absage erteilen muss, und dass Politik mit Verantwortungsbewußtsein, mit Gewissenhaftigkeit und auf der Grundlage bestimmter Grundwerte und Grundrechte praktiziert werden muss. Ich will da jetzt nicht moralisieren, aber ich glaube, dass das notwendig ist. Und das habe ich mit dem Slogan "Politik braucht ein Gewissen" zum Ausdruck bringen wollen und ich hoffe, dass es auch richtig verstanden wurde."

Aldo Parmeggiani, Rom








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