Bosnien Herzegowina: Marienerscheinungen sorgen seit 25 Jahren für Streit
Die Weltkirche blickt erstaunt nach Medjugorje. An diesem Wochenende werden in dem
hercegovinischen Dorf 100.000 Pilger erwartet, wo es 1981 zum ersten Mal zu einer
Marienerscheinung gekommen sein soll. Sechs Kinder hatten berichtet, die Gottesmutter
habe sich ihnen gezeigt, während sie auf dem nahe gelegenen Hügel Schafe gehütet hätten.
Mittlerweile sind 30 Millionen Menschen in das Dorf gepilgert. Von Vatikanischer
Seite wurde das so genannte „Wunder von Medjugorje“ jedoch nicht anerkannt. Papst
Benedikt XVI. hatte sich Anfang des Jahres von dem Diözesanbischof Ratko Peric informieren
lassen. Dieser zeigt sich kritisch: „Für mich ist es sicher, dass es sich bei diesen
Dingen nicht um eine übernatürliche Erscheinung handelt“, so seine persönliche Überzeugung.
Wir haben mit dem Chef der Caritas-Bosnien, Hans Jürgen Möller. Er lebt schon seit
Jahren in Bosnien-Herzegowina und betrachtet das Phänomen aus religionssoziologischem
Blickwinkel:
„Was mich immer fasziniert hat, dass Medjugorje sehr isoliert
da steht. Das heißt, nach meinem Eindruck kommen die meisten Pilger nur nach Medjugorje,
und sie kommen nicht nach Bosnien und Herzegowina. Das heißt: Eigentlich interessiert
die Situation, das politische und das soziokulturelle Umfeld gar nicht. Man betrachtet
das wirklich als ein sehr herausragendes Ereignis und kritische Hinterfragungen –
Sie wissen dass der Vatikan auch mit einiger Skepsis dem Ort und den Ereignissen gegenüber
steht - werden nicht gestellt. Und das finde ich schon sehr faszinierend, dass Menschen
in einem von Krieg geschüttelten Land mit relativ großer Armut kommen und eigentlich
sich sehr auf ein pur religiöses Ereignis konzentrieren. Aber vielleicht ist das auch
ganz natürlich“
Welche Zielgruppe wird von diesem Wunder angesprochen, also
wer pilgert nach Medjugorje. Dazu Möller:
„Alles. Es fällt auf, dass die
Menschen, die nach Medjugorje kommen, sehr sehr unterschiedlich sind – es ist eine
sehr heterogene Gruppe was soziales Umfeld, was Alter und so weiter betrifft. Es ist
aber ein sehr traditionell verankerter Katholizismus, sehr stark auf einen mythischen
Marienkult gerichtetes Empfinden – habe ich den Eindruck. Und da Medjugorje ja wirklich
etwas sehr geheimnisvolles ist, weil – wie gesagt – der Wallfahrtsort nicht offiziell
anerkannt ist, seine Geschichte sehr umstritten ist, Medjugorje wird von kritischen
Katholiken sehr angegriffen und das festigt eigentlich die Gruppe derer, die von Medjugorje
begeistert sind, fasziniert sind und die dort sehr starke – das muss man sagen – religiöse
Impulse empfinden und für ihren ganz persönlichen Weg offensichtlich sehr viel mitbekommen“
Medjugorje
ist ein alter Zankapfel: Der Streit zwischen den Bischöfen von Mostar und den Franziskanern
im Ort, dauert bereits seit knapp 130 Jahren. Während der Jahrhunderte der osmanischen
Herrschaft, ließen die islamischen Behörden nur Franziskaner als katholische Seelsorger
zu. Nach der Besetzung der Österreicher wurde die Diözesanstruktur wieder aufgebaut.
Und dagegen wehrten sich sowohl die Gläubigen, als auch die Franziskaner. Die Franziskaner
glauben, dass in Medjugorje Maria erscheint – die Bischöfe hingegen bestätigen keine
übernatürlichen Erscheinungen. Diese Auseinandersetzungen tragen eben nicht dazu bei,
so Möller, dass
„dass es einen versöhnenden Charakter, so ein offener, ein
heller ein wirklich christlich lebendiger Charakter gibt, der mitreißt; sondern es
bleibt eine mythische Geschichte ja fast in einer Ghetto-Situation. Nochmals: Damit
kritisiere ich nicht den einzelnen Gläubigen, der ist herzlich willkommen und der
soll alles Gute erleben, was man sich nur vorstellen kann. Von einer erweiterten Betrachtung
heraus bleibt mir nichts anderes übrig als von meinem subjektiven Empfinden, das sehr
kritisch zu sehen. Und ich sage, es kommt nichts bei raus, was gesellschaftliche oder
soziokulturelle Aspekte betrifft. Hat es keine Wirkung. Punkt“ (rv/kathpress
24.06.06 sis)