Politisch wie selten eine Osterbotschaft - die erste von Papst Benedikt XVI. Wir dokumentieren
hier seine Worte zu "Urbi et Orbi" in der offiziellen deutschen Übersetzung:
Liebe
Brüder und Schwestern!
Christus resurrexit! – Christus ist auferstanden! Die
große Vigilfeier in dieser Nacht hat uns das entscheidende und stets aktuelle Ereignis
der Auferstehung, das zentrale Mysterium des christlichen Glaubens, neu erleben lassen.
Unzählige Osterkerzen sind in den Kirchen entzündet worden, um das Licht Christi zu
symbolisieren, das die Menschheit erleuchtet hat und weiter erleuchtet, indem es die
Finsternis der Sünde und des Bösen für immer besiegt. Und heute ertönen machtvoll
die Worte, welche die Frauen in Erstaunen setzten, die am ersten Tag nach dem Sabbat
zum Grab gekommen waren, wo man den eilig vom Kreuz abgenommenen Leichnam Jesu beigesetzt
hatte. Betrübt und untröstlich über den Verlust ihres Meisters, hatten sie den großen
Stein schon vom Eingang weggewälzt vorgefunden, und beim Eintreten in das Grab sahen
sie, daß sein Leib nicht mehr da war. Während sie so verunsichert und verloren dastanden,
wurden sie von zwei Männern in leuchtenden Gewändern überrascht, die sagten: „Was
sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden“
(Lk 24, 5-6). „Non est hic, sed resurrexit“ (Lk 24, 6). Seit jenem Morgen hören diese
Worte nicht auf, im Universum nachzuklingen als Verkündigung der Freude – eine Verkündigung,
die unverändert die Jahrhunderte durchzieht und zugleich reich ist an unendlichen
und immer neuen Resonanzen.
„Er ist nicht hier … er ist auferstanden.“ Die
himmlischen Boten teilen zunächst mit, daß Jesus „nicht hier“ ist: Der Sohn Gottes
ist nicht mehr im Grab, denn er konnte unmöglich ein Gefangener des Todes bleiben
(vgl. Apg 2, 24), und das Grab konnte den „Lebendigen“ (vgl. Offb 1, 18), der die
Quelle des Lebens selber ist, nicht festhalten. Wie Jona im Bauch des Fisches, so
blieb auch der gekreuzigte Christus im Verlauf eines Sabbats „verschlungen“ im Innern
der Erde (vgl. Mt 12, 40). Es war wirklich „dieser Sabbat ein großer Feiertag“, wie
der Evangelist Johannes schreibt (19, 31): der feierlichste der Geschichte, denn an
ihm führte der „Herr über den Sabbat“ (Mt 12, 8) das Schöpfungswerk zur Vollendung
(vgl. Gen 2, 1-4a), indem er den Menschen und den gesamten Kosmos in die Freiheit
und Herrlichkeit der Kinder Gottes erhob (vgl. Röm 8, 21). Nachdem dieses außerordentliche
Werk vollbracht war, ist der leblose Leib vom lebendigen Atem Gottes durchweht worden,
hat das Hindernis des Grabes gesprengt und ist glorreich auferstanden. Darum erklären
die Engel: „Er ist nicht hier“, er kann sich nicht mehr im Grab befinden. Er ist auf
der Erde der Menschen unterwegs gewesen und hat seinen Weg im Grab beendet wie alle,
doch er hat den Tod überwunden, und in absolut neuer Weise, durch einen Akt reiner
Liebe, hat er die Erde geöffnet, sie weit aufgerissen zum Himmel hin.
Seine
Auferstehung wird dank der Taufe, die uns in ihn „einfügt“, unsere Auferstehung. Das
hatte der Prophet Ezechiel vorhergesagt: „Ich öffne eure Gräber und hole euch, mein
Volk, aus euren Gräbern heraus. Ich bringe euch zurück in das Land Israel“ (Ez 37,
12). Diese prophetischen Worte bekommen am Ostertag eine einzigartige Gültigkeit,
denn heute erfüllt sich die Verheißung des Schöpfers; heute, auch in dieser unserer
von Unruhe und Unsicherheit gezeichneten Zeit, erleben wir erneut das Ereignis der
Auferstehung, die das Wesen unseres Lebens verwandelt, die Geschichte der Menschheit
verändert hat. Vom auferstandenen Christus erwarten – manchmal auch unbewußt – all
jene Hoffnung, die immer noch eingezwängt sind durch die Fesseln des Leidens und des
Todes.
Möge der Geist des Auferstandenen Erleichterung und Sicherheit bringen,
in Afrika besonders für die Bevölkerung von Darfur, die sich in einer nicht
mehr erträglichen dramatischen humanitären Situation befindet; für die Menschen in
der Region der Großen Seen, wo viele Wunden noch nicht verheilt sind, und für
die verschiedenen Völker Afrikas, die sich nach Versöhnung, Gerechtigkeit und
Entwicklung sehnen. Über die tragische Gewalt im Irak, die weiterhin erbarmungslos
Opfer dahinrafft, obsiege endlich der Friede. Frieden wünsche ich von Herzen auch
denen, die in den Konflikt im Heiligen Land verwickelt sind, und ermutige alle
zu einem geduldigen und beharrlichen Dialog, der die alten und neuen Hindernisse aus
dem Wege räumt. Die Internationale Gemeinschaft, die das Recht Israels auf eine Existenz
in Frieden erneut bekräftigt, möge dem palästinensischen Volk helfen, die prekären
Umstände, unter denen es lebt, zu überwinden und seine Zukunft aufzubauen, indem es
der Bildung eines wirklichen Staates entgegengeht.
Der Geist des Auferstandenen
löse in den Bemühungen der Länder Lateinamerikas eine erneute Dynamik aus,
damit die Lebensbedingungen von Millionen von Menschen verbessert und die demokratischen
Institutionen gefestigt werden in einer Grundhaltung der Eintracht und der tätigen
Solidarität. Was die internationalen Krisen im Zusammenhang mit der Atomkraft angeht,
so möge durch ernsthafte und aufrichtige Verhandlungen eine für alle ehrenvolle Schlichtung
erreicht werden; bei den Verantwortlichen der Nationen und der Internationalen Organisationen
stärke sich der Wille, ein friedliches Zusammenleben zwischen Ethnien, Kulturen und
Religionen zu verwirklichen, das die drohende Gefahr des Terrorismus fernhält.
Der
auferstandene Herr mache überall seine Kraft des Lebens, des Friedens und der Freiheit
spürbar. An alle sind heute die Worte gerichtet, mit denen der Engel am Ostermorgen
die verängstigten Herzen der Frauen beruhigte: „Fürchtet euch nicht! … Er ist nicht
hier; denn er ist auferstanden“ (Mt 28, 5-6). Jesus ist auferstanden und schenkt uns
den Frieden; er selbst ist der Friede. Darum wiederholt die Kirche mit Nachdruck:
„Christus ist auferstanden – Christós anésti.“ Die Menschheit des dritten Jahrtausends
scheue sich nicht, ihm das Herz zu öffnen. Sein Evangelium stillt in Fülle den Durst
nach Frieden und Glück, der in jedem menschlichen Herzen wohnt. Christus lebt im Jetzt
und geht mit uns. Welch unermeßliches Geheimnis der Liebe! Christus resurrexit, quia
Deus caritas est! Alleluia!