2006-07-31 16:49:55

Exklusiv-Interview mit Mons. Georg Gänswein


RealAudioMP3 Interview mit Mons. Georg Gänswein, Privatsekretär von Papst Benedikt aus Anlaß seines 50. Geburtstages am 30. Juli 2006 - Interviewpartner Aldo Parmeggiani

Rom/Vatikan: im Vorzimmer des Papstes/ Sala del Pinturricchio. Die meistbeachtete Gestalt im engsten Kreis um den Papst ist heute jener Priester, der im Papamobil gegenüber dem Heiligen Vater Platz nimmt: sein Privatsekretär Dr. Georg Gänswein. Der Sohn eines Schmiedemeisters hat eine steile Karriere hinter sich. Georg Gänswein wurde am 30. Juli 1956 als ältestes von fünf Kindern in Waldshut am Hochrhein geboren. Sein Theologiestudium begann er in Freiburg und führte es an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom weiter. 1984 wurde Gänswein zum Priester geweiht. 1993 promovierte er zum Doktor des Kirchenrechtes. Dann zog es den jungen Kleriker wieder nach Rom. Gänswein arbeitete kurz an der Sakramentenkongregation und wechselte 1996 in die Glaubenskongregation. 2003 bestellte ihn Kardinal Joseph Ratzinger, damals noch Präfekt der römischen Glaubenskongregation, zu seinem Privatsekretär.



*Monsignore Gänswein, als Sie von Kardinal Ratzinger gefragt wurden, ob Sie als sein persönlicher Sekretär arbeiten wollten, konnten Sie noch nicht wissen, dass Sie damit auch zum Papstsekretär aufsteigen würden. Würden Sie uns Ihren Gefühlszustand am Tag der Wahl Josef Ratzingers zum Papst beschreiben?



“Es war zunächst einmal eine große Überraschung. In Kenntnis der Tage vor dem Konklave, dann auch der Tage des Konklave selber diese kurzen, wenigen Tage hat sich in das Gefühl der Überraschung auch ein Gefühl der Dankbarkeit und natürlich auch des Unfassbaren gemischt.“



*Nun arbeiten, leben und wohnen Sie Seite an Seite mit dem Oberhaupt von einer Milliarde Katholiken. Kein anderer ist dem Papst so nahe wie Sie. Was dürfen Sie uns über den Verlauf Ihres Alltags weitergeben? Welche Entscheidungen überlässt der Papst Ihnen, welche müssen auf jeden Fall weitergeleitet werden?



“Es ist klar, der Tagesablauf des Papstes ist einerseits bekannt, andererseits gibt es Elemente, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht werden sollen. Also in der geboteten Kürze: gemeinsame Heilige Messe um sieben Uhr, Brevier-Gebet, Betrachtung, das Verweilen vor dem Herrn. Gemeinsames Frühstück und dann beginnt für mich der Tag mit der Vorbereitung der Korrespondenz, der Amtspost, die Tag für Tag in nicht geringen Massen kommt. Es folgt Besprechung mit dem Heiligen Vater und dann begleite ich ihn in der Regel immer am Vormittag zu den Privataudienzen in die „“Seconda Loggia“ Es folgt das gemeinsame Mittagessen, danach ein kurzer Spaziergang und dann geht es in die Mittagspause. Zweite Halbzeit, nachmittags: Bearbeitung neu angekommener Post, um dem Heiligen Vater die wichtigsten Sachen vorzulegen, zur Unterschrift, zum Studium, zur Approbation. Es gibt natürlich eine ganze Reihe von Sachen, die zum Heiligen Vater kommen, aber die er in der Regel nicht sieht. Das sind dann Dinge, die zweit-dritt-viertrangig sind. Es geht darum, den Heiligen Vater vor einer Unmasse von Post, von Papier, von Zuschriften zu schützen, damit er das, was er wirklich tun muss, auch in einer Form der nötigen Ruhe tun kann.“



*Als Privatsekretär des Papstes bekleiden Sie die engste Vertrauensstelle, die die katholische Kirche zu vergeben hat: Was bedeutet für Sie diese Schlüsselstellung?



“Zunächst ist es für mich natürlich ein Zeichen des Vertrauens des Heiligen Vaters mir gegenüber und ich versuche in allem dem, was ich tue, was ich sage und was ich nicht sage, mich dieses Vertrauens würdig zu erweisen. Und ich versuche all das, was mir aufgetragen ist, so zu tun, dass ich es vor meinem Gewissen verantworten kann. Nach einem Jahr und drei Monaten ist auch ein Miteinander gewachsen. Das zeigt, wie das ineinander funktioniert und in welcher Weise also auch die Kommunikation zwischen dem Heiligen Vater und mir von statten geht.“



*Von den 5 Geschwistern der Familie Gänswein haben Sie sozusagen die steilste ŒKarriere¹ gemacht.. Gelten Sie als das Lieblingskind Ihrer Eltern?



“Wir sind alles Lieblingskinder. Ich bin das älteste Kind, also der Erstgeborene. Na ja, das Wort Karriere  im deutschen klingt es ein bisschen eigenwillig -  ich bin halt derjenige, der am meisten in der Welt herumgekommen ist und der vielleicht jetzt auch von den 5 Geschwistern das bekannteste Gesicht in der Familie geworden ist.“



*Welchen direkten oder indirekten Einfluss auf Ihren Lebenslauf messen Sie Ihrem Elternhaus bei?



“Meine Wurzeln sind bei meinen Eltern und die erste Erziehung, das Vorleben des Glaubens, das täglich Beispiel, nicht so sehr das große Wort, sondern einfach auch das einfache Tag für Tag vorgelebte Beispiel, ist und war für mich eine große Hilfe, die mir bis zum heutigen Tag vor Augen steht und für die ich sehr, sehr dankbar bin.“



*Welche Jugenderinnerungen sind für Ihr späteres Leben besonders wichtig geworden, haben Sie möglicherweise geprägt?



“Ich bin aufgewachsen in einem kleinen Dorf im südlichen Schwarzwald: da ging¹s zu wie wohl in allen anderen Dörfern auch. Wir waren eine sehr lebhafte Familie, ich hatte sehr viele Kameraden, Freunde. wir haben natürlich Sport getrieben Fußball war damals mein Lieblingssport ich war auch in der Musikkapelle und habe Klarinette gespielt, wir haben viele Dinge gemeinsam unternommen. Insofern habe ich also viele, viele Erinnerungen, an eine sehr lebhafte, eine manchmal auch lausbübische Kindheit, die mich wenn ich daran denke-  auch immer wieder mit Freude erfüllt.“



*So eine Art Paulusstunde, gab es die in Ihrer Jugendzeit?



“Im Sinne des Falls vom Pferd in Damaskus nicht. Natürlich hat sich in meinem Leben dann im Hinblick darauf, was ich werden wollte, Ende der Gymnasialzeit manches verändert. Und so könnte man sagen: es ist nicht ein Damaskuserlebnis ad hoc, sondern es ist eine Entwicklung, die dann zu dem geführt hat, was eben den Saulus zum Paulus gemacht hat., was mich dazu gebracht hat, den Weg Richtung Priestertum einzuschlagen.“



*Welche Charaktereigenschaften waren ausschlaggebend für Ihnen bisherigen Lebenslauf?



“Um beim Negativen anzufangen: ich selber bin ein Mensch, der leider nicht allzu viel Geduld hat. Ein Mensch, der sich um Geduld mühen muss, sich Geduld abringen muss. Auf der anderen Seite: eine meiner Eigenschaften, die ich als positiv bezeichne, ist sicherlich die Zielstrebigkeit, die Zuverlässigkeit, die Aufrichtigkeit und die Direktheit! Das sind Eigenschaften, die so etwas wie ein tessuto`, ein Gewebe ergeben, das meinem Leben also auch eine innere Richtung gegeben hat“.



*Sie arbeiten mit einem der größten Theologen der Welt zusammen und kennen ihn persönlich seit elf Jahren. Welchen Unterschied finden Sie zwischen  dem Josef Ratzinger als Präfekten der Glaubenskongregation und dem Joseph Ratzinger als Papst?



“Einen Unterschied, im Hinblick also auf seine Person, zwischen dem Kardinalpräfekten und Benedikt XVI. sehe ich nicht.. Freilich formt das Amt in manchen Punkten, aber die Persönlichkeit, die Liebenswürdigkeit, die Ausstrahlung ist dieselbe, wie sie vorher war.“



Haben Sie manchmal noch so etwas wie Lampenfieber, wenn Sie vor dem Heiligen Vater stehen?



“Das ist manchmal der Fall, selbstverständlich. Wahr ist auch, dass die tägliche Begegnung, das tägliche Miteinander natürlich auch eine „familiaritas“ ermöglicht, die mir das Lampenfieber reduziert. Aber selbstverständlich weiß ich, wer der Heiligen Vater ist und weiß mich auch entsprechend ihm gegenüber zu verhalten. Trotzdem: es gibt immer wieder Situationen, in denen das Herz etwas heftiger klopft, als normal¹.



*Wenn Sie auf das erste Pontifikatsjahr von Benedikt XVI. zurückblicken: was steht das ganz oben?



“Sicherlich dass der Heilige Vater nicht nur in seinen Worten, auch in seinen Gesten, in seiner ganzen Art zeigen möchte, dass der Glaube Freude am Leben und für das Leben schenkt, dass das ein ganz wesentliches Zeichen ist und dass dieses Zeichen sich wie ein roter Faden durch all das, was er sagt, all das, was man von ihm wahrnimmt, zieht, und dass diese Freude am Glauben auch ansteckend sein soll!“



*Hat Sie das Thema „Liebe“als Antrittsenzyklika des Papstes überrascht?



“Nicht sonderlich: die erste Enzyklika, die der Heilige Vater geschrieben hat, `Deus caritas est` ist eine Enzyklika, die einen sehr, sehr großen Widerhall gefunden hat, eine sehr große Rezeption erfahren hat. Wer den Theologen Ratzinger, wer Papst Benedikt als Theologen kennt, ist glaube ich nicht sehr überrascht, dass er dieses Thema, in dieser Form zur Enzyklika gemacht und als solche auch behandelt hat.“



*Welche Funktion hat die Kirche im 21. Jahrhundert?



“Die Kirche hat die Funktion, die sie im ersten, im zweiten in allen Jahrhunderten hat: es ist die Aufgabe, dass sie eben die Botschaft des Herrn verkündet, opportune und importune, dass sie natürlich mit den Mitteln, die sich ändern in den verschiedenen Jahrhunderten, versucht, auch die besten Mitteln zu wählen. Aber dass sie also ohne Angst und ohne Sorge mit frohem Mut das Wort des Herrn verkündet und das Evangelium überall hinträgt, bis an das Ende der Welt.“



*Monignore Gänswein, zu einem Geburtstagsgespräch gehören auch ein paar persönliche Aspekte: es ist Ihnen sicherlich nicht entgangen, dass Sie in der breiten Öffentlichkeit als der `schöne Georg`gelten. Wie reagieren Sie denn auf dieses Kompliment?



“In der Tat: also es fingen italienische Zeitungen an, in sympatischer, schmeichelhafter Form über mich zu schreiben. In der Wahrnehmung meiner äußeren Beschreibung. Am Anfang war ich etwas überrascht, auch ein wenig irritiert. Ich wusste nicht: soll ich es überhören,  übersehen. soll ich es wahrnehmen, soll ich reagieren? Ich hab¹ es dann einfach überhört und mit der Zeit habe ich mich daran gewöhnt. Es sollte nicht nur so sehr ein oberflächliches Hinschauen sein, denn über der Oberfläche vergisst man dann oder übersieht man den eigentlichen Kern. Inzwischen glaube ich, schaut man nicht mehr nur auf die Schale, sondern auch ein bisschen auf den Kern.“



*Man sagt auch, dass die Mädchen sich in Ihrer Studentenzeit nach Ihnen umgedreht hätten: das ist selbstverständlich. Meine Frage aber lautet: War es umgekehrt auch so?



“Na ja, also: ich habe gesunde Sinne und wer gesunde Sinne hat, der benutzt sie auch. Ich hatte nie Schwierigkeiten mit dem so genannten schwachen Geschlecht und hatte immer, also bis zu dem heutigen Tag, ein sehr entkrampftes und auch ein sehr natürliches Verhältnis. Selbstverständlich gab es in meiner Jugend Mädchen, die ich gerne und die ich lieber gesehen habe.“



*Ebenso fromm, wie gebildet: lautet eines der vielen Urteile über Sie. Hat Sie deshalb der Papst als Privatsekretär in den Dienst genommen?



“Dass Frömmigkeit und Bildung, Frömmigkeit und Theologie zusammengehören, das ist - glaube ich  ein Faktum, das eine große Tradition hat. Ich freue mich, wenn ich als fromm und als gebildet charakterisiert werde. In der Tat: ich tue etwas dafür, dass sowohl die Frömmigkeit als auch die Bildung bleibt, dass sie Bestand hat und dass sie also auch in ihren Wurzeln kräftig Nahrung bezieht.“



* Gerechtigkeit, Klugheit, Tapferkeit und Maß: in welchen dieser vier Kardinalstugenden sehen Sie ihren Charakter am besten umschrieben?



“Es ist immer schwierig aus den Tugenden, die Sie eben nennen, eine herauszugreifen. Wenn Sie mich jetzt auf eine in besonderer Weise festlegen wollen: dann versuche ich es schon mit dem Maßhalten.“



* Worauf können Sie in Ihrer eng bemessenen Freizeit auf keinen Fall verzichten?



“Was ich über ein Jahr lang nicht mehr getan habe, nämlich mich bewegen, ein bisschen Sport betreiben, das habe ich jetzt wieder aufgenommen. Allerdings in einem reduzierterem Maße als vorher. Das möchte ich gerne beibehalten. Ab und zu gehe ich in die Berge. Darauf möchte ich ungern verzichten müssen.“



*Engster Mitarbeiter des Papstes, Stunden-Tages- und Reisebegleiter des Kirchenoberhauptes, Top-Manager im Vatikan, aber auch und nicht zuletzt Priester: Worin besteht die wichtigste Aufgabe des Priesters, heute?



“Heute, gestern, morgen: die Hauptaufgabe ist, dass er das tut, was er durch die Weihe empfangen hat: dass er Priester ist, das heißt, dass er die Sakramente feiert, dass er die Eucharistie feiert, dass er die Sakramente spendet und dass er in dieser Form versucht, auch priesterlich zu leben. In der Hinsicht gibt es viele Formen der Verwirklichung priesterlichen Dienstes und eine davon ist sicherlich die, was ich hier tue und was ich mit ganzem Herzen und mit ganzer Kraft versuche, zu tun.“





*Sie leben im Zentrum der katholischen Kirche, im Schmelztiegel christlicher Verantwortung: Wie oft stehen Sie vor der Frage: Was würde Jesus dazu sagen?



“In der täglichen Gewissenserforschung versuche ich abends auch die Dinge durchzugehen, die mir Tag für Tag begegnen. Und ich frage mich auch manchmal, bei nicht ganz einfachen Entscheidungen: habe ich das richtig getan, ist das vor dem Herrn das Richtige gewesen? Oder muss ich hier eine Kurskorrektur vornehmen? Und selbstverständlich wird das bei der regelmäßigen Beichte dann alles richtig abgeklopft.“



* Sagen Sie uns zum Schluss noch, was Sie sich in den nächsten 50 Jahren aus ganzem Herzen wünschen?



“Ich wünsche für mich, dass ich den Glauben behalte, dass ich im Glauben wachse und dass ich vom Glauben Zeugnis gebe. Aber dass ich auch das Zeugnis des Glaubens anderer für mich anwende.



Vielen Dank und herzlichen Glückwunsch



Aldo Parmeggiani, Radio Vatikan











 



    
























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