Seit drei Jahren ist
Elmar Mäder Kommandant der Schweizergarde. Der Jurist aus Thurgau sorgt mit seiner
Truppe für Ruhe und Sicherheit im kleinsten Staat der Welt. Zum 500. Jubiläum der
Schweizergarde sprachen wir mit Elmar Mäder über den Geist der Truppe, geheimnisvolle
Aktentaschen und Sicherheitsrisiken für den Papst. Die Fragen stellte Gudrun Sailer.
Sailer: Vor fünfhundert Jahren hat Papst Julius II. die ersten Schweizer Söldner
zu seinem persönlichen Schutz hier in den Vatikan kommen lassen. Wie würden Sie heute
das beschreiben, was man den „Geist der Schweizergarde“ nennen könnte?
Mäder:
Nun, einerseits ist es sicher die Spiritualität, die nach wie vor beim Schweizergardisten
da ist, wie vor fünfhundert Jahren. Der Dienst für die Kirche, für den Papst, das
ist das zentrale Element unseres Dienstes. Die Kameradschaft ist auch ein wesentliches
Element dieses Geistes: Junge Männer, die hier zusammen kommen und gute Junggesellenjahre
miteinander erleben wollen, und auch einen wesentlichen Schritt in ihrer Persönlichkeitsentwicklung
machen.
Sailer: Kann man so etwas wie ein Vorher-Nachher-Bild eines Rekruten
entwerfen?
Mäder: Das kann man auf jeden Fall. Schon nach einem Jahr merkt
man große Unterschiede. Das sind ja junge Leute zwischen zwanzig und fünfundzwanzig,
die hierher kommen. Die haben keine internationale Erfahrung, die haben auch wenig
oder keine Erfahrung auf dem Sicherheitssektor, wir bilden sie hier ja erst aus. Nachher
sieht man dann schon einen Persönlichkeitssprung. Es wächst das Selbstbewusstsein.
Das wird auch erwartet, dass der Gardist, vor allem dann wenn er an den Eingängen
steht, eine Autorität darstellt. Das Training schlägt sich mit der Zeit natürlich
in der Persönlichkeit nieder. Die Gardisten werden sicherer, selbstbewusster im Auftreten.
Sailer:
Wie viele der Schweizergardisten verlängern ihren Dienst?
Mäder: Wir haben
etwa achtzig, fünfundachtzig Prozent, die nach zwei Jahren Mindest-Dienstzeit wieder
zurück kehren und diese Zeit mitnehmen als schöne Erfahrung. Etwa fünfzehn bis zwanzig
Prozent verbringen noch weitere Monate oder Jahre hier. Man muss schon befördert werden,
Unteroffizier werden, damit man wirklich auf lange Sicht in der Garde bleibt. Ab der
Stufe Korporal kann man dann heiraten, aber dazu muss man schon etwa vier bis sechs
Jahre in der Garde sein.
Sailer: Haben schlaue Kostümkundler mittlerweile ein
für alle mal herausgefunden, wer die farbenfrohen Wachuniformen der Schweizergardisten
entworfen hat?
Mäder: Es gibt jetzt ein neues Buch mit Stichen und Aquarellen
aus der Sammlung von Roman Vringeli, auch über die Uniform der Schweizergarde, aber
auch da kann man eigentlich nicht feststellen wer das gemacht hat. Jules Repond, der
Kommandant, der 1914 die Reform der Uniform durchgeführt hat, hat selbst ein Buch
geschrieben, und auch er kommt nicht zu dem Schluss, Michelangelo sei es gewesen.
Aber man hat sich natürlich die original Zeichnungen, Stiche und Fresken der Zeit
angesehen. Wenn ich von Fresken spreche, dann waren das eben Fresken von Raffael und
Michelangelo und dort waren auch Schweizergardisten abgebildet.
Sailer: Ist
ein persönlicher Wachmann in so einer farbenfrohen Uniform ein Garant für guten Schutz?
Mäder:
Man muss unterscheiden: Wir haben uniformierten Dienst, wir haben aber auch Dienst
in Zivil. Der ganze Nahschutz des Papstes, das sind Leute die Anzug und Krawatte tragen,
die man von anderen Leuten gar nicht groß unterscheiden kann. Dann haben wir natürlich
die Gardisten in Uniform, die teilweise auch Wachaufträge erfüllen. Das ist absolut
möglich in Uniform. Sie ist nicht hinderlich, und wir müssen uns auch des Umfeldes
bewusst sein. Wir wollen kein marzialisches Auftreten an den Eingängen, weil wir ja
mit Pilgern und Touristen zu tun haben. Es soll ein feundliches Wilkommen sein am
Vatikaneingang, und dazu ist die Uniform durchaus dienlich.
Sailer: Am 13.
Mai 1981 kam es zu dem schrecklichen Anschlag auf Johannes Paul II. mitten auf dem
Petersplatz. Ein Alptraum für seinen persönlichen Sicherheitsdienst. Kein Schweizergardist
der Welt hätte dieses Attentat verhindern können. Nun fährt Papst Benedikt wieder
im offenen Jeep bei der Generalaudienz. Wie geht es Ihnen da?
Mäder: Also Angst
habe ich keine. Ich schätze persönlich das Risiko für den heiligen Vater zur Zeit
als sehr gering ein. Ich denke nicht, dass jemand politisch oder religiös motiviert
etwas unternehmen wollte. Wir können ja auch den Papst nicht hinter Panzerglas stellen,
denn er ist ja kein Ausstellungsobjekt, sondern der Stellvertreter Christi, und er
muss mit den Menschen in Kontakt kommen, um sein Amt ausüben zu können. Da muss die
Sicherheit gewisse Konzessionen machen. Wir sind natürlich auch immer darauf bedacht,
dem Image des Papstes keinen Schaden zuzufügen. Wenn wir intervenieren müssen, müssen
wir uns das vielleicht sogar noch mehr überlegen als bei anderen Staatsoberhäuptern,
was wir wann tun können. Das ist eine Schwierigkeit, eine Wanderung auf Messers Schneide.
Sailer:
Verraten Sie mir, was in den Aktenköfferchen drin ist, die Schweizergardisten manchmal
mit sich führen?
Mäder: Das ist ganz simpel! Früher hat der Gardist das in
irgendwelchen Taschen mitgetragen. Wir wollten ein einheitliches Erscheinungsbild.
Er darf beispielsweise, je nach Dienstposten, lesen, gerade nachts etwa. Er hat auch,
je nach Dienst, zum Beispiel einen kleinen Schlafsack dabei, ein Leintuch. Das reicht
bei uns im Sommer bei diesen Temperaturen, weil der Gardist teilweise eben auch nicht
in seinem Zimmer schläft nachts, sondern es gibt Schlaflokale verteilt auf unser Wachdispositiv.
Sailer:
Die Sicherheitstechnik ist ja eine der Techniken, die sich sehr schnell weiterentwickeln.
Nun sind persönliche Schutztechniken natürlich immer top secret, aber vielleicht können
Sie ansatzweise nachzeichnen, welche Entwicklungen es in den letzten zehn Jahren gegeben
hat zum Personenschutz des Papstes?
Mäder: Wir trainieren mit einer Formation
in der Schweiz jedes Jahr den Nahschutz. Vor allem geht es da um das Team. Es ist
sehr wichtig, dass die Leute sich kennen, wissen, was ich von wem erwarten kann in
meinem Team, dass man auch ohne Worte kommunizieren kann, mit Handzeichen, Blicken.
Dann natürlich auch ‚Worauf schaue ich?’ und ‚Wer schaut wo hin?’. Ich denke da haben
wir in den letzen sechs, sieben Jahren gewaltige Fortschritte gemacht in der Garde.
Ich denke nicht, dass es große Neuerungen geben wird, auch von der Ausrüstung her.
Nicht alles was denkbar ist, ist wünschbar, eben wiederum mit Rücksicht auf die Ausübung
des Amtes des Pastes, auf sein Image. Da kann ich mir nicht vorstellen, dass wir technisch
noch große Sprünge machen können. (rv 05.05.06 gs)