Italien: Kirche fordert Klarheit im Fußballskandal
Die alte Dame Juve,
Italiens Rekordmeister Juventus Turin zittert, und mit dem Fußballverein ein ganzes
Land. Klingt theatralisch, ist aber so, zumindest für die Mehrheit der Bevölkerung
und die Journalisten. Denn Fußball ist für den Italiener mehr als nur die schönste
Nebensache der Welt; Mann und Frau zwischen Brenner und Kap Passero brauchen das runde
Leder ,um die hohe Arbeitslosenrate und die niedrige Investitionsrate wenigstens an
einem Tag in der Woche zu vergessen. Das sagt auch der Sportreferent der Italienischen
Bischofskonferenz, Carlo Mazza: „Vor Augen habe ich besonders die Millionen
von leidenschaftlichen jungen und weniger jungen Tifosi , die an den Fußball geglaubt
haben und Gott sei Dank noch an den Fußball glauben.“ Es ist der größte Skandal
in der Geschichte des italienischen Fußballs. Insgesamt laufen Ermittlungen gegen
41 Personen, darunter Schiedsrichter, Funktionäre, Trainer, aber auch gegen den Torhüter
und inzwischen einen Stürmer der Nationalmannschaft. 29 Spiele von 36 sollen in der
Saison 2004/2005 zugunsten von Juventus Turin manipuliert worden sein. Italiens größte
Zeitung "Gazzetto dello Sport" will wissen, auch elf Spiele der gerade zu Ende gegangenen
Spielzeit seien manipuliert worden. Carlo Mazza fordert klare Prioritäten: “Erstens:
Die Finanzen müssen offen gelegt werden und die Bilanzen auf Heller und Pfennig stimmen.
Zweitens: Die verschiedenen Organe müssen autonom und unabhängig sein; vor allem zwischen
Schiedsrichtern und Sportvereinen darf es keinerlei Abhängigkeiten geben. Drittens:
Der Nationale Fußballverband muss stärker kontrollieren.” Gestern wurde der
Ex-Manager von Juvenuts Turin sechs Stunden lang verhört, bis er heulend zusammenbrach.
"Was ich getan habe, habe ich für Juventus Turin getan", erklärte Luciamo Moggi der
Staatsanwaltschaft Neapel. Gleichzeitig: "Ich bin unschuldig." Der Pastoraltheologe
und bischöfliche Fußballexperte sagt: Nur den Kopf nicht in den Sand stecken. Vor
allem Kinder und Jugendliche sollen weiter Fußball spielen, sich im Vereinsleben engagieren.
Schließlich seien Generationen so herangewachsen und hätten aus dem Spiel auf dem
Platz Lehren für ihr persönliches Leben gezogen.
“Il Calcio ist dazu in
der Lage, sich selbst aus der Krise zu ziehen. Vor allem darf man jetzt nicht das
Vertrauen und die Leidenschaft am Spiel verlieren. Das ist einfach ein Phänomen, ein
kulturelles, soziales und sportliches. All diese Werte gibt es noch, die sind nicht
plötzlich im Nichts verpufft.” Und doch: Es ist mehr als nur wahrscheinlich,
dass wahr wird, was aus sportlicher Sicht unvorstellbar war: Der uneinholbare Rekordmeister,
die „alte Dame“ Juve, der Stolz des italienischen Fußballs, fanatischer geliebt, aber
auch noch abgrundtiefer gehasst als der FC Bayern München, spielt in der Serie B,
der zweiten Liga. Strafversetzt. Das wiederum könnte den Verlust von Sponsorengeldern
und TV-Einnahmen in Höhe von 120 Millionen Euro bedeuten. (rv 16.05.06 bp)