In der somalischen Hauptstadt Mogadischu sind gestern eine italienische Ordensfrau
und ihr Leibwächter erschossen worden. Augenzeugen berichten, die Täter seien in das
Krankenhaus eingedrungen, in dem Schwester Leonella seit vier Jahren arbeitete. Ob
der Überfall im Zusammenhang mit den missverstandenen Äußerungen Papst Benedikts stehen
könnte, ist unklar: Vatikan-Sprecher Federico Lombardi sagte der italienischen Nachrichtenagentur
Ansa, er hoffe, dass es sich bei der Ermordung der Nonne um einen vereinzelten Vorfall
handle. Es bestehe aber die Gefahr, dass die Tat "die Frucht von Gewalt und Irrationalität
ist, die aus der gegenwärtigen Situation entstanden sind". Wir haben den Bischof
von Mogadischu, Giorgio Bertin, vor Ort erreichen können. Schon seit Monaten fühlten
sich die Schwestern nicht mehr sicher, erzählt der Bischof:
„In der Vergangenheit
ist es immer wieder zu Spannungen gekommen. Die Schwestern haben solche Angriffe bereits
befürchtet. In den letzten Jahren ist teilweise regelrechter Hass zum Vorschein getreten
– religiös motivierter Hass denjenigen gegenüber, die nicht zum Islam gehören. Wir
müssen jedoch auch die letzten Monate und die politische Situation im Blick behalten
– insbesondere die Rolle Äthiopiens und die stete äthiopische Militärpräsenz in Somalia.
Die islamischen Gerichtshöfe etwa, die das Zentrum Somalias zusammenhalten, betrachten
Äthiopien als eindeutig christliche Nation.“
Einen Zusammenhang zwischen
dem Mord an Schwester Leonella und der missverstandenen Papstäußerung kann Bischof
Bertin nicht ausschließen:
„Ich glaube schon – schließlich war es bereits
einen Tag zuvor zu einer Demonstration gekommen, einem heftigen Protest gegen die
Worte des Papstes. Einige der religiösen Verantwortlichen hier haben sich in racheschürender
Weise geäußert.“
Andererseits dürfe nicht der Eindruck entstehen, und das
betont Bertin mit Nachdruck, als sei es zum ersten Mal zu einem solch brutalen Angriff
gekommen:
„Der Fanatismus macht die Menschen blind. Irrationales Handeln,
dem die Menschen zum Opfer fallen, die eigentlich nur Gutes im Sinn haben. Das, was
Schwester Leonella widerfahren ist, ist das traurige Schicksal vieler Helfer. Um nur
einige Opfer zu nennen: Pater Pietro, ein Franziskaner oder etwa der Bischof von Mogadischu,
Salvatore Colombo.“ (rv 18.09.06 sis)