2006-09-11 15:07:43

Der Papst im Herzen Bayerns - ein Bericht


Nach zwei Tagen in seiner Studien- und Bischofsstadt München ist Papst Benedikt XVI. heute in das „Traumland seiner Kindheit“ gereist. 60.000 Menschen erwarteten ihn im oberbayerischen Altötting, das bereits zum Bistum Passau gehört. In seiner Predigt erinnerte der Papst daran, dass Maria die Menschen zu Christus führe. Ein Beitrag von Birgit Pottler:

Altötting ist an Pilgerströme gewohnt. 90 Kilometer südöstlich von München liegt es und nimmt pro Jahr mehr als eine Million Menschen auf. Päpste waren auch schon hier: Einer im 15. Jahrhundert und Johannes Paul II. 1980. Doch der 11. September 2006 wird in die Geschichte eingehen – schließlich kommt der Ehrenbürger dieser Stadt nach Hause.
Um zwei Uhr nachts waren die ersten Menschen gekommen, kurz nach acht sind bereits knapp 40.000 auf dem Kapellplatz. 20.000 weitere säumen die umliegenden Straßen. Der kleine Ort hatte sich verfünffacht.
Der Weg des Papstes geht direkt in die Gnadenkapelle. Wie die Pilger seit 500 Jahren zieht auch er zur Schwarzen Madonna, der Mutter Gottes mit Kind aus Lindenholz, die vom Ruß der Kerzen dunkel geworden ist. Altötting ist einer der fünf großen Marienwallfahrtsorte Europas, neben Lourdes, Fatima, Loreto und Tschenstochau. Berichte von zwei Heilungswundern aus dem Jahr 1489 begründeten die Wallfahrt. Die Herrscher des Hauses Wittelsbach ließen hier ihre Herzen beisetzen, auch deshalb trägt Altötting den Beinamen „Herz Bayerns“. Der Papst selbst nennt es gar „eines der Herzen Europas“. Alleine betet er vor dem Gnadenbild, bevor es zur Altarinsel draußen auf dem Platz getragen wird.
Dann beginnt der Gottesdienst. Die Predigt des Papstes ist eine Katechese über Marienverehrung. Der Glaube muss wieder erwachen, sagte er am Sonntag. Am Montag unterwies der Hirte seine Schäfchen im Glauben. Maria und Jesus gehörten untrennbar zusammen, so der Papst, und erinnerte an das Magnifacat:
„Meine Seele macht Gott groß. Gott groß machen, das heißt ihm Raum gebenin der Welt, im eigenen Leben, ihn einlassen in unsere Zeit und unser Tun – das ist das tiefste Wesen rechten Betens. Wo Gott groß wird, da wird der Mensch nicht klein: Da wird auch der Mensch groß, und da wird die Welt hell.“
Benedikt XVI. pilgerte von Kindheit an nach Altötting. Wohl auch deshalb war eines der zahlreichen Geschenke für ihn später ein Pilgerstab. Der Papst wurde mit bayerischer Marienfrömmigkeit groß, sie prägte auch seine Predigt:
„Zu dieser Mutter pilgern die Menschen seit Generationen hier nach Altötting. Ihr vertrauen wir unsere Sorgen, Nöte und Bedrängnisse an. … So lehrt sie uns beten: Nicht unseren Willen und unsere Wünsche Gott gegenüber durchsetzen wollen, sondern ihm überlassen, was er tun wird. Von Maria lernen wir die helfende Güte, aber auch die Demut und die Großzügigkeit, Gottes Willen anzunehmen und ihm zu glauben, dass seine Antwort das Gute für uns ist.“
Maria sei die betende Kirche in Person. Und:
„Maria und Jesus gehören zusammen. Mit ihr wollen wir im Gespräch mit dem Herrn bleiben und so ihn besser empfangen lernen. Heilige Mutter Gottes, bitte für uns, wie du in Kana für die Brautleute gebeten hast. Führe uns zu Jesus – immer von neuem. Amen.“
Vor allem die internationale Presse hatte sich ein Wort zu den Anschlägen vom 11. September erwartet, einen neuerlichen Appell des Papstes für Frieden und gegen Terror. Er selbst fügte seinen Worten der vergangenen Wochen und Monate nichts hinzu. Es waren die Gläubigen auf dem Platz, die in den Fürbitten stellvertretend für die ganze Kirche an das Drama erinnerten.
Der Papst feierte Eucharistie. Nicht mehr und nicht weniger. Der Gottesdienst entsprach seiner Vorstellung von Liturgie. Nicht schnörkellos, aber pur.
Nach dem Segen die die Prozession zur neuen Anbetungskapelle in der ehemaligen Schatzkammer der Stifts- und Pfarrkirche. Der Papst selbst trug das Allerheiligste einmal über den ganzen Platz und setzte es auf einem Originalstein der Münchner Mariensäule, die im II. Weltkrieg zerstört worden war, aus. Die Schwarze Madonna fand seitlich einen Platz.
Die Freude des Papstes, wieder zu Hause zu sein, zieht sich durch diese Tage wie ein roter Faden, ohne jedoch die Gottesdienste zu überlasten. Nur und erst als die gotischen Mauern der Anbetungskapelle den Papst am Morgen in Altötting von der Menge draußen kurz trennten, war sie wirklich hörbar.
Als erster Beter in der Anbetungskapelle kniete er still nieder, allein mit sich und seinem Gott; dass er über Fernsehbilder weltweit beobachtet wurde, schien ihm kaum bewusst. Und während die Menge draußen schon das abschließende Marienlied sang, kniete der Papst noch immer. Zweimal forderte Erzbischof Marini ihn zum Gehen auf, der Papst sagte „Nein“, verharrte im Gebet, wischte Tränen vom Gesicht.
Minutenlang dauerte dann der Benedetto-Chor, er hallte wieder auf dem halbrunden Platz mit den fünf Kirchen und klang wirklich wie aus einem Mund. Der eigens für die Messe zusammengestellte Chor mit Sängern aus dem ganzen Bistum Passau darf sich wohl rühmen, Komponist einer neuen Überstimme zu sein.
(rv 11.09.06 bp)







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