Benedikt auf den Spuren des Vorgängers: ein Bericht.
Wadowice wartet auf
den Papst. Ordensfrauen wiegen sich im Takt und schwenken ihre weißen Taschentücher
zu dem Halleluja, das noch vom Weltjugendtag im Ohr klingt. Auf den Häusermauern sind
Plakate des verstorbenen Papstes befestigt – Papst Johannes Paul II schwebt über der
Stadt. Und Papst Benedikt begibt sich auf eine Reise in die Geschichte. Erste
Station war die „Basilika der Unbefleckten Empfängnis“ wo der Papst unter anderem
von der Bürgermeisterin, Ewa Filipiak begrüßt wurde. Der Papst verharrte für einen
Moment im stillen Gebet, umgeben von zahlreichen Kardinalen unter anderem der ehemalige
Erzbischof von Krakau, Kardinal Macharski, der jetzige Erzbischof, Stanislaw Dziwisz
und Kardinal Kaspar, Ökumeneminister im Vatikan. Dass auch Kardinal Kaspar den Papst
nach Polen begleitet, kann wohl als positives Signal für die deutsch-polnischen Beziehungen
gedeutet werden. Sie alle begleiten Papst Benedikt zum Elternhaus Karol Wojtylas,
das ungefähr 50 Meter von der Basilika entfernt ist.
Am Eingang wird dem Papst
zum Empfang ein dickes Besuchsbuch auf den Tisch gelegt. Dann wird er in den ersten
Stock zu der einfachen Drei-Zimmer-Wohnung Karol Wojtylas begleitet. Hier wurde schon
vor Jahren ein Museum eingerichtet - Schwarzweißfotografien zeigen die Eltern des
verstorbenen Papstes. Auf einer Fotografie ist Karol Wojtyla als kleiner Junge neben
einem Marienbild zu sehen. Seine Ski stehen in einer Ecke und der alte braune Kachelofen
der Familie kann hinter einer Glasscheibe betrachtet werden. Die Kardinäle unterhalten
sich angeregt über die Ausstellungsstücke während sich der Papst umzieht und auf nächsten
Besuch vorbereitet: Der Rynek Platz in Wadowice, wo ihn Tausende bereits singend
erwarten. Dann erscheint er in seiner winterlichen Samtmozetta, ein roter geknüpfter
Umgang. Der Papst sprach auf polnisch zu den Gläubigen. Doch kaum hatte er den ersten
Satz beendet, ließ ihn die Menge nicht mehr weiter sprechen. Jubelrufe, die er lächelnd
erwiderte. Dann erklärte er den Gläubigen, warum er den Geburtsort seines Vorgängers
unbedingt aufsuchen wollte: „Hierher wollte ich kommen, an den Ort, an dem
sein Glaube entstand und reifte, um gemeinsam mit euch zu beten, damit er bald zur
Ehre der Altäre erhoben wird. Johann Wolfgang Goethe, der große deutsche Dichter,
sagte: "Wer einen Dichter verstehen will, muss sich in sein Land begeben." Und so
war es auch nötig, in Johannes Pauls Geburtsstadt zu kommen, um sein Leben und sein
Amt zu verstehen.
Wenn Johannes Paul II. zu seinen Ursprüngen zurückkehrte,
bezog er sich oft auf ein Zeichen: das des Taufbeckens in der Kirche von Wadowice.
Das allgemeine Programm eines wirklich christlichen Lebens lässt sich zusammenfassen
in der Treue zu den Versprechen der Heiligen Taufe.
Johannes Pauls Liebe zur
Kirche entstand in der Pfarrei von Wadowice. Hier tauchte er ein in das sakramentale
Leben. Deshalb maß er als Priester, Bischof und Papst den Pfarrgemeinden so große
Bedeutung zu. In diesem Geist habe ich die polnischen Bischöfe auf ihrem Ad-Limina-Besuch
gebeten, ihr Möglichstes zu tun, damit die polnische Pfarrgemeinde tatsächlich eine
"kirchliche Gemeinschaft" und eine "Familie der Kirche" ist. Papst Bendedikt
endet mit folgendem Wunsch: Im Geist von Johannes Pauls Hingabe
an Maria möchte ich Gott danken für das Pontifikat Johannes Pauls II. Wie er will
ich die Madonna bitten, sich der Kirche anzunehmen, deren Leitung mir nach dem Willen
Gottes anvertraut ist. Ich bitte auch euch, liebe Brüder und Schwestern, mich mit
demselben Gebet zu begleiten, das ihr eurem großen Landsmann zuteil habt werden lassen."
Während
die Gläubigen in Wadowice singen und schunkeln, verschwindet der Papst in seinem schwarzen
Auto und reist direkt weiter nach Kalwaria Zebryzdowska – circa 13 Kilometer von Wadowice
entfernt, um den zweitgrößten Marienwallfahrtsort Polens aufzusuchen. Auch hier wird
ihm ein klassischer Empfang geboten: Der Papst betritt die Kapelle der Madonna
durch den Seiteneingang. Er verharrt im Gebet. Dann legt er einen gesegneten Rosenkranz
vor der „Schmerzensreichen Madonna“ als Geschenk nieder. Es ist eine stille Begegnung
mit dem Ort, an dem Karol Wojtyla, als junger Arbeiter und Seminarist auf dem Weg
zur Arbeit halt machte, um zu beten. Den Gläubigen, die auch hier in Kalwaria
Zebryzdowska zu tausenden auf ihn warten, berichtet er von seiner Begegnung mit der
Madonna. Er habe für einen Moment Einkehr gehalten, um für seinen Vorgänger zu beten.
So wie es sich Papst Johannes Paul der II. wünschte, als er diesen Ort während seines
Pontifikats besuchte. Papst Benedikt schloss mit den Worten: „Seinem Beispiel
folgend möchte auch ich mich an euch wenden und euch darum bitten, für mich und die
ganze Kirche zu beten“. Auch nach dem Segen und diesem eher kurzen Intermezzo
wollen ihn die Menschen nicht gehen lasse. Etwas Hilfe suchend wendete sich Papst
an den jetzigen Erzbischof von Krakau, Stanislaw Dziwisz – dann verschwindet er in
seinem schwarzen Wagen. Während die Menschen immer ausgelassener feiern, ist der Papst
schon wieder weiter – zu dem Heiligtum nach Lagiewniki.
Über der „Basilka der
göttlichen Barmherzigkeit“, einem ovalen weißgrauen Bau, thront eine Statue Papst
Johannes Paul II., der im August 2002 diese riesige Basilika mit ihren 5000 Sitzplätzen
einweihte. In dem hellen weiten inneren der Kirche hängt das Bildnis des Barmherzigen
Jesus über den Reliquien der Schwester Faustina. Hier lebte die Schwester zu der Zeit,
als Jesus ihr erschien und ihr die barmherzige Liebe des Vaters offenbarte.Der Jubel
hört schlagartig auf, als sich der Papst Benedikt zum Beten niederkniet. „Wir
stehen vor zwei Geheimnissen. Das Geheimnis des Leidens und das Geheimnis der Göttlichen
Barmherzigkeit“, so Papst Benedikt, der in dieser Basilika insbesondere die kranken
und behinderten Menschen begrüßte. Diese Geheimnisse erschienen nur auf den ersten
Blick ganz gegensätzlich, so der Papst. Betrachte man sie im Lichte des Glaubens,
so werde deutlich, dass sie sich in gegenseitiger Harmonie bedingen. In der Basilika
hatten sich insbesondere kranke und behinderte Menschen versammelt, um dem Papst zu
begegnen. Ihnen schenkt er nicht nur in seiner Rede Aufmerksamkeit. Beim Verlassen
der Kirche blieb er einen Moment länger stehen, um sie zu segnen. Zum Abschluss
wartete nicht der schwarze Wagen, sondern das Papamobil auf den Papst. Winkend verabschiedete
er sich zum dritten Mal von den Gläubigen.