Die „Bibel in gerechter Sprache“ ist am 5. Oktober auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt
worden. Sie war bereits vor ihrer vollständigen Veröffentlichung heftig umstritten.
Die Übersetzung berücksichtigt Einsichten der feministischen Theologie, der Befreiungstheologie,
der historisch-kritischen Auslegung und des christlich-jüdischen Dialogs. Nach Angaben
des Gütersloher Verlagshauses, in dem das Werk erscheint, werden die biblischen Frauen
sichtbar gemacht und Diskriminierungen jedweder Art vermieden. Die „Bibel in gerechter
Sprache“ schlägt für den Gottesnamen verschiedene Varianten vor, etwa „der „Ewige“,
„die Ewige“, „der Heilige“, „die Heilige“ und „der Lebendige“. „Gott ist weiblicher,
als man glaubt“, sagte der an der Übersetzung beteiligte Theologieprofessor Frank
Crüsemann (Bielefeld). Auch der Anspruch auf soziale Gerechtigkeit soll stärker zum
Ausdruck kommen. So wird die Bibelstelle Lukas 7,22 so übersetzt: „Blinde sehen, Gelähmte
gehen umher, Leprakranke werden rein und taube Menschen können hören. Tote werden
auferweckt, die Armen bringen die Freudenbotschaft.“ In bisherigen Übersetzungen heißt
es: „... den Armen wird das Evangelium gepredigt.“ „Ich lege euch das heute so aus“Um
Gerechtigkeit im Hinblick auf den christlich-jüdischen Dialog zu erzielen, werden
etwa Jesu Worte in der Bergpredigt neu übersetzt. Statt „Ich aber sage euch“ heißt
es nun „Ich lege euch das heute so aus“. Damit soll verdeutlicht werden, dass Jesus
sich nicht mit Gegenthesen gegen die jüdische Tradition wende. Um der Geschlechtergerechtigkeit
willen werden neben den männlichen Bezeichnungen auch Apostelinnen, Diakoninnen, Prophetinnen
und Pharisäerinnen genannt. Die „Bibel in gerechter Sprache“ erscheint in einer Startauflage
von 20.000 Exemplaren. Das durch Spenden finanzierte Projekt kostete rund 400.000
Euro. Maßgeblich beteiligt war die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, die dafür
fünf Jahre lang eine Pfarrstelle finanzierte. Insgesamt haben 42 Frauen und zehn Männer
mitgewirkt, darunter auch Katholiken.Kirchenpräsident Steinacker: Für Predigtvorbereitung
geeignetFür Kirchenpräsident Peter Steinacker (Darmstadt), der dem Beirat des Projekts
angehört, ist die Bibelübersetzung äußerst hilfreich für die Gemeindearbeit, das persönliche
Bibelstudium und für Predigtvorbereitungen. Für die Liturgie werde er aber weiter
die Lutherbibel verwenden, da sie das kollektive Gedächtnis präge und durch nichts
zu ersetzen sei. Zum Beirat des Übersetzungsprojekts gehören neben Steinacker unter
anderen die Lübecker Bischöfin Bärbel Wartenberg-Potter und der Präsident des Deutschen
Evangelischen Kirchentags, Reinhard Höppner (Magdeburg). Förderer sind auch der badische
Landesbischof Ulrich Fischer (Karlsruhe), der pfälzische Kirchenpräsident Eberhard
Cherdron (Speyer), die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann und die evangelisch-methodistische
Bischöfin Rosemarie Wenner (Frankfurt am Main). „Dokument des sich aushöhlenden Protestantismus“
Andere Bischöfe und Theologen haben die „Bibel in gerechter Sprache“ kritisiert. So
lehnt der württembergische Landesbischof Frank Otfried July (Stuttgart), deren Einsatz
in Gottesdiensten ab. Er forderte dazu auf, den biblischen Text unverändert wiederzugeben,
auch wenn manche Passagen für heutige Ohren anstößig erschienen. Der Präsident der
von Cansteinschen Bibelanstalt und Professor für Neues Testament, Andreas Lindemann
(Bielefeld), bemängelte, dass Teile der Übersetzung den biblischen Text verfälschten.
Der Tübinger Alttestamentler Bernd Janowski ist der Ansicht, dass sich die Neuübersetzung
dem Zeitgeist ausliefere und ein „Dokument des sich aushöhlenden Protestantismus“
sei. Es sei beschämend, dass das Projekt von kirchenleitender Stelle gefördert wurde. (diverse
061006 sk)