Kreuzweg am Kolosseum 14. April 2006 von Erzbischof Angelo Comastri
EINFÜHRUNG
Einige
Worte, die Dich auf dem Weg begleiten sollen Wenn wir den »Kreuzweg« gehen,
werden wir von zwei Gewißheiten wie von einem Blitz getroffen: von der Gewißheit der
zerstörerischen Macht der Sünde und von der Gewißheit der heilenden
Macht der Liebe Gottes. Die zerstörerische Macht der Sünde: Unermüdlich wiederholt
die Bibel, daß das Schlechte schlecht ist, weil es schadet; die Sünde ist nämlich
selbstbestrafend, denn sie enthält die Strafe bereits in sich. Dazu einige erhellende
Texte des Propheten Jeremia: „Sie liefen dem Nichtigen nach und wurden so selber
zunichte“(vgl. Jer 2, 5); „Dein böses Tun straft dich, deine Abtrünnigkeit
klagt dich an. So erkenne doch und sieh ein, wie schlimm und bitter es ist, den Herrn,
deinen Gott, zu verlassen und keine Furcht vor mir zu haben“(Jer 2,
19); „Eure Frevel haben die Ordnung gestört, eure Sünden haben euch den Regen vorenthalten“(Jer
5, 25). Und Jesaja bleibt nicht dahinter zurück: „Darum – so spricht der
Heilige Israels: Weil ihr dieses Wort mißachtet, weil ihr auf Ränke vertraut und euch
auf das Falsche verlaßt, darum wird eure Schuld für euch sein wie ein herabfallendes
Bruchstück von einer hoch aufragenden Mauer, die dann plötzlich, urplötzlich einstürzt.
Sie zerbricht wie der Krug eines Töpfers, den man ohne Erbarmen zerschlägt, so daß
sich unter all den Stücken keine Scherbe mehr findet, mit der man Feuer vom Herd holen
kann oder Wasser schöpfen aus der Zisterne“ (Jes 30, 12-14). Und indem
er den aufrichtigeren Gefühlen des Gottesvolkes seine Stimme verleiht, ruft der Prophet
aus: „Wie Unreines sind wir alle geworden, unsere ganze Gerechtigkeit ist wie ein
schmutziges Kleid. Wie Laub sind wir alle verwelkt, unsere Schuld trägt uns fort wie
der Wind“ (Jes 64, 5). Doch zugleich prangern die Propheten die Verhärtung
des Herzens an, die eine schreckliche Blindheit verursacht und die Schwere der Sünde
nicht mehr empfinden läßt. Hören wir Jeremia: „Sie sind doch alle, vom Kleinsten
bis zum Größten, nur auf Gewinn aus; vom Propheten bis zum Priester betrügen sie alle.
Den Schaden meines Volkes möchten sie leichthin heilen, indem sie rufen: Heil, Heil!
Aber kein Heil ist da. Schämen müßten sie sich, weil sie Greuel verüben. Doch sie
schämen sich nicht; Scham ist ihnen unbekannt“ (Jer 6, 13-15). Indem
Jesus in diese von der Sünde verwüstete Geschichte eingetreten ist, hat er sich vom
Gewicht und von der Gewalt unserer Sünden überfallen lassen: Aus diesem Grund wird
einem im Blick auf Jesus deutlich spürbar, wie zerstörerisch die Sünde und wie krank
die Menschheitsfamilie ist – das heißt wir! Du und ich! Doch – und das ist die
zweite Gewißheit – Jesus hat auf unseren Hochmut mit Demut reagiert; auf unsere Gewalt
hat er mit Sanftmut geantwortet und auf unseren Haß mit verzeihender Liebe: Das Kreuz
ist das Ereignis, durch das die Liebe Gottes in unsere Geschichte eindringt, einem
jeden von uns nahekommt und zu einer heilenden und rettenden Erfahrung wird. Eine
Tatsache kann uns nicht entgehen: Vom Anfang seines Wirkens an spricht Jesus von seiner„Stunde“ (Joh 2, 4), von einer Stunde, „für die er gekommen ist“
(vgl. Joh 12, 27), von einer Stunde, die er mit Freude begrüßt, wenn er zu
Beginn seiner Passion ausruft: „Die Stunde ist da!“ (Joh 17, 1). Die
Kirche hütet die Erinnerung an diese Tatsache mit Sorgfalt, und nachdem sie im Credo
bekannt hat, daß Gottes Sohn Fleisch angenommen hat durch den Heiligen Geist von
der Jungfrau Maria und Mensch geworden ist, fügt sie sofort hinzu: „Er wurde
für uns gekreuzigt unter Pontius Pilatus, hat gelitten und ist begraben worden“. Er
wurde für uns gekreuzigt! Jesus hat sich im Sterben zutiefst in die dramatische
Erfahrung des Todes hineinbegeben, so wie dieser durch unsere Sünden geschaffen wurde;
doch sterbend hat er das Sterben angefüllt mit Liebe und es deshalb mit der
Gegenwart Gottes erfüllt. Mit dem Tod Christi ist nun der Tod bezwungen, denn Christus
hat in den Tod die Fülle gerade jener Kraft eingesenkt, die der Gegensatz zu der Sünde
ist, die ihn verursacht hatte: Jesus hat ihn mit Liebe erfüllt! Durch den Glauben
und die Taufe kommen wir mit dem Tod Christi in Berührung, das heißt mit dem Geheimnis
der Liebe, mit der Christus ihn erfahren und besiegt hat… Und so beginnt der Weg unserer
Rückkehr zu Gott, einer Rückkehr, die ihre Vollendung finden wird im Moment unseres
eigenen Todes, den wir in und mit Christus erfahren, und das heißt: in Liebe! Wenn
du den »Kreuzweg« gehst, laß dich von Maria an die Hand nehmen: Erbitte dir von ihr
ein Quäntchen ihrer Demut und ihrer Verfügbarkeit, damit die Liebe des gekreuzigten
Christus in dich eindringt und dein Herz wieder aufbaut nach dem Maß des Herzens Gottes. Gutes
Vorankommen! + ANGELO COMASTRI
VORBEREITUNGSGEBET Der Heilige Vater:
Im
Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. R. Amen.
Herr
Jesus, deine Passion ist die Geschichte der ganzen Menschheit: die Geschichte,
in der die Guten gedemütigt werden, die Sanftmütigen … angegriffen, die Anständigen
… mit Füßen getreten und die, welche ein reines Herz haben, spöttisch verlacht
werden.
Wer wird der Sieger sein? Wer wird das letzte Wort haben?
Herr
Jesus, wir glauben, daß Du das letzte Wort bist: In Dir haben die Guten schon
gesiegt, in Dir haben die Sanftmütigen schon triumphiert, in Dir werden die
Anständigen gekrönt und die, welche ein reines Herz haben, leuchten wie Sterne
in der Nacht.
Herr Jesus, heute Abend werden wir Deinen Kreuzweg nachgehen, und
wir wissen, daß es auch unser Weg ist. Doch eine Gewißheit gibt uns Licht: Der
Weg endet nicht am Kreuz, sondern er führt weiter, führt ins Reich des Lebens und
in die Explosion der Freude, die uns niemand mehr nehmen kann!
Lektor:
O
Jesus, nachdenklich halte ich inne zu Füßen Deines Kreuzes: Auch ich habe es
gezimmert mit meinen Sünden! Deine Güte, die sich nicht verteidigt und sich
kreuzigen läßt, ist ein Geheimnis, das mich überwältigt und mich zutiefst erschüttert.
Herr,
für mich bist Du in die Welt gekommen, um mich zu suchen, um mir zu bringen die
Umarmung des Vaters: die Umarmung, die mir fehlt!
Du bist das Angesicht
der Güte und der Barmherzigkeit: Deshalb willst Du mich retten!
In mir
ist so viel Egoismus: Komm mit Deiner grenzenlosen Liebe! In mir ist Hochmut
und Boshaftigkeit: Komm mit Deiner Milde und Deiner Demut!
Herr, der zu
rettende Sünder bin ich: Ich bin der verlorene Sohn, der zurückkehren muß! Herr,
gewähre mir die Gabe der Tränen, um die Freiheit wiederzufinden und das Leben, den
Frieden mit Dir und die Freude in Dir.
ERSTE STATION
Jesus
wird zum Tode verurteilt V. Adoramus te, Christe, et benedicimus
tibi. R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.
Aus dem Evangelium
nach Matthäus. 27, 22-23.26
Chronist:
Pilatus sagte zu ihnen: Lektor: »Was soll ich dann mit Jesus tun,
den man den Messias nennt?« C. Da schrien sie alle: L.
»Ans Kreuz mit ihm!« C. Er erwiderte: L.
»Was für ein Verbrechen hat er denn begangen?« C. Da schrien
sie noch lauter: L. »Ans Kreuz mit ihm!« C.
Darauf ließ er Barabbas frei und gab den Befehl, Jesus zu geißeln und
zu kreuzigen.
BETRACHTUNG
Diese Szene einer Verurteilung kennen
wir gut: Es ist Tagesgeschehen! Doch eine Frage brennt uns auf der Seele: Warum
ist es überhaupt möglich, Gott zu verurteilen? Warum zeigt Gott, der Allmächtige, sich
im Gewand der Schwäche? Warum läßt Gott sich angreifen vom Hochmut, von der Anmaßung und
von der Arroganz der Menschen? Warum schweigt Gott?
Das Schweigen
Gottes ist unsere Qual, ist unsere Prüfung! Doch es ist auch die Läuterung unserer
Eile, es ist die Therapie gegen unsere Rachsucht.
Das Schweigen Gottes ist
der Boden, auf dem unser Hochmut stirbt und der wahre Glaube aufkeimt, der demütige
Glaube, der Glaube, der Gott keine Fragen stellt, sondern sich ihm anheimgibt
in kindlichem Vertrauen.
GEBET
Herr, wie leicht ist es, zu verurteilen! Wie
leicht ist es, Steine zu werfen: die Steine des Urteils und der Verleumdung, die
Steine der Gleichgültigkeit und des Sich-Abwendens!
Herr, Du wolltest stehen
auf der Seite der Besiegten, auf der Seite der Gedemütigten und der Verurteilten.
Hilf
uns, niemals zum Henker der wehrlosen Brüder zu werden, hilf uns, mutig Stellung
zu nehmen, um die Schwachen zu verteidigen, hilf uns, das Wasser des Pilatus
abzulehnen, denn es reinigt nicht die Hände, sondern beschmutzt sie mit unschuldigem
Blut.
X
Alle:
Pater noster,
qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas
tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et
dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et
ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.
Stabat mater dolorosa iuxta
crucem lacrimosa, dum pendebat Filius.
ZWEITE STATION
Jesus
nimmt das Kreuz auf sich
V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.
R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.
Aus dem Evangelium
nach Matthäus. 27, 27-31 C. Da
nahmen die Soldaten des Statthalters Jesus, führten ihn in das Prätorium und versammelten
die ganze Kohorte um ihn. Sie zogen ihn aus und legten ihm einen purpurroten Mantel
um. Dann flochten sie einen Kranz aus Dornen; den setzten sie ihm auf und gaben ihm
einen Stock in die rechte Hand. Sie fielen vor ihm auf die Knie und verhöhnten ihn,
indem sie riefen: L.»Heil dir, König der Juden!« C.Und sie spuckten ihn an, nahmen ihm den Stock wieder weg und schlugen ihm damit
auf den Kopf. Nachdem sie so ihren Spott mit ihm getrieben hatten, nahmen sie ihm
den Mantel ab und zogen ihm seine eigenen Kleider wieder an. Dann führten sie ihn
hinaus, um ihn zu kreuzigen.
BETRACHTUNG
In der Passion Christi
hat sich der Haß ausgetobt, unser Haß, der Haß der ganzen Menschheit. In der
Passion Christi hat unsere Schlechtigkeit reagiert auf die Güte, hat sich unser
Hochmut gereizt entladen angesichts der Demut, fühlte sich unsere Verkommenheit
beleidigt angesichts der strahlenden Lauterkeit Gottes!
Und so sind wir
… das Kreuz Gottes geworden!
Wir, die wir uns töricht auflehnen, wir
haben mit unseren widersinnigen Sünden das Kreuz unserer Ruhelosigkeit und unseres
Unglücks gezimmert: Wir haben unsere Strafe geschaffen.
Doch Gott nimmt
das Kreuz auf die Schultern, unser Kreuz, und er fordert uns heraus mit der
Macht seiner Liebe.
Gott nimmt das Kreuz! Unergründliches Geheimnis der
Güte! Geheimnis der Demut, das uns mit Scham darüber erfüllt, noch hochmütig
zu sein!
GEBET
Herr Jesus, Du bist in die menschliche Geschichte
eingetreten, und sie ist Dir feindselig begegnet, in Auflehnung gegen Gott, wahnsinnig
geworden aufgrund des Hochmuts, der den Menschen glauben läßt, von großer Statur
zu sein … wie sein Schatten!
Herr Jesus, Du hast uns nicht angegriffen, sondern
hast Dich angreifen lassen von uns, von mir, von einem jeden!
Sorge für
mich, Jesus, mit Deiner Geduld, heile mich mit Deiner Demut, gib mir die Statur
des Geschöpfes zurück: meine Statur des Kleinen … von Dir unendlich Geliebten!
X
Alle:
Pater
noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat
voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et
dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et
ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.
Cuius animam gementem, contristatam
et dolentem pertransivit gladius.
DRITTE STATION
Jesus
fällt zum ersten Male unter dem Kreuz
V. Adoramus te, Christe, et
benedicimus tibi. R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.
Aus
dem Buch Jesaja.
53, 4-6
C. Aber er hat unsere Krankheit getragen und unsere
Schmerzen auf sich geladen. Wir meinten, er sei von Gott geschlagen, von
ihm getroffen und gebeugt. Doch er wurde durchbohrt wegen unserer Verbrechen, wegen
unserer Sünden zermalmt. Zu unserem Heil lag die Strafe auf ihm, durch
seine Wunden sind wir geheilt. L. Wir hatten uns alle verirrt wie Schafe, jeder
ging für sich seinen Weg. Doch der Herr lud auf ihn die Schuld
von uns allen.
BETRACHTUNG
Nach menschlichen Vorstellungen
kann Gott nicht fallen, … und doch fällt er. Warum? Es kann kein Zeichen von
Schwäche sein, sondern nur ein Zeichen von Liebe: eine Liebesbotschaft für uns.
Indem
er unter der Last des Kreuzes stürzt, erinnert Jesus uns daran, daß die Sünde belastet, die
Sünde erniedrigt und zerstört, die Sünde bestraft und bewirkt Schlechtes:
Darum
ist die Sünde schlecht. Doch Gott liebt uns und will unser Bestes; und
die Liebe drängt ihn, den Tauben zuzurufen, uns, die wir nicht hören wollen: „Verlaßt
die Sünde, denn sie schadet euch! Sie nimmt euch den Frieden und die Freude; sie
trennt euch vom Leben und läßt in euch austrocknen die Quelle der Freiheit und
der Würde.“
Verlaßt sie! Verlaßt sie!
GEBET
Herr, wir
haben das Empfinden für die Sünde verloren! Mit heimtückischer Propaganda verbreitet
sich heute eine törichte Apologie des Schlechten, ein absurder Kult Satans, ein
unsinniger Wille zur Übertretung, eine verlogene und haltlose Freiheit, welche
die Laune, das Laster und den Egoismus verherrlicht und sie als Errungenschaften
der Zivilisation hinstellt.
Herr Jesus, öffne uns die Augen: Mach, daß
wir den Schmutz sehen und ihn erkennen als das, was er ist, damit eine Träne
der Reue wieder Sauberkeit in uns schaffe und den Raum einer wahren Freiheit. Öffne
uns die Augen, Herr Jesus!
X
Alle:
Pater noster,
qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas
tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et
dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et
ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.
O quam tristis
et afflicta fuit illa benedicta mater Unigeniti!
VIERTE
STATION
Jesus begegnet seiner Mutter
V. Adoramus te,
Christe, et benedicimus tibi. R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.
Aus
dem Evangelium nach Lukas. 2, 34-35.51
C.
Simeon segnete sie und sagte zu Maria, der Mutter Jesu: L. „Dieser ist
dazu bestimmt, daß in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet
werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird. Dadurch sollen die Gedanken
vieler Menschen offenbar werden. Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele
dringen.“ C. Dann kehrte er mit ihnen nach Nazaret zurück und war ihnen
gehorsam. Seine Mutter bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen.
BETRACHTUNG
Jede
Mutter ist ein Sichtbarwerden von Liebe, ist Wohnstatt der Zärtlichkeit, ist
Treue, die nicht verläßt, denn eine wahre Mutter liebt, auch wenn sie nicht
geliebt wird.
Maria ist die Mutter! In ihr ist das Weibliche ungetrübt, und
die Liebe ist nicht verunreinigt durch Aufwallungen von Egoismus, die das Herz
gefangennehmen und blockieren.
Maria ist die Mutter! Ihr Herz steht dem
des Sohnes treu zur Seite und leidet und trägt das Kreuz
und spürt im
eigenen Leibe alle Wunden am Leib des Sohnes.
Maria ist die Mutter! und
sie bleibt Mutter: für uns, für immer!
GEBET
Herr Jesus, wir
alle brauchen die Mutter! Wir brauchen eine Liebe, die wahrhaft ist und treu. Wir
brauchen eine Liebe, die niemals strauchelt, eine Liebe, die sichere Zuflucht
bietet für die Zeit der Angst, des Schmerzes und der Prüfung.
Herr Jesus, wir
brauchen Frauen, Bräute, Mütter, die den Menschen das schöne Gesicht der
Menschheit zurückgeben.
Herr Jesus, wir brauchen Maria: die Frau, die
Braut, die Mutter, die die Liebe niemals verunstaltet und niemals verleugnet!
Herr
Jesus, wir bitten Dich für alle Frauen der Welt!
X
Alle:
Pater
noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat
voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et
dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et
ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.
Quæ mærebat et
dolebat pia mater, cum videbat Nati pœnas incliti.
FÜNFTE
STATION
Simon von Zyrene hilft Jesus das Kreuz tragen
V.
Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi. R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti
mundum.
Aus dem Evangelium nach Matthäus
27, 32; 16, 24 C. Auf dem Weg trafen sie einen Mann aus Zyrene namens Simon;
ihn zwangen sie, Jesus das Kreuz zu tragen.
C. Jesus sagte zu seinen
Jüngern: L. „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme
sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“
BETRACHTUNG Simon von Zyrene, du
bist ein kleiner, ein armer, ein unbekannter Bauer, von dem die Geschichtsbücher
nicht sprechen.
Und doch machst du Geschichte!
Du hast eines der schönsten
Kapitel der Geschichte der Menschheit geschrieben: Du trägst das Kreuz eines
Anderen, du hebst den schweren Balken auf und verhinderst, daß er das Opfer
erdrückt.
Du gibst jedem von uns die Würde zurück, indem du uns daran erinnerst,
daß wir nur dann wir selbst sind, wenn wir nicht mehr an uns selber denken.
Du
erinnerst uns daran, daß Christus auf uns wartet auf der Straße, auf dem Treppenabsatz, im
Krankenhaus, im Gefängnis … in den Randzonen unserer Städte. Christus wartet
auf uns …!
Werden wir ihn erkennen? Werden wir ihm helfen? Oder werden
wir in unserem Egoismus sterben?
GEBET
Herr Jesus, die Liebe erlischt, und
die Welt wird kalt, ungastlich, menschenfeindlich. Sprenge die Ketten, die uns
hindern, den anderen entgegenzueilen. Hilf uns, uns selbst zu finden in der
Nächstenliebe.
Herr Jesus, der Wohlstand läßt uns unmenschlich werden, die
Vergnügung ist zur Entfremdung, zur Droge geworden; und der monotone Werbespot
dieser Gesellschaft ist die Einladung, im Egoismus zu sterben.
Herr Jesus, entzünde
in uns wieder den Funken der Menschlichkeit, die Gott uns am Anfang der Schöpfung
ins Herz legte. Befreie uns von der Dekadenz des Egoismus, dann werden wir wieder
Lebensfreude finden und die Lust, zu singen.
X
Alle:
Pater
noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat
voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et
dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et
ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.
Quis est homo qui
non fleret, matrem Christi si videret in tanto supplicio?
SECHSTE
STATION
Veronika reicht Jesus das Schweißtuch
V. Adoramus
te, Christe, et benedicimus tibi. R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.
Aus
dem Buch des Propheten Jesaja 53,
2-3 C. Er hatte keine schöne und edle Gestalt, so daß wir ihn anschauen
mochten. Er sah nicht so aus, daß wir Gefallen fanden an ihm. Er
wurde verachtet und von den Menschen gemieden, ein Mann voller Schmerzen,
mit Krankheit vertraut, wie einer, vor dem man das Gesicht verhüllt.
Aus
dem Buch der Psalmen
42, 2-3 L. Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so
lechzt, Gott, meine Seele nach dir. Meine Seele dürstet nach Gott, nach
dem lebendigen Gott: Wann darf ich kommen und Gottes Antlitz schauen?
BETRACHTUNG Das
Angesicht Jesu ist schweißgebadet, es ist blutüberströmt, frech angespuckt,
ist es mit Speichel überzogen. Wer wird den Mut haben, sich ihm zu nähern?
Eine
Frau!
Eine Frau tritt offen hervor, läßt das Licht der Menschlichkeit leuchten
…
und trocknet das Angesicht: und entdeckt das Angesicht!
Wie viele Menschen
sind heute gesichtslos! Wie viele Menschen gedrängt an den Rand des Lebens, ins
Exil der Verlassenheit, in die Gleichgültigkeit, die die Gleichgültigen tötet.
Denn
lebendig ist nur, wer vor Liebe brennt und sich beugt über Christus, der leidet und
in den Leidenden wartet: heute!
Ja, heute! Denn morgen wird es zu spät sein!
GEBET
Herr
Jesus, ein Schritt genügte, und die Welt könnte sich ändern!
Ein Schritt
genügte, und in der Familie kehrte wieder Friede ein; ein Schritt genügte, und
der Bettler wäre nicht mehr einsam; ein Schritt genügte, und der Kranke würde
eine Hand spüren, die ihm die Hand hält, … um beide zu heilen.
Ein Schritt
genügte, und die Armen könnten sich zu Tisch setzen und die Traurigkeit verscheuchen
von der Tafel der Egoisten, die für sich allein nicht feiern können.
Herr
Jesus, ein Schritt würde genügen!
Hilf uns, ihn zu tun, denn in der Welt
erschöpfen sich allmählich alle Reserven an Freude. Hilf uns, Herr!
X
Alle:
Pater
noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat
voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et
dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et
ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.
Quis non posset
contristari, piam matrem contemplari dolentem cum Filio?
SIEBENTE
STATION
Jesus fällt zum zweiten Male unter dem Kreuz
V.
Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi. R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti
mundum.
Aus dem Buch des Propheten Jeremia
12, 1 C. Du bleibst im Recht, Herr, wenn ich mit dir streite; dennoch
muß ich mit dir rechten. Warum haben die Frevler Erfolg? Weshalb
können die Abtrünnigen sorglos sein?
Aus dem Buch der Psalmen
37, 1-2.10-11 L. Errege dich nicht über die Bösen, wegen
der Übeltäter ereifere dich nicht. Denn sie verwelken schnell wie das Gras, wie
grünes Kraut verdorren sie. Eine Weile noch, und der Frevler ist nicht mehr
da; schaust du nach seiner Wohnung – sie ist nicht mehr zu finden. Doch
die Armen werden das Land bekommen, sie werden Glück in Fülle genießen.
BETRACHTUNG Unsere
Arroganz, unsere Gewalt, unsere Ungerechtigkeiten lasten auf Christi Leib. Sie
wiegen schwer … und Christus fällt noch einmal, um uns das unerträgliche Gewicht unserer
Sünde zu offenbaren.
Doch was ist es, das heute in besonderer Weise den
heiligen Leib Christi peinigt?
Sicher ist ein schmerzliches Leiden Gottes der
Angriff auf die Familie. Es scheint, als gebe es heute eine Art Anti-Genesis, einen
Gegen-Entwurf, einen diabolischen Hochmut, der die Familie abschaffen will.
Der
Mensch möchte die Familie neu erfinden, die Grammatik des Lebens selbst, von
Gott so ersonnen und gewollt, möchte er verändern.
Doch sich an Gottes Stelle
zu setzen, ohne Gott zu sein, ist die dümmste Arroganz, ist das gefährlichste
Abenteuer.
Der Sturz Christi öffne uns die Augen und lasse uns wieder das
schöne Gesicht, das wahre Gesicht, das heilige Gesicht der Familie sehen. Das
Gesicht der Familie deren wir alle bedürfen.
GEBET
Herr Jesus, die
Familie ist ein Traum Gottes, der Menschheit übergeben; die Familie ist ein
Funke des Himmels, mit der Menschheit geteilt; die Familie ist die Wiege, in
die wir hineingeboren wurden und in der wir in der Liebe immer wieder neu geboren
werden.
Herr Jesus, tritt in unsere Häuser ein und stimme das Lied
des Lebens an. Entzünde wieder das Licht der Liebe und laß uns empfinden, wie
schön es ist, aneinander gebunden zu sein in einer Umarmung des Lebens: das
vom Atem Gottes selbst gespeiste Leben, der Atem des Liebe-Gottes.
Herr
Jesus, rette die Familie, damit das Leben gesichert sei!
Herr Jesus, rette
meine, rette unsere Familie!
X
Alle:
Pater noster,
qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas
tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et
dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et
ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.
Pro peccatis suæ
gentis vidit Iesum in tormentis et flagellis subditum.
ACHTE
STATION
Jesus begegnet den Frauen von Jerusalem
V. Adoramus
te, Christe, et benedicimus tibi. R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.
Aus
dem Evangelium nach Lukas 23, 27-29.31 C.
Es folgte eine große Menschenmenge, darunter auch Frauen, die um ihn klagten und
weinten. Jesus wandte sich zu ihnen um und sagte: L. „Ihr Frauen von Jerusalem,
weint nicht über mich; weint über euch und eure Kinder! Denn es kommen Tage, da wird
man sagen: Wohl den Frauen, die unfruchtbar sind, die nicht geboren und nicht gestillt
haben… Denn wenn das mit dem grünen Holz geschieht, was wird dann erst mit
dem dürren werden?“
BETRACHTUNG Das Weinen der Mütter von Jerusalem überflutet
den Weg des Verurteilten mit Mitleid, dämpft die Grausamkeit einer Todesstrafe und
erinnert uns daran, daß wir alle Kinder sind: Kinder, die aus der Umarmung einer
Mutter kommen.
Doch das Weinen der Mütter von Jerusalem ist nur ein kleiner
Tropfen in dem Strom all der Tränen, die Mütter vergossen haben: Mütter von
Gekreuzigten, Mütter von Mördern, Mütter von Drogensüchtigen, Mütter von Terroristen, Mütter
von Vergewaltigern, Mütter von Wahnsinnigen: … immer jedoch Mütter!
Aber
Weinen genügt nicht. Das Weinen muß überströmen in Liebe, die erzieht, in Stärke,
die führt, in Strenge, die zurechtweist, in Dialog, der aufbaut, in Gegenwart,
die redet!
Das Weinen muß weiteres Weinen verhindern!
GEBET
Herr
Jesus, Du kennst das Weinen der Mütter, Du siehst in jedem Haus den Winkel des
Schmerzes, Du hörst das stille Seufzen so vieler Mütter, die von ihren Kindern
verletzt wurden, tödlich verletzt … und weiterleben!
Herr Jesus, löse
die Gerinnsel der Härte, die den Kreislauf der Liebe in den Adern unserer Familien
behindern. Gib, daß wir uns noch einmal als Sohn oder Tochter empfinden, damit
wir unseren Müttern – auf Erden und im Himmel – den Stolz schenken, uns geboren
zu haben, und die Freude, den Tag unserer Geburt preisen zu können.
Herr
Jesus, trockne die Tränen der Mütter, damit das Lächeln wiederkehre auf den
Gesichtern der Kinder, auf den Gesichtern aller.
X
Alle:
Pater
noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat
voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et
dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et
ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.
Tui Nati vulnerati, tam
dignati pro me pati pœnas mecum divide.
NEUNTE
STATION
Jesus fällt zum dritten Male unter dem Kreuz
V.
Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi. R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti
mundum.
Aus dem Buch des Propheten Habakuk
1, 12-13; 2, 2-3 C. Herr, bist nicht du von Ewigkeit her mein heiliger
Gott? Deine Augen sind zu rein, um Böses mit anzusehen, du
kannst der Unterdrückung nicht zusehen. Warum siehst du also den Treulosen
zu und schweigst, wenn der Ruchlose den Gerechten verschlingt? L.
„Schreib nieder, was du siehst, schreib es deutlich auf die Tafeln, damit
man es mühelos lesen kann. Denn erst zu der bestimmten Zeit trifft ein,
was du siehst; aber es drängt zum Ende und ist keine Täuschung; wenn
es sich verzögert, so warte darauf; denn es kommt, es kommt und bleibt nicht
aus.“
BETRACHTUNG Pascal hat scharfsinnig bemerkt: „Bis zum Ende
der Welt wird Jesus in Agonie sein; in dieser Zeit darf man nicht schlafen.“
Doch
wo ringt Jesus in dieser Zeit mit dem Tode?
Die Teilung der Welt in Zonen
des Wohlstands und Zonen des Elends … ist die Agonie Christi heute. Tatsächlich
besteht die Welt aus zwei Zimmern: In dem einen verschwendet man, und in dem
anderen verendet man; in dem einen stirbt man am Überfluß, und in dem anderen
stirbt man vor Elend; in dem einen fürchtet man die Fettleibigkeit, und in dem
anderen fleht man um Nächstenliebe.
Warum öffnen wir nicht eine Tür? Warum
bilden wir nicht eine einzige Mahlgemeinschaft? Warum begreifen wir nicht, daß
die Armen die Therapie sind für die Reichen? Warum? Warum? Warum sind wir so
blind?
GEBET
Herr Jesus, den Menschen, der für das Horten lebt, hast
Du einen Narren genannt!
Ja, töricht ist, wer meint, etwas zu besitzen, denn
nur Einer ist der Besitzer der Welt.
Herr Jesus, die Welt gehört Dir,
Dir allein. Und Du hast sie allen geschenkt, damit die Erde ein Haus sei, das
alle nährt und alle beschützt.
Darum ist Horten Stehlen,
wenn die
unnötige Anhäufung andere hindert zu leben.
Herr Jesus, laß den Skandal
enden, der die Welt teilt in Villen und Baracken. Herr, erziehe uns wieder
zur Brüderlichkeit!
X
Alle:
Pater noster, qui es
in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua,
sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte
nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos
inducas in tentationem; sed libera nos a malo.
Eia, mater, fons amoris, me
sentire vim doloris fac, ut tecum lugeam.
ZEHNTE STATION
Die
Soldaten teilen sich die Kleider Jesu
V. Adoramus te, Christe, et
benedicimus tibi. R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.
Aus
dem Evangelium nach Johannes. 19, 23-24 C.
Nachdem die Soldaten Jesus ans Kreuz geschlagen hatten, nahmen sie seine Kleider
und machten vier Teile daraus, für jeden Soldaten einen. Sie nahmen auch sein Untergewand,
das von oben her ganz durchgewebt und ohne Naht war. Sie sagten zueinander: L.
„Wir wollen es nicht zerteilen, sondern darum losen, wem es gehören soll.“ C.
So sollte sich das Schriftwort erfüllen: Sie verteilten meine Kleider unter sich
und warfen das Los um ein Gewand.
BETRACHTUNG
Die Soldaten nehmen
Jesus das Untergewand weg mit der Gewalt der Diebe und versuchen, ihn auch
seines Schamgefühls und seiner Würde zu berauben.
Doch Jesus ist die
Scham, Jesus ist die Würde des Menschen und seines Leibes.
Und der
gedemütigte Leib Christi wird zur Anklage aller Demütigungen des menschlichen
Leibes, der von Gott geschaffen ist als Ausdruck der Seele und als Sprache,
um die Liebe kundzutun.
Heute aber wird der Leib häufig verkauft und gekauft auf
den Gehsteigen der Städte, auf den Gehsteigen des Fernsehens, in den Häusern,
die zu Gehsteigen geworden sind.
Wann werden wir begreifen, daß wir dabei sind,
die Liebe zu töten? Wann werden wir begreifen, daß ohne Reinheit der Leib nicht
lebt, noch Leben zeugen kann?
GEBET
Herr Jesus, auf verschlagene
Weise ist über die Reinheit ein allgemeines Schweigen verhängt worden: ein unreines
Schweigen! Es hat sich sogar die Überzeugung verbreitet – eine ganz und gar
verlogene Überzeugung! – daß die Reinheit Feindin der Liebe sei.
Das Gegenteil
ist wahr, o Herr! Die Reinheit ist die unerläßliche Bedingung, um lieben zu
können: um wirklich zu lieben, um treu zu lieben.
Im übrigen, Herr, wenn
einer nicht Herr seiner selbst ist, wie kann er sich dann verschenken?
Nur
wer rein ist, kann lieben; nur wer rein ist, kann lieben, ohne zu beschmutzen.
Herr
Jesus, durch die Macht Deines für uns vergossenen Blutes schenke uns reine Herzen, damit
in der Welt die Liebe wieder erstehe, die Liebe, nach der wir alle solche Sehnsucht
haben.
X
Alle:
Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur
nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem
nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et
nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera
nos a malo.
Fac ut ardeat cor meum in amando Christum Deum, ut
sibi complaceam.
ELFTE STATION
Jesus wird ans Kreuz genagelt
V.
Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi. R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti
mundum.
Aus dem Evangelium nach Matthäus.
27, 35-42 C. Nachdem sie ihn gekreuzigt hatten, warfen sie das Los und verteilten
seine Kleider unter sich. Dann setzten sie sich nieder und bewachten ihn. Über seinem
Kopf hatten sie eine Aufschrift angebracht, die seine Schuld angab: Das ist Jesus,
der König der Juden. Zusammen mit ihm wurden zwei Räuber gekreuzigt, der
eine rechts von ihm, der andere links. Die Leute, die vorbeikamen, verhöhnten ihn,
schüttelten den Kopf und sagten: L. „Du willst den Tempel niederreißen und
in drei Tagen wieder aufbauen? Wenn du Gottes Sohn bist, hilf dir selbst und steig
herab vom Kreuz!“ C. Auch die Hohenpriester, die Schriftgelehrten und die
Ältesten verhöhnten ihn und sagten: L. „Anderen hat er geholfen, sich selbst
kann er nicht helfen. Er ist doch der König von Israel! Er soll vom Kreuz herabsteigen,
dann werden wir an ihn glauben.“
BETRACHTUNG
Die Hände, die alle
gesegnet haben, sind nun ans Kreuz genagelt, die Füße, die so viel gegangen
sind, um Hoffnung und Liebe auszustreuen, sind nun an den Kreuzesstamm geheftet.
Warum,
o Herr? Aus Liebe!
Warum die Passion? Aus Liebe! Warum
das Kreuz? Aus Liebe!
Warum, o Herr, bist Du nicht vom Kreuz herabgestiegen und
hast auf unsere Provokationen reagiert? Ich bin nicht vom Kreuz herabgestiegen, weil
ich sonst die Gewalt anerkannt hätte als Herrin der Welt, während die Liebe
die einzige Gewalt ist, die die Welt verändern kann.
Warum, o
Herr, dieser erdrückend hohe Preis? Um euch zu sagen, daß Gott Liebe ist, unendliche
Liebe, allmächtige Liebe. Werdet ihr mir glauben?
GEBET
Gekreuzigter
Jesus, alle können uns betrügen, verlassen, enttäuschen: Du allein wirst
uns niemals enttäuschen! Du hast zugelassen, daß unsere Hände Dich grausam ans
Kreuz nagelten, um uns zu sagen, daß Deine Liebe wahr ist, aufrichtig, treu
und unwiderruflich.
Gekreuzigter Jesus, unsere Augen sehen Deine Hände angenagelt und
doch fähig, die wahre Freiheit zu geben; sie sehen Deine Füße durch die Nägel festgehalten und
doch noch fähig voranzuschreiten und andere voranschreiten zu lassen.
Gekreuzigter
Jesus, geschwunden ist die Illusion eines Glücks ohne Gott. Wir kehren zurück
zu Dir, der einzigen Hoffnung und der einzigen Freiheit, der einzigen Freude
und der einzigen Wahrheit:
Gekreuzigter Jesus, hab Erbarmen mit uns Sündern!
X
Alle:
Pater
noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat
voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et
dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et
ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.
Sancta mater, istud
agas, Crucifixi fige plagas cordi meo valide.
ZWÖLFTE
STATION
Jesus stirbt am Kreuz V. Adoramus te, Christe, et
benedicimus tibi. R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.
Aus
dem Evangelium nach Johannes. 19, 25-27 C.
Bei dem Kreuz Jesu standen seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria,
die Frau des Klopas, und Maria von Magdala. Als Jesus seine Mutter sah und bei ihr
den Jünger, den er liebte, sagte er zu seiner Mutter: L. „Frau, siehe, dein
Sohn!“ C. Dann sagte er zu dem Jünger: L. „Siehe, deine Mutter!“ C.
Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich. Aus dem Evangelium
nach Matthäus. 27, 45-46.50
C.
Von der sechsten bis zur neunten Stunde herrschte eine Finsternis im ganzen Land.
Um die neunte Stunde rief Jesus laut: L. „Eli, Eli, lema sabachtani?“ C.
Das heißt: L. „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ C.
Jesus schrie noch einmal laut auf. Dann hauchte er den Geist aus.
BETRACHTUNG
Der
Mensch hat törichterweise gedacht: Gott ist tot! Wenn aber Gott stirbt, wer gibt
uns dann noch das Leben? Wenn Gott stirbt, was ist dann das Leben?
Das Leben
ist Liebe!
Das Kreuz ist also nicht der Tod Gottes, sondern der Moment,
in dem die zerbrechliche Schale des Menschseins, das Gott angenommen hatte, zerspringt und
die Flut der Liebe hervorströmt, welche die Menschheit erneuert.
Aus dem
Kreuz entspringt das neue Leben des Saulus, aus dem Kreuz entspringt die Bekehrung
des Augustinus, aus dem Kreuz entspringt die glückliche Armut des Franz von Assisi, aus
dem Kreuz entspringt die strahlende Güte des Vinzenz von Paul; aus dem Kreuz entspringt
der Heldenmut des Maximilian Kolbe, aus dem Kreuz entspringt die wunderbare Nächstenliebe
der Mutter Theresa von Kalkutta, aus dem Kreuz entspringt der Mut Johannes’ Pauls
II., aus dem Kreuz entspringt die Revolution der Liebe: Darum ist das Kreuz
nicht der Tod Gottes, sondern es ist der Ursprung seiner Liebe in der Welt.
Gepriesen
sei das Kreuz Christi!
GEBET
Herr Jesus, im Schweigen dieses
Abends ist Deine Stimme zu hören: „Mich dürstet! Mich dürstet nach deiner Liebe!“
Im
Schweigen dieser Nacht ist Dein Gebet zu hören: „Vater, vergib ihnen! Vater,
vergib ihnen!“
In Schweigen der Geschichte ist Dein Schrei zu hören: „Es
ist vollbracht.“
Was ist vollbracht? „Ich habe euch
alles gegeben, ich habe euch alles gesagt, ich habe euch die schönste Botschaft
überbracht: Gott ist Liebe! Gott liebt euch!“
Im Schweigen des
Herzens ist die Liebkosung Deines letzten Geschenkes zu hören: „Siehe, deine
Mutter: meine Mutter!“
Danke, Jesus, daß Du Maria die Aufgabe anvertraut
hast, uns jeden Tag daran zu erinnern, daß der Sinn von allem die Liebe ist: die
Liebe Gottes, in die Welt eingepflanzt als ein Kreuz! Danke, Jesus!
X
Alle:
Pater
noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat
voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et
dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et
ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.
Vidit suum dulcem
Natum morientem desolatum, cum emisit spiritum.
DREIZEHNTE
STATION
Jesus wird vom Kreuz abgenommen und in den
Schoß seiner Mutter gelegt V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.
R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.
Aus dem Evangelium
nach Matthäus. 27, 55.57-58; 17, 22-23 C. Auch viele
Frauen waren dort und sahen von weitem zu; sie waren Jesus seit der Zeit in Galiläa
nachgefolgt und hatten ihm gedient.
Gegen Abend kam ein reicher Mann
aus Arimathäa namens Josef; auch er war ein Jünger Jesu. Er ging zu Pilatus und bat
um den Leichnam Jesu. Da befahl Pilatus, ihm den Leichnam zu überlassen.
C.
Als sie in Galiläa zusammen waren, sagte Jesus zu ihnen: L. „Der Menschensohn
wird den Menschen ausgeliefert werden, und sie werden ihn töten; aber am dritten Tag
wird er auferstehen.“ C. Da wurden sie sehr traurig.
BETRACHTUNG
Das
Verbrechen ist vollbracht: Wir haben Jesus getötet!
Und die Wunden Christi
brennen im Herzen Marias, während ein einziger Schmerz die Mutter mit dem
Sohn umfängt.
Die Pietà! Ja, die Pietà ruft, erschüttert und verwundet
sogar den, der gewöhnlich Wunden zufügt.
Die Pietà! Uns scheint es, als
hätten wir Mitleid mit Gott, und statt dessen – wieder einmal – ist es Gott,
der Mitleid hat mit uns.
Die Pietà! Der Schmerz ist nicht mehr hoffnungslos und
wird es niemals mehr sein, denn Gott ist gekommen, um mit uns zu leiden.
Und
kann man mit Gott etwa die Hoffnung verlieren?
GEBET
O Maria, in
diesem Sohn umarmst du jeden Sohn und empfindest die Pein aller Mütter der Welt.
O
Maria, deine Tränen fließen von Jahrhundert zu Jahrhundert und laufen über die
Gesichter und weinen das Weinen aller Menschen.
O Maria, du bist mit
dem Schmerz vertraut … aber du glaubst! Du glaubst, daß die Wolken die Sonne nicht
auslöschen, du glaubst, daß die Nacht das Morgenrot vorbereitet.
O Maria, die
du das Magnifikat gesungen hast,
stimme für uns das Lied an, das den Schmerz
überwindet wie eine Geburt, aus der das Leben hervorgeht.
O Maria, bitte
für uns! Bitte, daß die wahre Hoffnung auch auf uns überspringe.
X
Alle:
Pater
noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat
voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et
dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et
ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.
Fac me vere tecum
flere, Crucifixo condolere, donec ego vixero.
VIERZEHNTE
STATION
Jesus wird ins Grab gelegt V. Adoramus te, Christe,
et benedicimus tibi. R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.
Aus
dem Evangelium nach Matthäus. 27, 59-61 C.
Josef nahm den Leichnam Jesu und hüllte ihn in ein reines Leinentuch. Dann legte
er ihn in ein neues Grab, das er für sich selbst in einen Felsen hatte hauen lassen.
Er wälzte einen großen Stein vor den Eingang des Grabes und ging weg. Auch Maria aus
Magdala und die andere Maria waren dort; sie saßen dem Grab gegenüber.
Aus
dem Buch der Psalmen
16, 9-11
L. Darum freut sich mein Herz und frohlockt meine Seele; auch
mein Leib wird wohnen in Sicherheit. Denn du gibst mich nicht der Unterwelt
preis; du läßt deinen Frommen das Grab nicht schauen. Du zeigst
mir den Pfad zum Leben. Vor deinem Angesicht herrscht Freude in Fülle, zu
deiner Rechten Wonne für alle Zeit.
BETRACHTUNG
Manchmal gleicht
das Leben einem langen und traurigen Karsamstag. Alles scheint am Ende, es
scheint, als triumphiere der Übeltäter, es scheint, als sei das Böse stärker als
das Gute.
Aber der Glaube läßt uns weiter schauen, er läßt uns das Licht
eines neuen Tages entdecken, jenseits von diesem Tag. Der Glaube versichert
uns, daß das letzte Wort Gott zusteht: Gott allein!
Der Glaube ist wirklich
eine kleine Lampe, doch er ist die einzige Lampe, die die Nacht der Welt erhellt: und
sein demütiges Licht fließt hinüber in den ersten Lichtschein des Tages: der
Tag des auferstandenen Christus.
Die Geschichte endet also nicht im Grab, sondern
explodiert im Grab: so hat es Jesus verheißen, so ist es geschehen und wird
es geschehen!
GEBET Herr Jesus, der Karfreitag ist der Tag
der Dunkelheit, der Tag des grundlosen Hasses, der Tag der Tötung des Gerechten! Doch
der Karfreitag ist nicht das letzte Wort: Das letzte Wort ist Ostern, der Triumph
des Lebens, der Sieg des Guten über das Böse.
Herr Jesus, der Karsamstag
ist der Tag der Leere, der Tag der Angst und der Verlorenheit, der Tag, an dem
alles zu Ende scheint!
Doch der Karsamstag ist nicht der letzte Tag: Der
letzte Tag ist Ostern, das Licht, das sich wieder entzündet, die Liebe, die
allen Haß überwindet.
Herr Jesus, während unser Karfreitag zu Ende geht und
sich die Angst so vieler Karsamstage wiederholt, gib uns den festen Glauben Marias, um
an die Wahrheit von Ostern zu glauben; gib uns ihren klaren Blick, um das Leuchten
zu sehen, das den letzten Tag der Geschichte ankündigt: »einen neuen Himmel
und eine neue Erde«, die in Dir schon begonnen haben, gekreuzigter und
auferstandener Jesus. Amen!
X
Alle:
Pater
noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat
voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et
dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et
ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.
Quando corpus morietur, fac
ut animæ donetur paradisi gloria. Amen.
Der
Heilige Vater richtet das Wort an die Anwesenden.
Am
Ende der Rede erteilt der Heilige Vater den Apostolischen Segen:
V.
Dominus vobiscum.
R. Et cum spiritu tuo.
V. Sit nomen Domini benedictum.
R.
Ex hoc nunc et usque in sæculum.
V. Adiutorium nostrum in nomine Domini.
R.
Qui fecit cœlum et terram.
V. Benedicat vos omnipotens Deus, X Pater, et
X Filius, et X Spiritus Sanctus.