Papst Benedikt XVI. ist zu seiner dritten Auslandsreise
in Spanien eingetroffen. Schon am Flughafen erinnerte er an die "zentrale Rolle, die
die auf der Ehe aufbauende Familie für die Kirche und die Gesellschaft hat. Sie ist
eine nach dem Plan Gottes unersetzliche Institution." In der Innenstadt von Valencia
betete der Papst am Ort des Metro-Unglücks vom Wochenbeginn; bei einer Begegnung mit
Seminaristen sprach er von seiner Hoffnung auf reiche Priester-Berufungen. In einem
Brief, den er den spanischen Bischöfen übergab, drängt der Papst die Katholiken in
Spanien, sich "nicht ins Private abdrängen" zu lassen.
Gegen 11.30 Uhr
setzte die Maschine mit dem vatikanischen Gast an Bord auf dem Rollfeld des Flughafens
von Valencia auf. Benedikt wurde vom spanischen Königspaar und Tausenden von Menschen
begrüßt. In der spanischen Mittelmeerstadt will der Papst am V. Welttreffen der Familien
teilnehmen.
In seiner Ansprache auf dem Flughafen von Valencia erinnerte König
Juan Carlos I. zunächst an das Metro-Unglück, das zu Wochenbeginn in Valencia über
40 Todesopfer forderte. "Ihre Anwesenheit wird ein Trost für die Angehörigen sein",
so der König. Juan Carlos erinnerte an die früheren Besuche des damaligen Kardinals
Joseph Ratzinger in Spanien und würdigte die Beziehungen zwischen Kirche und Staat
im Land. Er erinnerte auch an die "große universelle Statur" des verstorbenen Johannes
Paul II., der "ein großer Freund Spaniens" gewesen sei, und an die 500-Jahr-Feiern
des aus Spanien kommenden h. Franz Xaver, eines Mitgründers des Jesuitenordens. Juan
Carlos sprach auch von einem "fruchbaren Modernisierungsprozeß", den sein Land in
den letzten Jahrzehnten erlebe. Es sei "ein modernes, dynamisches, aber auch solidarisches
Land; eine alte und große Nation, plural und diversiviziert, seinen Traditionen treu,
unermüdlich im Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und Freiheit." Er zitierte zustimmend
die große Aufmerksamkeit der Kirche für die Familien "als Kern des Lebens, der Weitergabe
von Werten und der menschlichen Bildung". Valencia sei in diesen Tagen eine "Welthauptstadt
christlicher Familien." Juan Carlos erwähnte auch, wie wichtig der Beitrag aller
"im Kampf gegen Gewalt, Hunger, Armut, Ungerechtigkeit, Menschenrechtsverletzungen
und Freiheitsberaubungen" sei. An den Papst gewandt, sagte der König abschließend:
"Wir kennen Ihren unermüdlichen Eifer im Hirtendienst, wir kennen Sie als Mann des
Gebets und des Intellekts." "Danke, dass Sie hier sind."
In seiner kurzen Ansprache
auf spanisch meinte der Papst, er sei in das Land gekommen, um beim V. Welttreffen
der Familien daran zu erinnern, wie wichtig die Weitergabe des Glaubens in der Familie
sei. "Ich will die zentrale Rolle hervorheben, die die auf der Ehe aufbauende Familie
für die Kirche und die Gesellschaft hat. Sie ist eine nach dem Plan Gottes unersetzliche
Institution; die Kirche kann nicht anders, als ihren fundamentalen Wert zu verkünden
und zu fördern, damit er immer mit Verantwortung und Freude gelebt wird." Es sei
"mit großer Emotion", dass er heute das "edle Spanien" besuche, an das er viele "schöne
Erinnerungen von früheren Reisen her" habe. Er sei aber auch dem "Schmerz der Familien
nahe, die ihre Lieben beweinen, und allen Verletzten", sagte der Papst mit Blick auf
das kürzliche Metro-Unglück von Valencia. Wie schon Juan Carlos erinnerte Benedikt
ebenfalls an seinen Vorgänger Johannes Paul II., der sich noch vor seinem Tod für
Valencia als Schauplatz des kirchlichen Familientreffens entschieden hatte. Er sei,
so Benedikt wörtlich, "von der gleichen Hirtensorge bewegt" wie Johannes Paul.
Nach
der Ansprache begrüßte Papst Benedikt zahlreiche Persönlichkeiten aus Spaniens Kirche
und Gesellschaft; dabei kam es auch zu einem kurzen Handschlag mit Ministerpräsident
Joseluis Zapatero. Im Flughafengebäude von Valencia hat sich der Papst kurz mit
dem spanischen König und dessen Frau unterhalten. Einzelheiten der Unterredung wurden
nicht bekannt. Dann brach Benedikt im Papamobil in die Innenstadt von Valencia auf.
Dabei winkten ihm von beiden Seiten der Autobahn aus unter Valencias sommerlicher
Hitze Tausende von Menschen zu, viele mit Fächern in der Hand; an einer Stelle warfen
Spanier Papierschnipsel oder Blütenblätter in den vatikanischen Farben Gelb-Weiß von
einer Autobahnbrücke auf den Konvoi des Papstes hinunter.
Gegen 12.45 Uhr traf
der Papst am Ort des Metro-Unglücks vom Wochenbeginn ein; dort wurde er vom spanischen
Kronprinzenpaar Felipe und Letizia begrüßt. Papst Benedikt legte vor dem Eingang der
Metrostation "Jesus" einen Kranz nieder, sprach ein kurzes Gebet und erteilte seinen
Segen. Außerdem grüßte er kurz Angehörige von Opfern des Metro-Unglücks sowie einige
Überlebende.
Anschließend besuchte Benedikt die Kathedrale von Valencia,
einen beeindruckenden gotischen Bau, der sich auf den Resten einer romanischen Vorgängerkirche
und einer Moschee erhebt. Dort verweilte er einen Moment vor einem Kelch, der nach
der Tradition von Christus beim Letzten Abendmahl verwendet wurde und seit dem Spätmittelalter
in Valencia aufbewahrt wird. In der Kathedrale traf sich der Papst mit etwa 1.500
Priestern und Ordensleuten sowie mit der spanischen Bischofskonferenz, deren Präsident,
ein baskischer Bischof, vom Papst unter dem Beifall der anderen Oberhirten umarmt
wurde. Benedikt XVI. schenkte den spanischen Bischöfen einen Kelch, hielt aber keine
Rede, sondern verwies kurz darauf, dass er ihnen einen Brief geschrieben habe, den
er ihnen übergebe. Darin drängt er die Katholiken Spaniens, sich "nicht ins Private
abdrängen zu lassen. Nach der kurzen, aber herzlichen Begegnung mit den Bischöfen
ging der Papst in die nahegelegene barocke Basilika, um vor der hölzernen, mittelalterlichen
Statue "Unserer Lieben Frau der Verlassenen" zu beten, die die Patronin Valencias
ist. In einem kurzen Gebetstext sagte er, er vertraue die Opfer des Metro-Unglücks
Maria an.
Auf dem Vorplatz von Kathedrale und Basilika traf sich der Papst
mit Priesteramtskandidaten und deren Familien aus ganz Spanien - insgesamt mehr als
3.000 Menschen. "Willkommen bei Ihnen zu Hause, willkommen in Valencia, willkommen
in Spanien!" rief ihm der Erzbischof von Valencia, Agustin Garcia-Gasco Vicente, zu.
"Wir haben eine sehr intensive Woche hinter uns, auch was das Metro-Unglück betrifft",
so der Erzbischof. "Aber wir stehen zusammen als eine Familie. Die Toten und Verletzten
- das ist unsere Familie!" Die Ortskirche von Valencia habe sich sehr intensiv
auf den Papstbesuch und das kirchliche Welttreffen der Familien vorbereitet. Garcia-Gasco
Vicente erinnerte an die christlichen Wurzeln Valencias; die Gläubigen stünden in
Treue zu Gott, von dem Benedikt in seiner ersten Enzyklika betont habe, dass er die
Liebe ist.
Papst Benedikt XVI. betete in seiner Ansprache um Berufungen zum
Priestertum. Vor Seminaristen sagte er auf dem Vorplatz der Kathedrale beim Angelusgebet,
"der Herr der Ernte möge Arbeiter in seinen Weinberg schicken" (Mt 9, 38). Die Ortskirche
des Erzbistums Valencia sei "sehr alt und blühend", so der Papst; er bitte "Unsere
Liebe Frau der Verlassenen", den Glauben der Bewohner Valencias zu stärken und "alle
ihre Kinder mit Hoffnung zu erfüllen". "Die Liebe, die gegenseitige Hingabe und die
Treue der Eltern sowie der Zusammenhalt in der Familie" seien ein fruchtbares Umfeld,
um den Ruf Gottes zu hören und die Berufung zum Priestertum anzunehmen. Der Papst
wörtlich: "Lebt eure Jahre der Vorbereitung im Seminar intensiv, mit Hilfe und Unterscheidungsvermögen
eurer Ausbilder und mit dem völligen Vertrauen der Apostel, die Jesus so bereitwillig
gefolgt sind."
(rv 08.07.06 sk)
Erster Tag des Papstbesuchs in Spanien:
eine Zwischenbilanz von Birgit Pottler.
"Was der Papst sagt und tut, scheint
genau das zu sein, was vor allem die Menschen in Valencia sich erwartet haben. Er
besucht als erstes die Unglücksstation der städtischen U-Bahn, betet vor dem Abendmahlskelch
und vor dem Madonnenbild der Stadt. Er spricht nahezu akzentfrei die Landessprache,
erinnert an die christliche Mission des Landes und plädiert vor Hunderttausenden auf
den Straßen für einen offen in der Gesellschaft gelebten Glauben. In einer Stadt mit
96 Prozent Katholiken kommt das an. Die Stadt lebt seit einer Woche mit kirchlichen
Aussagen über Ehe und Familie. Sie hat nichts anderes erwartet. Und die Spanier?
Benedikt XVI. hat nichts ausdrücklich gesagt zu den Uneinigkeiten in der Spanischen
Bischofskonferenz. Nur in einem Halbsatz seines Briefes an die Oberhirten spricht
er von „noch mehr Zusammenwachsen“. Aber kann man erwarten, dass der Papst öffentlich
seine Bischöfe kritisiert? Benedikt XVI. hat auch nichts gesagt zum spanischen Terrorismus.
Zur ETA, zu den von Zapatero angebotenen Verhandlungen. Aber der Papst ist nicht zum
Staatsbesuch in Spanien, sondern zum Abschluss des Weltfamilientreffens in Valencia.
Noch im Flugzeug hat er einem Journalisten geantwortet: „Fangen wir nicht gleich mit
den negativen Dingen an.“