2006-09-23 15:47:13

Vortrag in Regensburg: Was hat der Papst eigentlich noch gesagt?


Die weltweiten Proteste gegen das umstrittene Papst-Zitat hat nicht nur viele Christen verstört, sie haben leider auch dazu geführt, dass die Papst-Rede als Ganze in den Hintergrund geraten ist. Aber was hat der Papst eigentlich noch gesagt?

„Glaube, Vernunft und Universität“ – Das war der eigentliche Titel des Vortrags von Benedikt XVI. in der Universität Regensburg. Und das war es auch, was der Papst aufzeigen wollte: Einen Versuch, Glaube und Vernunft, wieder recht zu einander in Beziehung zu setzen.
Gleich zu Beginn unterstrich Benedikt den Anspruch, mit dem er als Theologe vor Professoren und Studenten aller Fakultäten sprechen wollte. Es sei für ihn selbstverständlich, dass die Theologie
„notwendig zum Ganzen der Universitas scientiarum gehört, auch wenn nicht alle den Glauben teilen konnten, um dessen Zuordnung zur gemeinsamen Vernunft sich die Theologen mühen.“
Auf dem Hintergrund der Diskussionen um die geplanten Schließungen theologischer Fakultäten in Bayern – von den sieben sollen nur drei erhalten bleiben - ein klares Plädoyer für die Theologie an staatlichen Unis!
Benedikt beginnt dann seinen Vortrag mit dem umstrittenen Zitat des byzantinischen Kaisers Manuel II., in dem dieser behauptet, „Mohammed habe nur Schlechtes und Inhumanes gebracht und befohlen, den Glauben durch das Schwert zu verbreiten.“ Dieser Meinung schließt sich der Papst nicht an, sondern nimmt sie zum Anlass auf die Argumente Manuels II. hinzuweisen.
„Der entscheidende Satz in dieser Argumentation gegen Bekehrung durch Gewalt lautet: Nicht vernunftgemäß handeln ist dem Wesen Gottes zuwider.“
Das sei etwas anderes als ein Gott, der – wie in manchen islamischen Schulen gelehrt – durch nichts dazu verpflichtet sei, die Wahrheit zu offenbaren. Der Papst spitzt an dieser Stelle zu:
„An dieser Stelle tut sich ein Scheideweg im Verständnis Gottes und so in der konkreten Verwirklichung von Religion auf, der uns heute ganz unmittelbar herausfordert. Hier tut sich ein Scheideweg im Verständnis Gottes und so in der konkreten Verwirklichung von Religion auf, der uns heute ganz unmittelbar herausfordert. Ist es nur griechisch zu glauben, daß vernunftwidrig zu handeln dem Wesen Gottes zuwider ist, oder gilt das immer und in sich selbst?“
Es geht Benedikt XVI. also um das Gottesbild. Kann es einen Gott geben, der der Vernunft widerspricht? Benedikt glaubt an den Einklang von Glaube und Vernunft. Diese These begründet er im geschichtlichen Rückgriff auf die Offenbarung des christlichen Gottes. Erst in der Begegnung mit der griechischen Gedankenwelt habe der biblische Glaube zu einer Synthese von Glaube und Vernunft gefunden – eine Synthese, die ab dem Spätmittelalter immer mehr aufbrach.
Grund für diese Entwicklung, an deren Ende die westlichen Gesellschaften nun stehen, sei, so Benedikt, ein Verständnis von Vernunft, die nur was empirisch-mathematisch belegbar ist, als wissenschaftlich bedeutsam ansehe. Wenn dies allein die ganze Wissenschaft ist, so Benedikt, dann werde der Mensch selbst dabei verkürzt. Denn die eigentlich menschlichen Fragen, die nach unserem Woher und Wohin fänden keine Antwort mehr und müssten ins Subjektive verlegt werden.
„So aber verlieren Ethos und Religion ihre gemeinschaftsbildende Kraft und verfallen der Beliebigkeit. Dieser Zustand aber ist für die Menschheit gefährlich: Wir sehen es an den uns bedrohenden Pathologien der Religion und der Vernunft, die notwendig ausbrechen müssen, wo die Vernunft so verengt wird, daß ihr die Fragen der Religion und des Ethos nicht mehr zugehören. Was an ethischen Versuchen von den Regeln der Evolution oder von Psychologie und Soziologie her bleibt, reicht einfach nicht aus.“
Damit kommt Benedikt zu seiner eigentlichen These:
„Nicht Rücknahme, nicht negative Kritik ist gemeint, sondern um Ausweitung unseres Vernunftbegriffs und -gebrauchs geht es. Denn bei aller Freude über die neuen Möglichkeiten des Menschen sehen wir auch die Bedrohungen, die aus diesen Möglichkeiten aufsteigen und müssen uns fragen, wie wir ihrer Herr werden können. Wir können es nur, wenn Vernunft und Glaube auf neue Weise zueinanderfinden; wenn wir die selbstverfügte Beschränkung der Vernunft auf das im Experiment Falsifizierbare überwinden und der Vernunft ihre ganze Weite wieder eröffnen.“
Der Ausschluss des Göttlichen aus der Vernunft werde von den tief religiösen Kulturen – und damit meint er die islamischen, aber auch die afrikanischen – als Verstoß gegen ihre innere Überzeugungen gesehen. Die Versöhnung von Glaube und Vernunft sei daher für die Verständigung mit fremden Kulturen wichtig, denn:
„Eine Vernunft, die dem Göttlichen gegenüber taub ist und Religion in den Bereich der Subkulturen abdrängt, ist unfähig zum Dialog der Kulturen.“
Im Kern ist die Papstrede also eine Kritik am vorherrschenden wissenschaftlichen Vernunftbegriff der westlichen Welt mit Konsequenzen bis ins Politische hinein. Zugleich ist seine Vorlesung ein Plädoyer für die Präsenz der Theologie als Wissenschaft an den Universitäten, denn den Wissenschaften insgesamt würde etwas fehlen, sollte die Theologie nicht mehr am wissenschaftlichen Diskurs teilnehmen. In der akademischen Welt wird nun sicher eine Debatte um die Rolle der Theologie an den Universitäten beginnen, und – vor allem in den philosophischen Fakultäten – über die Berechtigung seiner Vernunftkritik.
Was das umstrittene Zitat zu Beginn angeht kann man festhalten: Der Papst hat quasi nebenbei eine theologische Debatte über das christliche und islamische Gottesbild eröffnet. Spannend wird sein, wer diesen Faden jenseits aller Polemik aufgreifen wird.

Ein Beitrag von P. Max Cappabianca OP

(mc 220906 rv)







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