Israel: Nahostexperte, Palästinenserstaat wäre Todesurteil für Christen
Beim folgenschwersten
Luftangriff auf palästinensische Extremisten seit Jahren in Israel wurden elf Menschen
getötet, darunter zwei Kinder. Der Angriff galt am Dienstag im nördlichen Gazastreifen
einem Lastwagen, mit dem Extremisten Raketen für den Beschuss israelischer Gebiete
transportierten. Gleichzeitig eskalierte die Gewalt unter den Palästinensern: Anhänger
von Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas und sowie der regierenden Hamas bekämpften
sich, das Parlamentsgebäude und der Regierungssitz in Ramallah wurden in Brand gesteckt,
und Politiker entführt. Die Gewalt eskaliert an der Zwei-Staaten-Frage und dem von
Abbas geforderten Referendum. Über die Hintergründe haben wir mit dem Nahostexperten,
Pfarrer Joachim Schroedel gesprochen:
„Es ist immer noch erklärter Wille
der Hamas, ganz Altpalästina zum Herrschaftsgebiet zu haben, um – es wird ja auch
so formuliert – ‚die Israelis wieder ins Meer zu werfen’, etwas, was die Palästinensische
Befreiungsorganisatio, die PLO, schon vor Jahren denunziert, also aufgegeben hatte.
Diese Meinung ist jetzt wieder auf dem Vormarsch. Abas möchte mit so einem Referendum,
das rechtlich noch eine schwierige Konstruktion ist, eine Zweistaatlichkeit zementiert
haben, so dass man kurz- oder mittelfristig sagen kann, wir bilden erst einmal zwei
Staaten. Dann werden wir sehen, ob es Kooperation zwischen Israel und Palästina geben
kann.“
Die aktuelle Regierung Palästinas war eine Überraschung, auch für
die Beteiligten selbst. Auch deshalb gibt es jetzt Probleme:
„Das bedeutet,
man hat innerhalb kürzester Zeit eine Regierung zusammenstellen müssen und musste
sich jetzt auch an das Regieren gewöhnen und das ist etwas anderes, als lautstark
zu fordern und zu tönen. Regieren hat etwas mit Realpolitik zu tun und genau diese
realpolitische Situation haben wir jetzt vor Augen.“
Gestern Nacht hat
der einzige Christ im muslimischen Kabinett der Hamas, Tourismusminister Dschudeh
Murkos, seinen Rücktritt erklärt. Für die Christen in Palästina ändert sich nichts,
denn:
„Man hat ihn eigentlich als Feigenblatt-Minister hingesetzt. Wichtig
ist zu wissen, dass jetzt durch die Regierung der Hamas eine dritte Stufe eingetreten
ist für das Leiden der Christen im Nahen Osten. Eine Staatsgründung Palästinas wäre
sicherlich das Todesurteil für die letzten palästinensischen Christen, die unter einem
muslimischen Staat viel mehr leiden müssten als in den umliegenden muslimischen Staaten,
wie zum Beispiel Ägypten. Hier gibt es immerhin noch zehn Prozent Christen, in Palästina
noch ein Prozent.“
Wenn die Lage in Palästina jetzt erneut eskaliert, liegt
das nicht am Wahlsieg der radikal-islamischen Hamas, sagt Schroedel. Der Zeitraum
der letzten 20 Jahre und letzlich die sozialen Bedingungen seien ausschlaggebend,
weniger die religiösen:
„Angestaut hat sich dort sehr viel Zorn innerhalb
der Gemeinschaft selbst, Zorn nicht zuletzt gegen die Regierung. Weil man einfach
auch wirtschaftlich ruiniert ist. Dann entsteht natürlich Hass und Terror. Wenn ich
nichts mehr zu beißen habe, dann ist mir mein ganzes Leben egal, dann gibt es auch
Selbstmordattentate und ähnliches.“
In der ganzen Debatte darf nicht vergessen
werden, das betont Schroedel immer wieder, die Palästinenser wollten bei den Wahlen
im Januar nicht für Gewalt oder gegen Israel votieren:
„Man wollte die PLO-Regierung
abwählen, weil sie zu korrupt war. Dass man jetzt mit der Abwahl sich als palästinensisches
Volk etwas sehr viel schwierigeres erkauft hat, nämlich eine fundamentalistische Regierung,
das hat man nicht so kommen sehen. Aber das ist das Los der Demokratie.“