Der venezuelanischen Kardinals Jorge Urosa - ein Portrait
Während des Festgottesdienstes zum römischen Patriatsfest Peter und Paul überreichte
Papst Benedikt 27 Erzbischöfen, die im vergangenen Jahr ernannt wurden, das Pallium.
Es handelt sich um eine weiße Stola, die als Zeichen der Metropolitanwürde bei liturgischen
Feiern über dem Messgewand getragen wird. Sie besteht aus Wolle als Symbol für das
verirrte Schaf, das der gute Hirte auf die Schultern hebt, um es zu retten.
Als
erster bekam Kardinal Jorge Urosa, Erzbischof von Caracas, die weiße Stola um die
Schultern gelegt. Vor einem Jahr, im September 2005 ernannte ihn Papst Benedikt zum
Erzbischof von Caracas, der Hauptstadt Venezuelas. Vor kurzem erst, am 24. März, wurde
er als Kardinalpriester im feierlichen Konsistorium in das Kardinalskollegium aufgenommen.
Das Konsistorium ist eine Art Vollversammlung der Kardinäle. Hier bekommen die Neuernannten
Kardinälen vom Papst das Ernennungsdekret und das rote Birett überreicht. Erst mit
dieser Zeremonie erlangt die Ernennung des Kardinals Rechtswirksamkeit. Und das ist
bei Kardinal Jorge Urosa erst drei Monate her.
Gerade die katholische Kirche
in Venezuela hat unter dem Staatschefs Hugo Chavez und seiner linkspopulistischen
Politik zu leiden. In einem Interview haben wir Kardinal Urosa gefragt, welche dringenden
Aufgaben die Kirche in Venezuela zu bewältigen habe - auch im Hinblick auf die fünfte
lateinamerikanische Bischofskonferenz, die nächstes Jahr in Brasilien stattfindet:
„Die Kirche in Venezuela macht gerade eine sehr schwierige Zeit durch –
oder besser gesagt, sie muss sich in einer neuen Situation zurechtfinden, die sie
vor neue Herausforderungen stellt. Ich beziehe mich hier insbesondere auf die beschämenden
sozio-politischen Umwälzungen, die man in unserem Land verfolgen kann. Dies bedeutet
jedoch nicht, dass das fundamentale Problem der Kirche nur auf politische Angelegenheiten
zurückzuführen sei. Sondern es handelt sich um den Rahmen, in dem wir agieren können.
Ich glaube, die große Herausforderung der Kirche in Venezuela – und sie geht alle
etwas an, vom Bischof bis zum Laien - ist es, die Freude zu spüren, ein Jünger Christi
zu sein. Fröhlich sein, ein Kind Gottes zu sein und mit dem Volk der Liebe und des
Lebens verbunden zu sein in der Kirche. Aber auch sich dieser Freude bewusst zu werden
und sie an andere weiter zu geben.“
Eine weiter Herausforderung der Kirche
seien die jungen Erwachsenen: Venezuela ist ein sehr junges Volk – das Durchschnittsalter
beträgt 25 Jahre. Welche Stütze kann die Kirche in Venezuela den Jugendlichen bieten?
Im Hinblick auf das Familientreffen des Papstes in Spanien: Wie sieht die Situation
der Familien in Lateinamerika aus?
„Für Venezuela kann ich behaupten, dass
die Familie eigentlich immer eine schwache Institution war, die starke Rückschläge
erleiden musste. Das hat sich im Zuge der säkularisierten Gesellschaft in den letzten
20 Jahren noch verschlimmert. Die Familie musste den Aufprall mit dem typischen modernen
Leben aushalten, getragen von wenig Verbindlichkeit und Instabilität. Wir haben sehr
schwache Ehen – nicht zuletzt wegen dem fehlenden Trauschein. Nur wegen Paare haben
sich mit dem Sakrament der Ehe segnen lassen. Wir müssen uns dafür einsetzen, insbesondere
den Jugendlichen das Sakrament der Ehe nahe zu bringen. Ein Zeugnis abzulegen, mit
Christi vereint die Bedürfnisse der Liebe zu leben – der christlichen Liebe, der Liebe
zu Gott. Liebe ist keine einfache sexuelle Anziehung oder Attraktivität, ein romantisches
„sich-gern-haben", das höchstens ein paar Wochen oder Monate übersteht, bis es verschwindet.“
(rv 30.06.06 sis)