2006-09-17 12:38:30

P. Samir: "Papst hat nicht Islam kritisiert"


RealAudioMP3 Über die Reaktionen in der islamischen Welt auf die Rede des Papstes in Regensburg sprachen wir mit dem Islam-Kenner Samir Khalil Samir, einem ägyptischen Jesuiten, der in Beirut lehrt. „Der Papst hat nicht den Islam kritisiert. Er wollte die Beziehung zwischen Glaube und Vernunft darlegen, um damit ein gewisses Verständnis von Vernunft zu kritisieren, das im Westen weit verbreitet ist. Ein Verständnis, das das Göttliche, das Spirituelle und das Ethische ausschließt, also einer Vernunft ohne religiösen und moralischen Hintergrund.“

Die Beziehung zwischen Glaube und Vernunft ist nie einfach gewesen in der Geschichte aller Religionen. Wie wird diese Beziehung im Islam gelebt?

„Im Islam gibt es die Gefahr, dass der Glaube sich auf Macht stützt, weil die Religion und Politik nicht klar getrennt sind. Und das kann dazu führen, dass Gewalt eingesetzt wird, um den Glauben durchzusetzen. Warum sagt Benedikt das alles? Eine grundlegend verstandene Vernunft, die den Glauben und die Ethik einschließt, ist nicht nur vereinbar mit dem Glauben, sondern sie stehen in vollkommenen Einklang. Und das ist es, was ihr Moslems, wir Christen ihr Agnostiker suchen.“

Könnte das die Basis eines Dialogs sein, besonders mit dem Islam?

„Sicher. Der Heilige Vater hat das mit den Arabern gemeinsame Fundament freigelegt, nämlich die Vernunft und den Dialog. Der Dialog setzt sich aus zwei Elementen zusammen „Dia“ und „Logos“, was Vernunft heißt. Das Adjektiv „logikos“ bedeutet „vernünftig“ und „spirituell“ und zwar sowohl in der christlichen Sprache, wie auch in der islamischen Sprache im Mittelalter.
Er schlägt also eine universelle Herangehensweise vor, der auf dem griechischen Denken gründet, also auf Vernunft – verstanden als vollständige Harmonie auch des Spirituellen. Nicht im Sinne der Vernunft zu handeln, ist gegen das Wesen Gottes. Dieser Satz Benedikts XVI. ist das „Leitmotiv“ seiner Vorlesung. Wenn wir einen universellen Dialog wollen, müssen wir vernunftgemäß handeln, also gemäß dem Wesen Gottes. Daher ist es unmöglich, Glaube und Vernunft gegeneinander zu stellen. Denn der Glaube kommt von Gott, wie auch die Vernunft.

Dieser Dialog, wie könnte er konkret geschehen? Auf welcher Basis?

„Der Dialog muss ein Dialog in Wahrheit sein. Das bedeutet, ich kann nicht, um dem Anderen ein Gefallen zu tun, nur die Hälfte meines Denkens mitteilen. Der Heilige Vater hat den schönsten Vers aus dem Koran zur Toleranz zitiert, wo es heißt: „Es kann keinen Zwang in Glaubensfragen geben.“
Aber er sagt auch, dass es Stellen im Koran gibt, die in eine andere Richtung verstanden werden können. So wie es – das müssen wir auch sagen – auch in der Bibel solche Stellen gibt. Die Krise, die wir in der arabischen Welt erleben, hat ihren Grund darin, dass sich manche auf eine entsprechende Interpretation des Koran berufen. Das sind Fundamentalisten, so wie ja auch manche christliche Fundamentalisten Gewalt rechtfertigen mit Berufung auf einzelne Verse der Bibel.
Die wahre Lösung ist: Die Vernunft umschließt das Spirituelle, das Religiöse, das Ethische. Das genau ist es, was Christen, Moslems und Juden zu verwirklichen suchen. Es ist ein integraler Humanismus, wo alle versuchen, sich vernünftig mit dem Anderen auszutauschen – das bedeutet eine Dialog führen. Das ist es, was der Heilige Vater vorschlägt."








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