Die Wahl einer Bischöfin an die Spitze der US-Anglikaner hat die Spannungen zwischen
dem konservativen und liberalen Flügel der anglikanischen Weltgemeinschaft verschärft.
Das Ehrenoberhaupt der Anglikaner, Erzbischof Rowan Williams von Canterbury, gratulierte
der neuen Leitenden US-Bischöfin am Tag nach ihrer Wahl. Diese Personalentscheidung
werde die anhaltenden Konfliktfragen allerdings neu in den Mittelpunkt rücken, so
Williams. In der anglikanischen Weltgemeinschaft ist die Weihe von Frauen zu Bischöfinnen
stark umstritten. Die konservative Diözese von Texas bat Williams, ihr ein Ausscheiden
aus der US-Gemeinschaft zu gestatten. Der einflussreiche englische Bischof Michael
Nazir-Ali sprach unterdessen von zwei unversöhnlichen Positionen und von "zwei virtuellen
Religionen innerhalb einer Kirche". Bislang habe man über grundlegendende Differenzen
hinweggesehen; bei den nun entstandenen grundsätzlich widersprüchlichen theologischen
Fragen stehe jetzt aber eine Entscheidung an, sagte der anglikanische Bischof. Unterdessen
verabschiedete die in Columbus/Ohio tagende Generalversammlung der US-Anglikaner gestern
eine Erklärung zur umstrittenen Wahl eines homosexuellen US-Bischofs im Jahr 2003.
Darin äußern die Delegierten ihr Bedauern über die "Belastungen für die warmherzigen
Verbindungen" zur anglikanischen Weltgemeinschaft, die durch die Wahl entstanden seien.
Eine eindeutigere Formulierung, sich für die Konfrontation zu entschuldigen, wurde
abgelehnt. Auch ein Antrag für ein Moratorium weiterer Wahlen von Homosexuellen zu
Bischöfen kam nicht zur Abstimmung. Von den weltweit 38 weit gehend selbstständigen
Gemeinschaften der Anglikaner gibt es in nur 3 Bischöfinnen. In zwölf Ländern sind
Frauen insgesamt vom gesitlichen Amt ausgeschlossen. Die Anglikaner sind mit rund
78 Millionen Mitgliedern die drittstärkste christliche Gemeinschaft weltweit. (kna
20.06.06 sk)