Vor 10 Jahren - am
1. August 1996 - ist Bischof Pierre Claverie in Algerien ermordet worden. Der Anschlag
hatte weltweit Betroffenheit, Trauer und Empörung ausgelöst. Claverie gilt als einer
der großen Pioniere des Dialogs mit dem Islam. Claverie war 58 Jahre alt, als
er gegen 22 Uhr Ortszeit auf dem Weg zum Bischofshaus durch ein Bombenattentat ums
Leben kam. Der Bischof von Oran hatte zuvor mit dem damaligen französischen Außenminister
Herve de Charette im Trappistenkloster Tibehirine bei Medea an einer Gedenkveranstaltung
für die sieben Mönche teilgenommen, die im Mai 1996 von der islamistischen Organisation
GIA ermordet worden waren.
Die algerische Presse wertete das Attentat
damals als Versuch der radikalen Islamisten, die beginnende Entspannung in den französisch-algerischen
Beziehungen zu torpedieren. Claverie – mit seiner Absage an allen Fanatismus und mit
seinem Kampf für Menschenrechte und Freiheiten – sei das "ideale Ziel" für eine "blutige
Botschaft" an Frankreich gewesen.
Claverie wurde im März 1938 in der algerischen
Hauptstadt Algier geboren und verbrachte dort seine Kindheit und Jugend. Nach der
Entscheidung, den Dominikanern beizutreten, ging er zu theologischen Studien nach
Frankreich. 1969 wurde er zum Priester
geweiht und kehrte in seine nordafrikanische
Heimat zurück. 1981 schließlich wurde er zum Bischof von Oran ernannt.
Mit
der zunehmenden Gewalt in Algerien wurden auch die Rufe des Bischofs zu Umkehr und
Gewaltfreiheit immer eindringlicher. Das brachte ihn auch in Gefahr, meint sein Weggefährte
und Freund, der in Kairo lebende Dominikanerpater Jean-Jacques Perennès:
„Pierre
wusste, wie schwierig es ist, dem anderen zu begegnen, denn er hatte das in seinem
eigenen Leben erfahren. In seiner Kindheit hatte er als Bewohner einer französischen
Kolonie das arabische und muslimische Umfeld erlebt. Ihm war klar, dass es ein langer
Weg ist, den wirklich kennen zu lernen. Als er dann als Priester und Ordensmann nach
Algerien zurückkehrt, versucht er jede Anbiederung zu vermeiden - wenn man beispielsweise
sagt, „Wir seien alle Söhne Abrahams“. Er lehnte diese hohlen Phrasen ab. Er sagte,
letztlich trennt uns ein Abgrund. Wir müssen einen weiten Weg zurücklegen, um uns
aufrichtig wahrzunehmen.“
Claverie war sich also der Grenzen des Dialogs
bewusst, so Perennès
„Er hatte ziemliche Vorbehalte gegenüber großen
Tagungen, wo es leicht ist, einer Meinung zu sein. Er zog es vor, konkrete Projekte
mit seinen muslimischen Partnern zu initiieren. Er sagte immer gerne. ‚Wir haben
noch nicht die Worte für den Dialog, man muss Räume schaffen, damit dieser Dialog
möglich wird.’ Und für ihn waren das Orte des Dienstes für das Land, für die Menschen,
Orte der Begegnung – und dadurch nähert man sich an und versteht sich besser.“
Wenige
Wochen vor seinem Tod hatte Claverie sein Buch "Briefe und Botschaften aus Algerien"
veröffentlicht: Claverie kritisierte darin sowohl die Regierung als auch die Islamisten:
"Man kann keine gerechte Sache mit schmutzigen Mitteln verteidigen", schrieb
er den Islamisten ins Stammbuch. Und der Regierung: "Es gibt keinen Frieden ohne
Freiheit".
Perennes sieht als bleibende Botschaft Claveries:
„Es
ist der „Geschmack“ am Unterschied. Und ein Weiteres, was heute eine große Bedeutung
für Algerien hat und vielleicht auch für andere Länder, ist die Heilung der Erinnerung!
Algerien hat viele Verletzungen erlebt. Und wenn man eine Zukunft haben will, muss
man den Mut haben, sich diese Vergangenheit anzuschauen und gemeinsam diese verletzte
Erinnerung zu heilen. Das ist die große Botschaft, die Pierre auch an uns heute richtet.
Und ich denke sehr an den Libanon, wo er oft war. Er hat bei Libanesen arabisch gelernt:
Er wäre sehr unglücklich, wenn er sehen würde, was zur Zeit im Libanon passiert!“ (rv
110806 mc)