Die Evangelische Kirche in Deutschland, kurz EKD, muß in den nächsten Jahren in großem
Umfang Arbeitsplätze abbauen und ihre Strukturen radikal verändern. Nach ihren aktuellen
Prognosen wird sich die Zahl der Protestanten bis zum Jahr 2030 um ein Drittel verringern
- von derzeit 26 Millionen auf 17 Millionen. Daraus folge eine Halbierung der Einnahmen
aus Kirchensteuern von gegenwärtig vier auf zwei Milliarden Euro. Zusammen mit
den steigenden Versorgungskosten und der Teuerungsrate ergibt das nach Ansicht des
EKD-Ratsvorsitzenden, Bischof Wolfgang Huber, ein „hochexplosives Gemisch“. Es könne
schon in wenigen Jahren zur „faktischen Gestaltungsunfähigkeit“ der evangelischen
Kirche führen. Jedes „Weiter so“ hätte nach Einschätzung des Rates ein „finanzielles
Desaster“ zur Folge und sei ebenso wenig möglich wie ein „Abschmelzen aller bisherigen
Aktivitäten“. Deshalb müsse gehandelt werden, „solange wir noch handeln können“, so
Huber wörtlich. In seinem gestern veröffentlichten Grundsatzpapier mit dem Titel
„Kirche der Freiheit: Perspektiven für die Evangelische Kirche im 21. Jahrhundert“
fordert der Rat der EKD die Mitarbeiter und Mitglieder der evangelischen Kirche eindringlich
zu einem „Paradigmen- und Mentalitätswechsel“ auf. Leitend für die evangelische Kirche
solle künftig eine „geistliche Profilierung statt undeutlicher Aktivität“ sein. Sie
solle nicht Vollständigkeit anstreben, sondern Schwerpunkte setzen und sich nicht
an Strukturen „klammern“. Die Mitarbeiter müßten künftig mit „erheblichen Belastungen
und Solidaritätserwartungen“ rechnen. Arbeitsfelder müßten reduziert, mit geringerem
Aufwand neu gestaltet oder ganz aufgegeben werden. Das werde auch das Verhältnis zwischen
Mitarbeitenden und Kirchenleitungen belasten. Bei den Landeskirchen bemängelt der
Rat eine „strukturelle Überbesetzung“. Obwohl sie in den letzten dreißig Jahren mehrere
Millionen Mitglieder verloren hätten, sei die Zahl der Mitarbeiter, insbesondere im
Pfarrdienst, erheblich erhöht worden. Was jahrelang bezahlbar schien, überschreite
nun „die Grenze der Finanzierbarkeit“, heißt es in dem Papier. Der Rat schlägt deshalb
vor, die Zahl der Pfarrer zu reduzieren und die der ehrenamtlichen Prädikanten, die
in einigen Landeskirchen neben der Predigt auch die Sakramente verwalten dürfen, „deutlich“
zu erhöhen. Der Pfarrer werde so zum „leitenden Geistlichen eines Netzwerks von Ehrenamtlichen“. (faz.net
06.07.06 sk)