2006-09-12 18:07:07

Benedikt XVI.: Die Theologie gehört an die Universität


Für einen von der Suche nach dem „Ganzen der einen Vernunft mit allen ihren Dimensionen“ bestimmten Dialog zwischen den unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen an den Universitäten hat sich Papst Benedikt XVI. am Dienstag, 12. September, in Regensburg ausgesprochen. Er plädierte für eine positive Einschätzung und Anerkennung der Theologie als Wissenschaft. „Nur so werden wir auch zum wirklichen Dialog der Kulturen und Religionen fähig, dessen wir so dringend bedürfen“, sagte er vor Studenten und Wissenschaftlern im Auditorium maximum der Universität Regensburg.

In einer Vorlesung über „Glaube, Vernunft und Universität“ erinnerte er daran, dass es zu den Zeiten, in denen er noch als Theologieprofessor lehrte, bei aller Spezialisierung in den einzelnen Disziplinen noch einen „inneren Zusammenhalt im Kosmos der Vernunft“ gegeben habe. Mit der Vernunft nach Gott zu fragen und es im Zusammenhang mit der Überlieferung des christlichen Glaubens zu tun, sei im Ganzen der Universität unbestritten gewesen.

In diesem Zusammenhang kam der Papst auf einen historischen Dialog zu sprechen, den der gelehrte byzantinische Kaiser Manuel II. Palaeologos 1391 mit einem gebildeten Perser über Christentum und Islam, über beider Wahrheit geführt hatte. Dieser Dialog habe sich über den ganzen Bereich des von Bibel und Koran umschriebenen Glaubensgefüges erstreckt und sei um das Gottes- und Menschenbild, immer wieder auch notwendigerweise um das Verhältnis zwischen Altem Testament, Neuem Testament und Koran gekreist. Im Zusammenhang des Themas Glaube und Vernunft habe ihn ein im Aufbau des Dialogs zwischen dem griechischen Kaiser und dem persischen Gelehrten ein eher marginaler Punkt fasziniert, sagte der Papst.

So sei der Kaiser auf das Thema Djihad, heiliger Krieg, zu sprechen gekommen und habe sicher gewusst, dass in Sure 2 des Koran (2,256) stehe: Kein Zwang in Glaubenssachen. Dies sei eine der frühen Suren aus der Zeit, als der Prophet Mohammed selbst noch machtlos und bedroht gewesen sei. Aber der Kaiser habe auch die im Koran niedergelegten später entstandenen Bestimmungen über den heiligen Krieg gekannt. In erstaunlich schroffer Form habe er sich mit der zentralen Frage nach dem Verhältnis von Religion und Gewalt überhaupt an seinen Gesprächspartner gewandt und eingehend begründet, warum Glaubensverbreitung durch Gewalt widersinnig sei und „im Widerspruch zum Wesen Gottes und zum Wesen der Seele“ stehe. Der entscheidende Satz „in dieser Argumentation gegen Bekehrung durch Gewalt lautet: Nicht vernunftgemäß handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider“.

Das Christentum habe trotz seines Ursprungs und wichtiger Entfaltungen im Orient seine geschichtlich entscheidende Prägung in Europa gefunden. Zwischen biblischem Glauben und griechischem philosophischen Fragen habe sich ein inneres Zugehen aufeinander vollzogen, das nicht nur ein religionsgeschichtlich, sondern auch weltgeschichtlich entscheidender Vorgang sei, „der uns auch heute in die Pflicht nimmt“, sagte der Papst. Er wandte sich in diesem Zusammenhang gegen einen Wissenschaftsbegriff, wonach es nur die im Zusammenspiel von Mathematik und Empirie sich ergebende Form von Gewissheit gestatte, von Wissenschaftlichkeit zu sprechen. So versuchten alle auf die menschlichen Dinge bezogenen Wissenschaften wie Geschichte, Psychologie, Soziologie und Philosophie sich diesem Kanon von Wissenschaftlichkeit anzunähern.

Diese Methode schließe als solche die Gottesfrage aus und lasse sie als unwissenschaftliche oder vorwissenschaftliche Frage erscheinen. Eine derartige Verkürzung des Radius von Wissenschaft und Vernunft müsse in Frage gestellt werden, weil der Mensch selbst dabei verkürzt werde. Denn die eigentlich menschlichen Fragen nach dem Woher und Wohin, die Fragen der Religion und des Ethos könnten dann nicht mehr im Raum einer gemeinsamen Vernunft Platz finden, sondern müssten ins Subjektive verlagert werden. Das Subjekt entscheide, was ihm religiös tragbar erscheine. Das subjektive „Gewissen“ werde letztlich zur einzigen ethischen Instanz. So verlören Ethos und Religion ihre gemeinschaftsbildende Kraft und verfielen der Beliebigkeit.

Eindringlich warnte der Heilige Vater: „Dieser Zustand ist für die Menschheit gefährlich: Wir sehen es an den uns bedrohenden Pathologien der Religion und der Vernunft, die notwendig ausbrechen müssen, wo die Vernunft so verengt wird, dass ihr die Fragen der Religion und des Ethos nicht mehr zugehören.“ Diese „versuchte Selbstkritik der modernen Vernunft“ schließe nicht die Auffassung ein, „man müsse nun wieder hinter die Aufklärung zurückgehen und die Einsichten der Moderne verabschieden“. Das Große der modernen Geistesentwicklung werde ungeschmälert anerkannt, sagte der Papst. Alle seien dankbar für die großen Möglichkeiten, die sie den Menschen erschlossen habe und für die Fortschritte an Menschlichkeit. Nicht Rücknahme, also negative Kritik, sei gemeint, es gehe vielmehr „um Ausweitung unseres Vernunftbegriffs und -gebrauchs.

Bei aller Freude über die neuen Möglichkeiten des Menschen seien auch die daraus erwachsenden Bedrohungen zu sehen, so dass gefragt werden müsse, „wie wir ihrer Herr werden können“. Wörtlich fügte der Papst hinzu: „Wir können es nur, wenn Vernunft und Glaube auf neue Weise zueinander finden, wenn wir die selbst verfügte Beschränkung der Vernunft auf das im Experiment Falsifizierbare überwinden und der Vernunft ihre ganze Weite wieder eröffnen.“ In diesem Zusammenhang trat der Papst für eine entsprechende Einschätzung und Anerkennung der Theologie an den Universitäten ein. Die Theologie gehöre nicht nur als historische und humanwissenschaftliche Disziplin, sondern als „Frage nach der Vernunft des Glaubens an die Universität und in ihren weiten Dialog der Wissenschaften hinein“. Nur so, erklärte der Papst, „werden wir auch zum wirklichen Dialog der Kulturen und Religionen fähig, dessen wir so dringend bedürfen“.

In der westlichen Welt herrsche weitgehend die Meinung, allein positivistische Vernunft und die ihr zugehörigen Formen der Philosophie seien universal. Von den tief religiösen Kulturen der Welt werde gerade „dieser Ausschluss des Göttlichen aus der Universalität der Vernunft als Verstoß gegen ihre innersten Überzeugungen angesehen“. Eine Vernunft, die dem Göttlichen gegenüber taub sei und Religion in den Bereich der Subkulturen abdränge, sei unfähig zum Dialog der Kulturen. Der Westen sei seit langem von einer Abneigung gegen die grundlegenden Fragen seiner Vernunft bedroht und könne damit nur einen großen Schaden erleiden, sagte der Papst und empfahl: „Mut zur Weite der Vernunft, nicht Absage an ihre Größe – das ist das Programm, mit dem eine dem biblischen Glauben verpflichtete Theologie in den Disput der Gegenwart eintritt.“ (pressenzentrum)







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