Österreich: Leitenberger, "Wir sind Einwanderungsland"
Warten auf die neue
Regierung. Nach Deutschland, Italien, Tschechien trifft es jetzt auch Österreich.
Das amtliche Endergebnis wird vorraussichtlich erst nächsten Montag, mehr als eine
Woche nach der Abstimmung, stehen. Stärkste Partei sind die Sozialdemokraten und die
stellten heute die Weichen in Richtung Große Koalition. SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer
bekräftigte den Führungsanspruch und erklärte, die konservative Volkspartei des amtierenden
Kanzlers Wolfgang Schüssel sei erster Ansprechpartner für die Regierungsbildung. Der
Pressechef des Erzbistums Wien, Erich Leitenberger, macht hinter die große Koalition
aber noch ein großes Fragezeichen: "Es wird jetzt sicher verschiedene Farbkombinationen
geben, die in den nächsten Tagen und Wochen ausprobiert werden. Wie es jetzt weitergehen
wird, das ist schwer zu sagen, es gibt auch bislang keine offiziellen kirchlichen
Stellungnahmen." Die katholische Aktion Österreichs hatte am Wochenende nach
einem harten und oberflächlichen Wahlkampf den inneren Frieden des Landes angemahnt.
Der Dialog zwischen den einzelnen Volks- und Religionsgruppen des Landes sei erste
Aufgabe einer neuen Regierung nach den ausländer- und islamfeindlichen Kampagnen.
Leitenberger erinnert an die Zukunftsfähigkeit Österreichs: "Der Wahlkampf war
von einem starken Besitzstandsdenken geprägt. Aber es sind keine Themen angeschnitten
worden, wie denn die österreichische Zukunft aussehen soll. Wir haben das Problem
der Überalterung, des Geburtenmangels, die Frage der Zuwanderung. Wir müssten uns
endlich dazu entschließen, zu akzeptieren, dass Österreich so wie die anderen westeuropäischen
Industrieländer natürlich ein Einwanderungsland ist; das ist immer noch eine Art Tabu.
Wir müssten uns dazu entschließen, eine aktive Integrationspolitik zu führen. All
das ist nicht behandelt worden." Hier sieht Leitenberger ein breites Feld für
politische Aktivitäten in den nächsten Jahren. Ob nun mit großer Koalition oder der
Ampel. Die Kirche greife nicht in die Tagespolitik ein, sondern skizziere Grundsatzfragen.
Für die Tagespolitik sind die katholischen Laien zuständig: "Hier bleibt noch
sehr viel zu tun, weil natürlich auch in Österreich es gegen die Politik und die Politiker
einen gewissen Vorbehalt gibt und man sich die Finger nicht schmutzig machen möchte." (rv
03.10.06 bp)