Es gab wohl keinen Freisinger, der nicht auf den Beinen war, an diesem Abschlusstag
der Papstreise. Die Schulen blieben geschlossen, die 48.000 Einwohner, allein 6.000
davon Studenten begrüßten den Papst auf den Straßen, sammelten gar Autogramme. Die
Priester und ständigen Diakone hörten in der Weihekirche des Papstes, wie er den Dienst
des Seelsorgers und Priesters versteht. Der Papst sprach frei, ohne Manuskript. Birgit
Pottler fasst zusammen:
Die Bischofsstadt Freising hat eine Tradition von mehr
als 1300 Jahren. Sie beginnt im frühen 8. Jahrhundert mit dem Wanderbischof Korbinian,
bis 1802 residierten hier auf dem Domberg die Bischöfe und Fürstbischöfe. Der Freisinger
Mohr aus dem Wappen des Papstes ihr ehemaliges Herrschaftszeichen. Ganz nebenbei:
Der Dom ist die älteste Marienkirche Bayerns. Zurück zum Papstwappen: Der bepackte
Bär der Legende ist hier sowohl Ausdruck seiner Dienstbereitschaft als auch der Verbundenheit
mit seinem Weihebistum. “Dieses ist im Programm die letzte Begegnung vor meiner
Abreise aus meinem geliebten Bayern, und ich bin sehr froh, daß sie mit Euch, liebe
Priester und Diakone, den lebendigen und erwählten Steinen der Kirche, stattfindet.“ Der
junge Joseph Ratzinger hat von 1946 bis 1954 in Freising Theologie studiert, bevor
Kardinal Döpfner später das Priesterseminar nach München verlegte. Im Freisinger Kapitel
der Autobiographie beschreibt Benedikt selbst den Schlüssel zu seinem priesterlichen
Wirken: Nach dem Krieg zweifelte niemand, so der heutige Papst, „dass die Kirche der
Ort unserer Hoffnungen war. Sie war trotz mancher menschlicher Schwachheiten der Gegnpol
zu der zerstörerischen Ideologie der braunen Machthaber gewesen.“ Die Stimmung im
Freisinger Seminar sei geprägt gewesen von „Dankbarkeit und Wille zum Aufbruch, zum
Handeln in der Kirche und für die Welt“. Dieser Wille stand dem Papst ins Gesicht
geschrieben. Und deswegen wollte er hier nicht seine vorbereitete Ansprache halten. Der
Appell des Papstes war klar: „Die Ernte ist groß und wartet in allen Generationen
auf Arbeiter. Gott braucht Menschen. Er braucht solche, die sagen, ja ich bin bereit!“ Doch
auch hier wieder die Warnung: Aktionismus hilft nicht. „Das will sagen, wir können
Berufungen nicht einfach machen. Wir können nicht einfach Leute rekrutieren. … Wir
sind gefordert, dass wir Beten, …, dass wir an seinem Herzen rütteln, tu es doch,
rüttle die Menschen auf…“ Das Beten sei vor allem die Aufgabe des Seelsorgers,
aus dem Gebet erwachse Gemeinschaft: „Als betende Menschen kommen wir zu den anderen,
ziehen sie in unser Gebet und so in die Gemeinschaft mit Gott hinein.“ „Die Lasten
sind schwerer geworden“, sagte der Papst mit Anspielung auf die Zusammenlegung von
Pfarreien und den Herausforderungen der modernen Welt. Doch die Aufgabe, Zeugnis in
der Welt zu geben, sei nicht geringer geworden. Im Gegenteil. Der Papst, selbst überschäumend
vor Eifer, betont: „Es muss das Miteinander von Eifer und Demut, der Anerkennung
der eigenen Grenzen, geben. … Dieser Eifer, damit er uns nicht zerstört, muss sich
mit der Demut der Annahme unserer Grenzen verbinden. … So vieles müsste getan werden,
doch so muss ich lernen, das zu tun was ich kann und das andere den Mitarbeitern überlassen.“ Der
Papst war in Freising als junger Student und Priester, später als Erzbischof und jetzt
als Papst. Auf diesem Dreischritt werden seine Worte verständlich: “Du gibst, …,
ich überlasse es Dir Herr, dass Du das andere tust. … Und er wird mir auch Mitarbeiter
schenken.“ Der Papst sprach als Priester zu Priestern. Ohne auch nur noch einen
Blick auf das gereichte Manuskript zu werfen, richtete er zutiefst persönliche Worte
an seine „Mitarbeiter im Weinberg“: Gottesdienst betend feiern, das Stundengebet
täglich beten, gab der Papst als Aufgabe mit. „Wir selber als betende Menschen beten
aber stellvertretend für die anderen, und tun damit einen pastoralen Dienst ersten
Grades. Das ist kein Rückzug ins Private.“
Und hier schloss sich der Kreis
zur ersten Predigt im Erzbistum München und Freising. Zu Beginn der Reise hatte Benedikt
XVI. bereits den scheinbaren Aktivismus in der deutschen Kirche kritisiert. Hatte
er dort unter freiem Himmel noch für alle Gläubigen gesprochen, stärkte er heute in
der Bischofskirche am Schrein des Bistumspatrons den Seelsorgern den Rücken. (rv
14.09.06 bp)