Knapp eine Woche vor dem Besuch Papst Benedikt XVI. erschüttert eine angebliche Spitzelaffäre
die katholische Kirche in Polen. Ein Priester und Vorstandsmitglied des Polnischen
Rates der Christen und Juden soll 24 Jahre lang Spitzel für die kommunistische Geheimpolizei
SB gewesen sein. Das melden übereinstimmend die Tageszeitungen «Dziennik» und «Gazeta
Wyborcza» in ihren heutigen Ausgaben.
Die angebliche Affäre kam gestern ans
Tageslicht. Die Warschauer Tageszeitung «Zycie Warszawy» veröffentlichte einen Bericht,
der sich auf Akten des «Instituts der Nationalen Erinnerung» stützt, des polnischen
Gegenstücks der Birthler-Behörde. Demnach existiert im Archiv des Instituts eine 440
Seiten umfassende Akte über einen geheimen Mitarbeiter in der Kirche mit dem Decknamen
«Jankowski». Nach den Angaben des Instituts handelt es sich dabei um den Priester
Michal Czajkowski. Den Unterlagen zufolge schrieb Czajkowski bis 1984 Berichte für
die kommunistische Polizei. Czajkowski selbst bestreitet nun aber jede Geheimdiensttätigkeit.
Seine Akte soll zufällig entdeckt worden sein. Immer wieder gab es in den letzten
Monaten Berichte, nach denen auch Kirchenleute für den kommunistischen Geheimdienst
gearbeitet haben sollen. Klar ist aber, dass die überwältigende Mehrheit der Christen
in Polen Opfer des kommunistischen Regimes waren und nicht Täter. Die Kirche war unter
den wichtigsten Kräften des Widerstands. Kardinal Stanislaw Dziwisz von Krakau hat
eine Kommission einberufen, die das Thema Kirche und Kommunismus aufarbeiten soll. (kna
19.05.06 gs)