2006-08-12 14:16:23

Indondesien: Kein klassischer Religionskonflikt


RealAudioMP3 Die für heute geplante Hinrichtung der drei Katholiken in Indonesien wurde auf den 20. August verschoben. In den vergangenen Tagen hatten Papst Benedikt XVI., die Europäische Union und diverse Menschenrechtsorganisationen aus aller Welt die Regierung in Jakarta gebeten, die Todesurteile nicht zu vollstrecken. Den drei Männern wird vorgeworfen, vor sechs Jahren an den Unruhen auf der Insel Sulawesi beteiligt gewesen zu sein. Was ist dran an diesem Vorwurf? Diese Frage müsse grundsätzlicher diskutiert werden, meint der Referent für Menschenrechtsfragen bei der deutschen Kommission Justia et Pax, Daniel Bogner. Die Weltgemeinschaft müsse deutlich machen,

„dass es nicht hinnehmbar ist, dass hier die Todesstrafe vollstreckt werden soll. Das ist eine ganz fundamentale Verletzung des Rechtes auf Leben, und Indonesien hat als Staat die allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen mit unterzeichnet, die jede grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe ablehnt. Deshalb ist es heutzutage nicht hinnehmbar – das hat auch die Kirche immer wieder betont, dass ein Staat die Todesstrafe als Instrument der staatlichen Strafe benutzt.“

Erst von dieser Grundlage ausgehend könne untersucht werden, wie der Fall zu beurteilen sei. Das Strafverfahren sei allem Anschein nach nicht fair abgelaufen, so Bogner:

„Beispielsweise ist bekannt geworden, dass es noch Material gibt, Zeugenaussagen, die die drei Verurteilten entlasten würden und die nicht mehr vom Gericht berücksichtigt werden konnten. Dann wurde bekannt, dass während des Gerichtsverfahrens, vor dem Gerichtsgebäude, Tumulte und Demonstrationen von bewaffneten gegeben hat, so dass der Eindruck entstanden ist, dass das Urteil vielleicht auch unter öffentlichem Druck zustande gekommen sein könnte. Das sind alles Faktoren, die einen eigentlich zu dem Schluss kommen lassen: Da ist es nicht mit rechten Dingen zugegangen.“

 
Bei den Auseinandersetzungen auf Sulawesi sind mehr als 1000 Menschen ums Leben gekommen. Dutzende Moscheen und Kirchen gingen damals in Flammen auf. Manche Beobachter wollen den Konflikt als Auseinandersetzung zwischen Christen und Muslimen sehen; sie suchen religiöse Überzeugungen als motivierende Kraft für die Gewalttaten. Bogner warnt vor dieser Vereinfachung:

„Auch wenn dort Christen und Muslime im Spiel sind, es ist eben kein ganz klassischer Religionskonflikt, sondern das hat auch einen politischen und sozialen Hintergrund. Es gab und gibt in Indonesien seit den siebziger und achtziger Jahren große Migrationsprogramme, die von der Zentralregierung in Jakarta unternommen worden sind. Und in diesem Rahmen gab es eine große Migration, die unkoordiniert stattgefunden hat. Das hat bewirkt, dass sich die traditionellen Mehrheitsverhältnisse auf Sulawesi verschoben haben. Sulawesi ist traditionell protestantisch geprägt. Und dann sind Bevölkerungsgruppen aus muslimischen Teilen des Landes hinzugesiedelt worden. Dann hat der Präsident in Jakarta auch den Provinzgouverneur abgesetzt und einen Muslim zum Provinzgouverneur gemacht, der die ganze Verwaltung ausgetauscht hat. Das ist ein sehr unsensibler Umgang mit der lokalen Situation. Und das wirkt wie ein Pulverfass.“

Nach Angaben eines Polizeisprechers sei die Verschiebung durch den verantwortlichen Polizeichef realisiert worden. Er habe den Verurteilten die Chance geben wollen, am 17. August, dem Nationalfeiertag in Indonesien, durch den Präsidenten Susilo Bambang Yudhoyono begnadigt zu werden. Einen Antrag auf Begnadigung hatte der Präsident jedoch letzte Woche bereits abgelehnt. (rv 12.08.06 sis)









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