2006-05-11 15:26:11

Dossier: Mozart. Zum 250. Geburtstag.


Die Ouvertüre zur Oper Don Giovanni von Wolfgang Amadeus Mozart dauert nicht länger als 6 Minuten und ein paar Sekunden: sie gehört zu den kürzesten Einführungen, die jemals zu einer Oper geschrieben wurden. Und zu den schönsten. Sie gibt bereits den Inhalt des gesamten Meisterwerkes wieder: Dramatik, Leidenschaft,Todesahnung, Liebe, Eros und Glauben finden in einer glanzvollen Synthese ihren vollkommenen musikalischen Ausdruck . Das Wechselspiel von Licht und Schatten dieser Overtuere gibt in gewisser Weise Höhen und Tiefen des eigenen, kurzen und dennoch erfüllten Lebens von Mozart wieder.. ­ ŒDon Giovanni¹ eines von fast 700 Werken von Wolfgang Amadeus Mozart.



Stichwort Glaube:

In der Mozartforschung wird dieses Thema ziemlich kontrovers behandelt. Die verschiedenen Darstellungen reichen von einem empfindsamen Katholiken bis hin zum antikirchlich eingestellten Freimaurer. Die Zeugnisse aus seinem eigenen Mund sind eher selten. Wolfgang Amadeus Mozart schneidet religiöse Fragen hautpsächlich im Briefwechsel mit seinem Vater Leopold an. Sie klingen echt und glaubhaft. Die Mozartforschung neigt allerdings zur Annahme, dass sie bisweilen aus Berechung geschrieben worden seien, um der übermächtigen Vaterfigur zu entsprechen. Auf der Spurensuche der Religiosität Mozarts sind wir unter anderem auf einen Ausspruch des Regensburger Domkapellmeisters und Bruders von Papst Benedikt XVI., Georg Ratzinger gestoßen: ŒMozarts Musik ist eine Botin des Glücks der Seligkeit, die die himmlische Realität abbildet. Und sie kündet von der Einheit der Schöpfung mit ihrem Schöpfer¹, sagt Domkapellmeister Ratzinger. Und damit wollen wir diese Sendung beginnen.





Was macht Mozart zum Boten des Glücks und der Seligkeit? Ist es die zeitlose Frische und Lebendigkeit seiner Musik? Ist es sein Genius? Mozart war nie aktuell in dieser oder in jener Zeit, er musste nicht, wie etwa Bach oder andere große Künstler, in einer späteren Zeit wieder entdeckt werden, meint der Musikwissenschaftler und Komponist Hubert Stuppner. Er war immer da und blieb es. Mozart ist in keinem Jahrhundert älter geworden. ŒDer Himmel¹ sagte einmal der unvergessene Intendant und Regisseur August Everding, Œkennt keine Entwicklung. Mozarts Genie ist der permanente ŒStatus quo¹ der schönen Musik. Und in der Tat: Diese Loslösung von der Aktualität sieht man auch an seiner Interpretationsgeschichte: Moden konnten und können Mozart wenig anhaben, er blieb und bleibt im Bewußtsein der Menschen ein Zeitloser¹.









Mozart wurde in ein religiöses Elternhaus hineingeboren und wuchs im kirchlich geprägten Umfeld einer bischöflichen Residenzstadt auf, die bis heute ihr katholisches Flair behalten hat. Vater Leopold Mozart, beeinflußt von seiner jesuitischen Schulbildung in Augsburg, stand im bischöflichen Dienst. Die Mutter Mozarts stellte Wolfgang und seine Schwester Nannerl unter den besonderen Schutz der Gottesmutter. Die Familie Mozart kann als praktizierend katholisch bezeichnet werden, was aus vielen Briefen und Tagebuchnotizen hervorgeht. Dokumentiert ist auch, dass die Mozarts auf ihren Reisen durch Europa stets den Kontakt zu kirchlichen Stellen und Würdenträgern suchten. Mehrfach erwähnt Wolfgang Amadeus Mozart, dass er zur Beichte gegangen ist und die Kommunion empfangen hat. Seine religiöse Einstellung war nach seinen eigenen Darstellungen vom Glauben an Gottes Führung geprägt. ŒIch habe Gott immer vor Augen, - ich erkenne seine Allmacht, ich fürchte seinen Zorn, ich erkenne aber auch seine Liebe, sein Mitleiden und seine Barmherzigkeit gegenüber seinen Geschöpfen¹, schreibt Mozart 1776 in sein Tagebuch.





Es gibt natürlich zahllose Meinungen über Wolfgang Amadeus Mozart. Besonders eindrucksvoll hört sich dazu eine Stellungnahme des österreichischen Dirigenten Nikolaus Harnoncourt an: Er schätzt Mozart als ein großes Rätsel ein: Ich habe den Eindruck ­ so Harnoncourt - ihn hat es eigentlich so gar nicht gegeben. Es muss wohl ein Engel in ihm gesteckt haben. Und seltsamerweise fügt der bedeutende Dirigent hinzu: ŒOder ein Teufel¹. Es müsse wohl ein anderer ­ Mozart ständig die Feder geführt haben, schreibt Harnocourt. Wen meint er wohl?





Wolfgang Amadeus Mozart stand in Salzburg ­ wie sein Vater ­ im kirchlichen Dienst. Zunächst als unbesoldeter und dann als besoldeter Konzertmeister, Hof- und Domorganist. Der bekannte Konflikt mit der kirchlichen Autorität ist in Verbindung zu bringen mit der Person von Fürsterzbischof Colloredo, einem eifrigen Anhänger der Aufklärung. Das schroffe und autokratische Benehmen des Trentiner Kirchenmannes gegenüber seinen Untergebenen stieß bei Wolfgang Amadeus Mozart auf radikale Ablehnung. Das Zerwürfnis mit dem geistlichen Landesfürsten stellt allerdings keinen Bruch Mozarts mit Kirche und Religion dar. Es war eine rein persönliche Angelegenehit. Und auch die vielzitierte Zugehörigkeit Mozarts zu den Freimauern muss aus der Zeit heraus gesehen werden. Im 18. Jahrhundert war die Zugehörigkeit zu einer Loge und katholischer Glaube kein Widerspruch gewesen. Trotz Androhung der Exkomunikation zählten zu den Freimauern damals auch viele Geistliche. Mozart versuchte durch die Freimauerei eher Kontakte und neue Auftraggeber für seine Werke zu finden.



Mozarts Musik bedarf keiner Deutung, sie ist so, wie sie klingt, unverstellt, unverblümt und direkt. Und warum begeistert Wolfgang Amadeus Mozart so viele verschiedene Menschen in allen Erdteilen der Welt? Ist es das Rätsel, von dem Nikolaus Harnoncourt gesprochen hat ? Oder ist es die Botin des Glücks der Seligkeit, wie es Georg Ratzinger, der Bruder des Papstes nennt? Mozarts ungewöhnliche Fähigkeiten machten ihn fast zu einem ŒAußerirdischen¹, der stellvertretend für alle, die Beschränktheit des Menschen in dieser Welt, die Dummheit und Mittelmäßigkeit widerlegt und die Potentiale des menschlichen Geistes aufgedeckt hat. Ein Lichtheld, also. Der Mozart-Biograph Wolfgang Hildesheimer hat Mozart als mutistisches Kind beschrieben, das sich nur durch Töne zu äußern vermochte, wie Kaspar Hauser. Milos Forman hingegen stellt ihn in seinem berühmten Film ŒAmadeus¹ als einen ständig schwätzenden und lachenden Jüngling dar. Diese Extreme beweisen, wie schwer es ist, dem Geheimnis Mozart nahe zu kommen.













Von großer Sensibilität zeigt sich Amadeus Mozart in der Auseinandersetzung mit dem Sterben. Als hätte er sein kurzes Leben vorausgeahnt. Im letzten Brief an seinen Vater vom 4. April 1787 ist zu lesen: Da der Tod, genau zu nehmen, der wahre Endzweck unseres Lebens ist, hat sein Bild für mich nichts Schreckendes, sondern recht viel Beruhigendes und Tröstendes. Ich lege mich nie zu Bett ohne zu bedenken, dass ich vielleicht am nächsten Tag nicht mehr sein werde¹. Am Ende von Mozarts Lebens stehen zwei kirchenmusikalische Werke, denen ein persönliches, tiefes Glaubenszeugnis nicht abgesprochen werden kann: das Requiem, an dessen Arbeit Mozart am 5. Dezember 1791 gestorben ist, und die schlichte und verinnerlichte Motette ŒAve verum¹¹, komponiert für das Fronleichnamsfest. In dem MozartKonzert, das die Stadt Rom aus Anlass des ersten Jahrestages der Wahl von Papst Benedikt XVI. im vergangene April im Auditorium widmete ­ bezeichnete Papst Benedikt in seiner Dankesrede dieses¹ ŒAve Verum¹ als ein von ihm besonders geschätztes geistliches Werk. Wolfgang Amadeus Mozart schrieb es wenige Monate vor seinem Tod.





Zu unserer Eingangsfrage: war Mozart ein religiöser Mensch? Seine Musik, seine Werke, besonders seine großen geistlichen Werke sind es auf jeden Fall. Als Mensch bleibt uns Amadeus Wolfgang Mozart eher ein Rätsel. Zumindest darin sind sich die Biografen einig. Deshalb sucht jede Epoche ihren Mozart. Vor 50 Jahren ­ zum Mozartjahr 1956 ­ hat der protestantische Theologe Karl Barth sein berühmtes ŒBekenntnis zu Mozart¹ abgelegt und das Spielen als Merkmal Mozarts ins Zentrum gerückt. Darin rühmt er die Leichtigkeit und den Ernst seiner Musik, den irdisch-himmlischen Zusammenklang seiner Kompositionen, die gelungene Integration von Gegensätzen, das Geheimnis seines Schaffens und nicht zuletzt auch die Selbstverständlichkeit des Religiösen in Mozarts Leben und seiner Musik. Wir möchten diesem Bekenntnis beipflichten und nichts mehr hinzufügen.
(Aldo Parmeggiani, Radio Vatikan)








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