Vortrag in Regensburg: Was hat der Papst eigentlich noch gesagt?
Die weltweiten Proteste gegen das umstrittene Papst-Zitat hat nicht nur viele Christen
verstört, sie haben leider auch dazu geführt, dass die Papst-Rede als Ganze in den
Hintergrund geraten ist. Aber was hat der Papst eigentlich noch gesagt?
„Glaube,
Vernunft und Universität“ – Das war der eigentliche Titel des Vortrags von Benedikt
XVI. in der Universität Regensburg. Und das war es auch, was der Papst aufzeigen wollte:
Einen Versuch, Glaube und Vernunft, wieder recht zu einander in Beziehung zu setzen.
Gleich zu Beginn unterstrich Benedikt den Anspruch, mit dem er als Theologe vor
Professoren und Studenten aller Fakultäten sprechen wollte. Es sei für ihn
selbstverständlich, dass die Theologie „notwendig zum Ganzen der Universitas
scientiarum gehört, auch wenn nicht alle den Glauben teilen konnten, um dessen Zuordnung
zur gemeinsamen Vernunft sich die Theologen mühen.“ Auf dem Hintergrund der
Diskussionen um die geplanten Schließungen theologischer Fakultäten in Bayern – von
den sieben sollen nur drei erhalten bleiben - ein klares Plädoyer für die Theologie
an staatlichen Unis! Benedikt beginnt dann seinen Vortrag mit dem umstrittenen
Zitat des byzantinischen Kaisers Manuel II., in dem dieser behauptet, „Mohammed habe
nur Schlechtes und Inhumanes gebracht und befohlen, den Glauben durch das Schwert
zu verbreiten.“ Dieser Meinung schließt sich der Papst nicht an, sondern nimmt sie
zum Anlass auf die Argumente Manuels II. hinzuweisen. „Der entscheidende Satz
in dieser Argumentation gegen Bekehrung durch Gewalt lautet: Nicht vernunftgemäß handeln
ist dem Wesen Gottes zuwider.“ Das sei etwas anderes als ein Gott, der – wie
in manchen islamischen Schulen gelehrt – durch nichts dazu verpflichtet sei, die Wahrheit
zu offenbaren. Der Papst spitzt an dieser Stelle zu: „An dieser Stelle tut
sich ein Scheideweg im Verständnis Gottes und so in der konkreten Verwirklichung von
Religion auf, der uns heute ganz unmittelbar herausfordert.Hier tut
sich ein Scheideweg im Verständnis Gottes und so in der konkreten Verwirklichung von
Religion auf, der uns heute ganz unmittelbar herausfordert. Ist es nur griechisch
zu glauben, daß vernunftwidrig zu handeln dem Wesen Gottes zuwider ist, oder gilt
das immer und in sich selbst?“ Es geht Benedikt XVI. also um das Gottesbild.
Kann es einen Gott geben, der der Vernunft widerspricht? Benedikt glaubt an den Einklang
von Glaube und Vernunft. Diese These begründet er im geschichtlichen Rückgriff auf
die Offenbarung des christlichen Gottes. Erst in der Begegnung mit der griechischen
Gedankenwelt habe der biblische Glaube zu einer Synthese von Glaube und Vernunft gefunden
– eine Synthese, die ab dem Spätmittelalter immer mehr aufbrach. Grund für diese
Entwicklung, an deren Ende die westlichen Gesellschaften nun stehen, sei, so Benedikt,
ein Verständnis von Vernunft, die nur was empirisch-mathematisch belegbar ist, als
wissenschaftlich bedeutsam ansehe. Wenn dies allein die ganze Wissenschaft ist, so
Benedikt, dann werde der Mensch selbst dabei verkürzt. Denn die eigentlich menschlichen
Fragen, die nach unserem Woher und Wohin fänden keine Antwort mehr und müssten ins
Subjektive verlegt werden. „So aber verlieren Ethos und Religion ihre gemeinschaftsbildende
Kraft und verfallen der Beliebigkeit. Dieser Zustand aber ist für die Menschheit gefährlich:
Wir sehen es an den uns bedrohenden Pathologien der Religion und der Vernunft, die
notwendig ausbrechen müssen, wo die Vernunft so verengt wird, daß ihr die Fragen der
Religion und des Ethos nicht mehr zugehören. Was an ethischen Versuchen von den Regeln
der Evolution oder von Psychologie und Soziologie her bleibt, reicht einfach nicht
aus.“ Damit kommt Benedikt zu seiner eigentlichen These: „Nicht Rücknahme,
nicht negative Kritik ist gemeint, sondern um Ausweitung unseres Vernunftbegriffs
und -gebrauchs geht es. Denn bei aller Freude über die neuen Möglichkeiten des Menschen
sehen wir auch die Bedrohungen, die aus diesen Möglichkeiten aufsteigen und müssen
uns fragen, wie wir ihrer Herr werden können. Wir können es nur, wenn Vernunft und
Glaube auf neue Weise zueinanderfinden; wenn wir die selbstverfügte Beschränkung der
Vernunft auf das im Experiment Falsifizierbare überwinden und der Vernunft ihre ganze
Weite wieder eröffnen.“ Der Ausschluss des Göttlichen aus der Vernunft werde
von den tief religiösen Kulturen – und damit meint er die islamischen, aber auch
die afrikanischen – als Verstoß gegen ihre innere Überzeugungen gesehen. Die Versöhnung
von Glaube und Vernunft sei daher für die Verständigung mit fremden Kulturen wichtig,
denn: „Eine Vernunft, die dem Göttlichen gegenüber taub ist und Religion in
den Bereich der Subkulturen abdrängt, ist unfähig zum Dialog der Kulturen.“ Im
Kern ist die Papstrede also eine Kritik am vorherrschenden wissenschaftlichen Vernunftbegriff
der westlichen Welt mit Konsequenzen bis ins Politische hinein. Zugleich ist seine
Vorlesung ein Plädoyer für die Präsenz der Theologie als Wissenschaft an den
Universitäten, denn den Wissenschaften insgesamt würde etwas fehlen, sollte die Theologie
nicht mehr am wissenschaftlichen Diskurs teilnehmen. In der akademischen Welt wird
nun sicher eine Debatte um die Rolle der Theologie an den Universitäten beginnen,
und – vor allem in den philosophischen Fakultäten – über die Berechtigung seiner Vernunftkritik.
Was das umstrittene Zitat zu Beginn angeht kann man festhalten: Der Papst hat
quasi nebenbei eine theologische Debatte über das christliche und islamische Gottesbild
eröffnet. Spannend wird sein, wer diesen Faden jenseits aller Polemik aufgreifen wird.