Herr Bundespräsident,
Sie haben gestern Papst Benedikt XVI. im Vatikan einen Besuch abgestattet. Welchen
Eindruck nehmen Sie mit nach Wien von diesem Treffen, hat Sie etwas besonders bewegt
und welche Themen standen im Mittelpunkt Ihres Gesprächs?
"Es war für mich
ein großer Eindruck, nämlich der Eindruck eines sehr offenen, interessanten Gespräches
zu wichtigen Themen. Besonders beeindruckt hat mich das Bekenntnis des Papstes zum
Prinzip des Dialoges und der Bereitschaft, sich intellektuell auseinander zu setzen,
aber ebenso das klare Bekenntnis gegen Krieg, gegen Gewalt, gegen Fremdenfeindlichkeit.
Und die gute Atmosphäre, die von der ersten Minute dieses 40minütigen Gespräches an
bestanden hat. Natürlich substantiell war wichtig, dass der Papst mir gesagt hat,
dass ihn die Einladung der österreichischen Bischofskonferenz zu einem Besuch in Österreich
und insbesondere in Mariazell im nächsten September sehr gefreut hat und dass er sie
annehmen möchte. Ein ganz offizielles Statement des Vatikan steht noch aus, aber ich
zweifle nicht daran, dass dieser Besuch zustande kommen wird. Und schließlich auch
das große freundschaftliche Interesse, das der Papst für Österreich zum Ausdruck gebracht
hat."
… Es handelte sich um Ihre zweite Begegnung mit Papst Benedikt XVI.
Sie hatten im April des vergangenen Jahres an der Amtseinführung des Hl.Vaters teilgenommen.
Seit Bestehen der Zweiten Republik hat es vergleichsweise wenige offizielle Besuche
österreichischer Staatsoberhäupter beim Heiligen Stuhl gegeben 1971 stattete Franz
Jonas und 1987 Kurt Waldheim auf dem Höhepunkt der internationalen Diskussion um
ihn einen offiziellen Besuch beim Papst ab. Der Papst Papst Johannes Paul II.
besuchte Österreich drei Mal. Und Papst Benedikt wird nächstes Jahr in Ihr Land
kommen. Gibt es Gründe dafür, dass beinahe 20 Jahre lang kein offizieller Staatsbesuch
von Seiten Österreichs im Vatikan stattgefunden hat?
"Ich glaube, ein Besuch
im Vatikan ein offizieller Staatsbesuch ist nun einmal ein seltenes Ereignis.
Der Terminkalender eines Papstes ist sicher randvoll. Ich kann Ihnen sogar sagen,
dass Papst Benedikt im Gespräch zum Ausdruck gebracht hat, wie groß die Bürde der
Verantwortung, der Verpflichtung und der Termine ist, die ein Papst zu tragen hat.
Und dann bitte ich Sie zu berücksichtigen, dass es ja nicht nur offizielle Staatsbesuche
gibt, sondern auch andere Besuchsformen. Nicht jeder Besuch wird als Staatsbesuch
gestaltet. Drittens darf ich darauf hinweisen, dass es auch sonstige Besuche auf anderen
Ebenen, etwa des Bundeskanzlers, von einzelnen Landeshauptleuten, von Parlamentspräsidenten
im Vatikan gegeben hat. Sodass man sagen kann, die Zahl der Besuche österreichischer
Politiker ist doch beträchtlich. Aber formale Staatsbesuche finden nur relativ selten
statt. Das ist richtig."
… In Österreich fanden am vergangenen Wochenende
Parlamentswahlen statt. Der Wahlkampf wurde mit teils heftigen Worten und harten Argumenten
geführt. Ausländer-, Zuwanderer-und Islamfeindlichkeit standen im Vordergrund der
politischen Debatten. Welchen Apell werden Sie an die künftigen Regierungsparteien
richten?
"Also es werden jetzt Verhandlungen über die Bildung einer Regierung
stattfinden und man kann daher noch nicht mit Sicherheit sagen, wer die künftigen
Regierungsparteien sein werden. Aber ich wünsche mir Verhandlungen, die ein gutes,
dem Interesse des Landes dienendes Ergebnis, das heißt eine stabile Regierung bringen.
Man wird von jeder Regierung, wie immer sie zusammengesetzt ist, verlangen und an
sie appellieren, dass Fairness praktiziert wird, dass Verantwortungsbewußtsein vorhanden
ist und dass man die Interessen des Staates und der Republik über die Interessen einzelner
Parteien stellt. Das kann unserem Land nur gut tun, wenn eine solche Bitte, ein solcher
Appell auch Gehör und Berücksichtigung findet."
… Herr Bundespräsident, "Politik
braucht ein Gewissen". Dieser Slogan stammt von Ihnen. Würden Sie den Hörerinnen und
Hörern von Radio Vatikan kurz erläutern, was Sie unter diesem Motto genau verstehen?
"Ich
habe mich immer beschäftigt, eigentlich seit meiner Studentenzeit nach der Lektüre
von Sartre und Camus und Arthur Köstler und anderen - mit dem Phänomen, dass in der
Politik allzu häufig der Grundsatz herrscht: Der Zweck heiligt die Mittel. Ich glaube,
dass das immer wieder in die Sackgasse geführt hat. Ich bin der Meinung, dass man
diesem Grundsatz wonach der Zweck die Mittel heiligt eine Absage erteilen muss,
und dass Politik mit Verantwortungsbewußtsein, mit Gewissenhaftigkeit und auf der
Grundlage bestimmter Grundwerte und Grundrechte praktiziert werden muss. Ich will
da jetzt nicht moralisieren, aber ich glaube, dass das notwendig ist. Und das habe
ich mit dem Slogan "Politik braucht ein Gewissen" zum Ausdruck bringen wollen und
ich hoffe, dass es auch richtig verstanden wurde."