Papst Benedikt XVI.
hat sich für eine ganzheitliche Sicht der Liebe in der Erziehung ausgesprochen. Benedikt
XVI. sprach vor 4000 Teilnehmer der Diözesankonferenz von Rom zum Thema „Die Freude
am Glauben“. Bei dem Treffen geht es um die Frage, wie der Glaube an die nächste Generation
weitervermittelt werden kann. Die größte Gefahr gehe von zwei Tendenzen in der Gesellschaft
aus, so der Papst: „Eine von ihnen ist der Agnostizismus, er entspringt der Beschränkung
der menschlichen Vernunft zu einer rein berechnenden und funktionalen Vernünftigkeit.
Diese neigt dazu, den religiösen Sinn zu ersticken, der dem Innersten unseres Wesens
eingeschrieben ist. Die andere ist die Relativierung und Entwurzelung, die die heiligsten
Bindungen des Menschen und seine edelsten Gefühle zerstört, mit dem Ergebnis, dass
die Menschen geschwächt, und unsere Beziehungen zueinander unsicher und instabil werden.“
Wesentlich sei, so Benedikt, das Bewusstsein, von Gott geliebt zu sein und diese
Liebe auch weiterzugeben. Weiter betonte der Papst die Bedeutung der Wahrheitsfrage.
Die Sehnsucht nach Wahrheit gehöre zum Wesen des Menschen, daher dürfe sie bei der
Glaubensweitergabe nicht ausgeklammert werden. „Besonders die Jugendlichen, die
in sich heftig den Ruf der Liebe verspüren, müssen von dem Vorurteil befreit werden,
dass das Christentum mit seinen Geboten und Verboten der Freude der Liebe allzu viele
Hindernisse in den Weg stelle, besonders dass das Christentum verhindere, das wahre
Glück in der gegenseitigen Liebe zwischen Mann und Frau zu finden. Im Gegenteil, der
christliche Glaube und die christliche Ethik wollen diese Liebe nicht ersticken, sondern
diese heilen, stärken und wahrhaft frei machen: Genau das ist der Sinn der zehn Gebote,
die nicht eine Folge von „Neins“ sind, sondern ein großes „Ja“ zur Liebe und zum Leben.“
Daher dürfe die große Frage nach Liebe bei der Weitergabe des Glaubens nicht ausgeklammert
werden: „Wenn wir es täten, würden wir ein kopflastiges und leibloses Christentum
anbieten, das einen Jugendlichen, der sich dem Leben öffnet, nicht wirklich interessieren
kann. Wir müssen hinführen zu einer ganzheitlichen Sicht der christlichen Liebe, wo
die Liebe zu Gott und die Liebe zum Menschen untrennbar verbunden sind und wo die
Liebe zum Nächsten eine äußerst konkrete Aufgabe ist.“ Neben dem Verlangen nach
Liebe sei die Sehnsucht nach Wahrheit Teil des menschlichen Wesens. Deswegen dürfe
die Frage nach der Wahrheit nicht ausgeklammert werden. „In der Erziehung der kommenden
Generationen dürfen wir keinerlei Angst haben, die Wahrheit des Glaubens mit den gültigen
Errungenschaften des menschlichen Wissens zu konfrontieren. Der Dialog zwischen Glaube
und Vernunft, wenn er mit Ehrlichkeit und Kraft geführt wird, eröffnet in überzeugender
Weise die Möglichkeit, die Vernünftigkeit des Glaubens an Gott wahrzunehmen, nicht
irgendeines Gottes, sondern der Glaube an den Gott, der sich in Jesus Christus geoffenbart
hat. Liebe jungen Menschen von Rom, laßt euch mit Vertrauen und Mut ein auf den Weg
der Suche nach der Wahrheit. Und ihr, liebe Priester und Erzieher, zögert nicht, eine
„Pastoral der Intelligenz“ und weiter noch eine „Pastoral der Person“ zu fördern,
die die Fragen der jungen Menschen ernst nimmt, gleich ob es sich um existentielle
Fragen handelt oder um Fragen, die sich ergeben aus der Konfrontation mit neuen heute
verbreiteten Formen der Rationalität. Ihr müsst ihnen helfen, die bleibend gültigen
Antworten des Christentums zu finden, damit sie sich schließlich jene Antwort zu eigen
machen können, die Jesus Christus ist.“ Weiter betonte der Papst, dass in dem
Maße, in dem die Gläubigen sich von Christus nährten und – so wörtlich – in ihn verliebt
seien, so würden sie auch den Ansporn spüren, dem Nächsten Christus weiterzutragen
– gerade angesichts der eigenartigen Gottvergessenheit, die in der Welt mancherorts
verbreitet sei, und zum Teil auch in Rom. Denn: „Die Freude des Glaubens können
wir nicht für uns behalten, wir müssen sie weitergeben.“ (rv 060606 mc)