2006-04-15 14:10:37

Italien: Papst Benedikt betet erstmals Kreuzweg am Kolosseum


Mit dem traditionellen Kreuzweg des Papstes am Kolosseum haben die Osterfeierlichkeiten in Rom einen ersten Höhepunkt erreicht. Erstmals in seinem Pontifikat führte Benedikt XVI. gestern Abend die Prozession beim Kolosseum an, um gemeinsam mit tausenden Menschen des Leidens und Sterbens Jesu vor zu gedenken. Bei der ersten und bei der letzten der 14 Station trug Benedikt selbst das Kreuz. Bei den übrigen führten Kardinalvikar Camillo Ruini, eine römische Familie, ein Priesterseminarist aus den USA, Ordensleute und Jugendliche aus verschiedenen Weltteilen die Prozession an.
Die von Sprechern vorgetragenen Meditationstexte erinnerten an leidende und gedemütigte Menschen der modernen Zeit, beklagten aber auch Missstände der heutigen Gesellschaft: „Wir haben das Empfinden für die Sünde verloren! Mit heimtückischer Propaganda verbreitet sich heute eine törichte Apologie des Schlechten, ein absurder Kult Satans, ein unsinniger Wille zur Übertretung, eine verlogene und haltlose Freiheit, welche die Laune, das Laster und den Egoismus verherrlicht und sie als Errungenschaften der Zivilisation hinstellt.“


Bei der fünften Station „Simon von Cyrene hilft Jesus das Kreuz tragen“ versetzte die Meditation des Generalvikars des Papstes für die Vatikanstadt, Angelo Comastri das Geschehen direkt in die heutige Zeit: „Du erinnerst uns daran, dass Christus auf uns wartet auf der Straße, auf dem Treppenabsatz, im Krankenhaus, im Gefängnis …in den Randzonen unserer Städte. Der Wohlstand lässt uns unmenschlich werden, die Vergnügung ist zur Entfremdung, zur Droge geworden; und der monotone Werbespot dieser Gesellschaft ist die Einladung, im Egoismus zu sterben.“


Die Meditation zur siebenten Station „Christus fällt zum zweiten Mal unter dem Kreuz“ geißelte heutige Angriffe auf die Familie: „Es scheint, als gebe es heute eine Art Anti-Genesis, einen Gegen-Entwurf, einen diabolischen Hochmut, der die Familie abschaffen will. Der Mensch möchte die Familie neu erfinden, die Grammatik des Lebens selbst, von Gott so ersonnen und gewollt, möchte er verändern. Doch sich an Gottes Stelle zu setzen, ohne Gott zu sein, ist die dümmste Arroganz, ist das gefährlichste Abenteuer.“


Unzählige Fackeln und Kerzen erleuchteten das Kolosseum und die

Umgegend. Mehr als 60 Sendeanstalten übertrugen die nächtliche Zeremonie in 42 Länder. Am Schluss forderte der Papst die Gläubigen auf, en Kreuzweg nicht nur als historisches Ereignis zu sehen, sondern ihn auf sich selbst zu beziehen. „Beim Kreuzweg können wir nicht nur Zuschauer sein. Wir können nicht neutral sein. Pilatus, der skeptische Intellektuelle, hat versucht, neutral zu sein, aber auf diese Weise hat er gegen die Justiz Position bezogen, für den Konformismus seiner Karriere. Im Spiegel des Kreuzes müssen wir die Leiden der Menschen von heute erkennen. Wir haben das Leiden von verlassenen, misshandelten Kindern gesehen, die Bedrohung der Familie, die Spaltung der Welt in den Hochmut der Reichen, die Lazarus vor ihrer Tür nicht sehen, und das Elend der vielen, die Hunger und Durst leiden. Aber wir haben auch Stationen des Trosts gesehen. Wir haben die mutige Frau gesehen, die vor dem Herrn steht und keine Angst hat, ihre Solidarität mit dem Leidenden zu zeigen. Wir haben Simon von Cyrene gesehen, einen Afrikaner, der mit Jesus das Kreuz trägt.“
(kna,rv 15.04.06 bg)








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