Italien: Was ist das "Volto Santo" von Manoppello?
Morgen vormittag wird Papst Benedikt den Wallfahrtsort Manoppello in den italienischen
Abbruzzen besuchen, um dort vor dem so genannten "Volto Santo" (Heiliges Antlitz)
zu beten. Der Kunsthistoriker P. Heinrich Pfeiffer hat die Tuchreliquie vor 20 Jahren
gleichsam entdeckt. P. Eberhard Gemmingen sprach mit dem an der päpstlichen Universität
Gregoriana lehrenden Jesuiten und fragte ihn zunächst, was Papst Benedikt in Maoppello
überhaupt zu Gesicht bekommen wird.
Zunächst einmal, man sieht eine Monstranz.
In dieser Monstranz zwischen zwei Glasscheiben befindet sich ein ganz ganz feines
Tuch, auf dem das Antlitz Christi erscheint. Es ist 17 auf 24 Zentimeter groß, also
genau Gesichtsgröße. Was man sieht, ist nur dieses ganz ganz feine, durchsichtige
Tuch, und so fein und durchsichtig, dass man durch das Bild hindurch alles sehen kann,
was hinter dem Bild ist. Man kann, soweit man auf Abstand lesen kann, eine Zeitung
oder ein Buch durch das Bild hindurch lesen, ohne jede Schwierigkeit.
Wie
ist dieses Gesicht auf das Tuch gekommen?
Es gibt bisher keine Erklärung.
Wenn es stimmt, dass es sich um Byssos aus dem Meer handelt, [Anm: Byssos ist eine
Faser, die aus den Ankerfäden der im Mittelmeer lebenden Edlen Steckmuschel (Pinna
nobilis L.) gewonnen wurde; die Faser ist extrem fest und haltbar, insofern mit Nylonfäden
vergleichbar] dann sobald man es trocknet, gibt es noch einige Salzkristalle drin,
und die bewirken, dass jede Farbe abblättert. Farbe kann also nicht auf das Tuch gebracht
worden sein. Das geht nicht, das würde wieder abblättern oder nach Jahrhunderten müsste
es längst wieder abgeblättert sein.
Warum ist das Tuch ausgerechnet in
dem unscheinbaren, etwas abgelegenen Abbruzzen-Ort Manoppello? Wann und wie ist es
dorthin gekommen? Manoppello ist ja in den vergangenen Jahren als Wallfahrtsort populär
geworden.
In dem Augenblick, als ich es zum ersten Mal 1986 sah, wusste
ich sofort, das muss das Bild der Veronika sein, oder „die Veronika“, wie man in Rom
immer sagte. Die Veronika, das wahre Christusbild. Das höchstwahrscheinlich während
des Sacco di Roma aus Rom verschwunden ist. Was heute gezeigt wird, muss man leider
sagen ehrlicherweise, dass das auf keinen Fall die Veronika sein kann, weil auf dem
Tuchstück, das im Petersdom noch gezeigt wird, kein Bild zu sehen ist. Ich weiß, dass
ich mit dieser These lange Zeit ganz alleine stand, und jetzt hat sich die Situation
ganz langsam geändert. Wie das Tuch genau nach Manoppello kam, das weiß keiner, das
ist ein Geheimnis zwischen dem, der dieses Stück als Hehler hatte, wahrscheinlich
als Adliger, und dass die Ware ihm zu heiß wurde, und den Kapuzinern, die höchstwahrscheinlich
nur deshalb in Manoppello sind, weil sie dieses Tuch mit dem Christusbild zu bewahren
hatten. In dem Augenblick, als ich es 1986 zum ersten Mal sah, wusste ich sofort,
das muss das Bild der Veronika sein, oder die Veronika, die man in Rom immer sagte.
Veronika heißt dieses Bild?
Das wahre Antlitz heißt es, nichts
anderes als das. Die Veronika – das wahre Christusbild. Das höchstwahrscheinlich während
des Sacco di Roma aus Rom verschwunden ist Als die Veronika verehrt wurde in Sankt
Peter im 14. und 15. Jahrhundert, bis eben wahrscheinlich wegen des Sacco di Roma,
der Plünderung Roms, das Tuch verschwunden ist. Ich war damals sehr glücklich als
ich es sah, das muss es sein, ich habe sie wiedergefunden. Da das die Päpste ungeheuer
interessierte, von Innonenz III. an, muss das den Papst auch heute interessieren.
Das ist eine ganz einfache Frage. Wieder vor diesem Objekt zu sein, das seine Vorgänger
über die Maßen verehrt haben, für das sie Ablassgebete herausgebracht haben, selbst
Hymnen gedichtet haben – dieses Objekt wiederzusehen, muss doch eine große Erfahrung
für den Papst sein.
Und wenn ein normaler Christ dorthin kommt und das
Bild sieht, ist das so, wie wenn er die Bergpredigt liest? Oder die Kommunion empfängt,
ist das eine Begegnung mit Jesus Christus?
Eine mögliche, ja. Bei Manoppello
ist das besonders stark, denn der Ausdruck ist der von großer Unschuld, wie man das
nur bei Kindern findet. Auch von Barmherzigkeit und Gerechtigkeit. Davor zu stehen,
ist ein besonders tiefes Erlebnis. (rv 31.08.06 gem/gs)